21.03.2013 Cordula Vielhauer

Architektur macht Schule - Architektur-Gesellschaft, die ELFTE

Eine schwedische Schulweisheit lautet: „ Ein Kind hat drei Lehrer: Der erste Lehrer sind die anderen Kinder, der zweite Lehrer ist der Lehrer, und der dritte Lehrer ist der Raum.“ Bei der elften Architektur-Gesellschaft im März 2013 diskutierten wir mit unserem Ehrengast Wilhelm Sütter und 20 weiteren Gästen über die Architektur von Schulen im Boffi Showroom in der Nymphenburgerstrasse in München.

Grundschule und Kindergarten in Saint-Denis, Architekten: AAVP, Foto: Luc Boegly

In keinem anderen Bildungsbereich wird so viel herumgedoktort wie bei den Schulen: Allein in Berlin wurden im letzten Jahr 23 neue Schulkonzepte umgesetzt. In Deutschland insgesamt gibt es 105 Schulformen, die jedoch die Wenigsten kennen. Seit 2003 existiert das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“. Trotz seines großen Erfolges wurden im Rahmen der Umsetzung viele Schulen übereilt und ohne konkrete Vorgaben umgebaut. „Einladend, anregend, räumlich vielfältig und sorgfältig detailliert sollten Gebäude für Kinder gestaltet sein; Lernbereiche und Rückzugsorte ebenso anbieten wie Räume zum Spielen.“ Nach diesen Kriterien hat die DETAIL-Redaktion die Projekte für unser aktuelles Konzept-Heft "Bauen für Kinder" ausgesucht – und viele schöne Beispiele zusammen getragen. Doch wie sieht der Alltag im Schulbau aus? Dazu befragten wir den Experten Wilhelm Sütter.
„Viele Konzepte und große Träume!“ Wilhelm Sütter ist Schulberater mit dem Schwerpunkt Einrichtung. Er fungiert als Mediator zwischen Architekt, Bauherr und Träger und sagt: „Schulen werden einerseits nach klar definierten Vorgaben, Richtlinien und Parametern errichtet; Städte und Gemeinden geben Raumprogramme und Budgets vor. Doch die Bedingungen, Lehr- und Lernformen ändern sich ständig: An manchen Schulen wird jahrgangsübergreifend gelernt, an anderen im Klassenverband. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.“

Ehrengast Wilhelm Sütter bei der Architektur-Gesellschaft

Wilhelm Sütter bezeichnet die Architektur einer Schule als hochkomplexes Thema, eine „perfekte Schule“ gibt es für ihn nicht. Die vielen Richtlinien erschweren oftmals den Bau, gleichzeitig würden wichtige Faktoren vernachlässigt oder außer Acht gelassen: Eine Klimaanlage in einer Schule schafft es beispielsweise nicht, die Hitze aufzufangen, die 30 Kinder innerhalb von fünf Minuten produzieren. „Kinder sind keine Menschen!“, sagt er provokant. Damit meint er: „Kinder sitzen oft über Stunden auf einem Stuhl, der zwanzig Euro gekostet hat. Die Vorschriften für ergonomisches Sitzen sind heute für jeden Arbeitnehmer in jedem Büro humaner.“
Einer unserer Gäste, Jürgen Bahls von bahlsconcepts (Diessen), verwies darauf, dass viele alte Schulgebäude allein auf Grund ihrer Großzügigkeit und ihrer fehlenden Funktionszuweisungen einzelner Räume heute noch Vorbildcharakter haben könnten: So waren die Klassenzimmer seiner eigenen Schulzeit bis zu vier Meter hoch und hatten hohe Fenster – eine Klimaanlage war gar nicht notwendig.

Aber wie sieht das ideale Klassenzimmer aus? Eine anwesende Lehrerin stimmt Diessen indirekt zu, indem sie erklärt, dass hauptsächlich einfache Dinge, wie beispielsweise Platz für Zeichnungen selten berücksichtigt würden. Wenn sie Klassenräume umgestalte, geschehe dies meist weniger aus Begeisterung an der Sache, denn aus purer Not. Könnten einfach größere, flexibel nutzbare Räume eine Lösung sein?

Maria-Montessori-Grundschule in Berlin-Wilmersdorf mit Hortneubau von Kersten Kopp Architekten, Foto: Werner Huthmacher, Berlin

Und: Kann man den Schulbau industrialisieren? Solche Konzepte gab es schließlich schon in den sechziger und siebziger Jahren. Häufig wurden und werden diese Bauten aber den stadträumlichen Gegebenheiten nicht gerecht. „Ist die Architektur nicht gut, dann ist sie selbst mit guten Möbeln nicht zu retten,“ findet der Architekt Roberto Gonzalo. Andere unserer Gäste verwiesen darauf, dass zwar regelmäßig Informationen zur Schule an Schulen gesammelt würden, diese aber nicht oder kaum in den Schulbau einflössen. Das Institut für Schulqualität und Bildungsforschung ISB führt beispielsweise immer wieder Umfragen mit Lehrern, Schülern und Eltern durch. Warum sollten die Ergebnisse daraus nicht nur zur Verbesserung schulischer Abläufe, sondern ebenso gut für den Schulbau genutzt werden? Und zwar, ohne dass sie zum starren „Passepartout“ und regulierenden Korsett würden.

Maria-Montessori-Grundschule in Berlin-Wilmersdorf: Hortneubau von Kersten Kopp Architekten, Foto: Werner Huthmacher, Berlin

Vergleicht man die Entwicklung des Schulbaus mit jener von Bürobauten, ist ersterer seit 1970 „stehengeblieben“. Das Office hat sich hingegen stetig weiterentwickelt, vom Zellenbüro über Großräume mit hunderten von identischen Arbeitsplätzen bis zu funktional zonierten Offices, flexiblen Zellstrukturen und Bürolandschaften der Gegenwart. Mit Angeboten vom Fitnessraum bis zur Leseecke und mit Leitmotiven wie „Life-Work-Balance“ oder „Shared Space“ sucht die zeitgenössische Büroarchitektur geradezu den Vergleich zu Spielplatz und Wohnzimmer, möglichst wenig soll an das staubige Image einer schnöden „Arbeitsumgebung“ erinnern. Mancher Schüler könnte da richtig neidisch werden.

Doch halt! Nicht überall! Unser oben erwähntes Konzept-Heft "Bauen für Kinder"  stellt schließlich eine ganze Reihe ausnahmslos gelungener Bauten für diese nur körperlich kleine Zielgruppe vor. Und in unserer gleichnamigen DETAIL-Online-Serie Bauen für Kinder finden Sie ebenfalls viele sehr schöne und innovative Projekte. Da will man doch fast gleich wieder zur Schule gehen...

Architektur-Gesellschaft

Maria-Montessori-Grundschule in Berlin-Wilmersdorf: Hortneubau von Kersten Kopp Architekten, Foto: Werner Huthmacher, Berlin

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