26.11.2013 Cordula Vielhauer

Besondere Verbindung: doppelt gekrümmte Holzschale der EPFL Lausanne

Sie ist keine acht Zentimeter dick, überspannt aber eine Distanz von 13,50 Metern: Die gefaltete Holzschale ist eines der aktuellen Forschungsprojekte der EPFL Lausanne. Im Herbst 2013 wurde die Reverse-Fold-Konstruktion und ihre besondere Verbindungstechnik im Rahmen der Ausstellung „Timber Project“ in der Architektur-Akademie in Mendrisio der Öffentlichkeit präsentiert.

CLT-Pavillon, Foto: EPFL

Die Ausstellung „Timber Project“ in Mendrisio zeigte aktuelle Forschungsvorhaben zu Holzkonstruktionen, die von interdisziplinären Teams aus Bauingenieuren, Architekten, Mathematikern und IT-Spezialisten bearbeitet werden. Der Baustoff Holz ist in diesem Zusammenhang vor allem wegen seiner großen Flexibilität und Bearbeitungsvariabilität attraktiv, in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte sind seine ökologischen Eigenschaften – wie das schnelle Nachwachsen dieses Rohstoffs – ebenfalls interessant.

Ausstellungsfoto "The Timber Project", Foto: EPFL

Die Reverse-Fold- oder auch Curved-Crease-Konstruktion wurde zur Ausstellungseröffnung von „Timber Project“ im Garten der Universität aufgestellt. Ihre Entwicklung fand im Holzkonstruktionslabor der EPFL IBOIS unter der Leitung von Professor Yves Weinand statt. Zum Forschungsteam gehörten zudem Christopher Robeller und Sina Nabaei. Die Eigenschaften von Holz wurden hier so weit ausgelotet, dass man tatsächlich von einem High-Tech-Material sprechen kann: Das Holz wird hier gebogen und gebügelt, geflochten und gebogen, bis es in einer gerippten Schale seine endgültige Form findet.

Schlitze zur Verbindung der Dachschale, Foto: EPFL

Der Pavillon besteht aus einfach gekrümmten Paneelen aus kreuzweise verleimtem Brettschichtholz (CLT steht für Cross Laminated Timber), die umgekehrt zu einander angeordnet werden (insofern ist es keine "doppelt gekrümmte Schale", sondern nur eine einfach gekrümmte, die beiden Krümmungen entstehen durch das Aneinandersetzen der Schalen). Dank seiner gefalteten Form kann er eine Spannweite von 13,50 Metern überbrücken, das Material ist einheitlich 77 Millimeter dick. Der essentiell neue Aspekt der Konstruktion besteht aber nicht in der Form der Schale, sondern in den neuartigen Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen.

Im Gegensatz zu Origami-Formen aus gefaltetem Papier können Holzpaneele nicht einfach gefaltet werden. Die Leistungsfähigkeit solcher Holzkonstruktionen hängt vielmehr von den Kantenverbindungen zwischen den einzelnen Platten ab, wodurch diesen Verbindungen eine Schlüsselfunktion beim Entwurf zukommt.

vorne im Bild die Schwalbenschwanzverbindung für den Anschluss Dach-Wand, Foto: EPFL

Mit „normaler“ CLT-Technik lassen sich solche nicht-orthogonalen Verbindungen kaum ohne integrierte oder aufgesetzte Metallschienen realisieren, auch eine Verklebung birgt konstruktive und ästhetische Komplikationen. Letztlich griffen die Wissenschaftler auf bewährte handwerkliche Verbindungsmethoden zurück, die sie für ihre Zwecke modifizierten. Dabei erprobten sie in einem ersten Prototyp im Maßstab 1:5 zwei unterschiedliche Verbindungstechniken: Die Schwalbenschwanz- und die Fingertechnik. Letztere war erforderlich, da zur Herstellung der unter Biegung verleimten Platten des Prototyps zwei Formen – konvex und konkav gebogen – gebaut werden mussten. Beim Zuschnitt traten Hohlkehlen auf. Dadurch ergaben sich im Bereich der radialen Verbindung Winkel, die kleiner als 160° waren und nicht mit den vorhandenen Werkzeugen für eine Schwalbenschwanzverbindung realisiert werden konnten.

CLT-Pavillon, Foto: EPFL

Für den großen Prototyp im Maßstab 1:1 musste hingegen nur eine (konvex gebogene) Form vorbereitet werden, auf der die Platten aus Fichtenfurnier in der berechneten Stärke von 77 Millimetern laminiert werden konnten.  Zur Verbindung der Dachelemente untereinander wurden hier keine Fingerverbindungen eingesetzt, sondern 30 Millimeter breite Schlitze in die Platten gefräst. Sie wurden mit Holzelementen aus LVL (Laminated Veneer Lumber) gefüllt und verleimt. Bei der Verbindung von Dach- zu Wandelementen wurde erneut die Schwalbenschwanztechnik angewandt. Die Verbindungsgeometrie ist durch die sich überschneidenden gekrümmten Oberflächen festgelegt und wurde mit Hilfe eines numerischen Werkzeugs ermittelt, das an der IBOIS-EPFL entwickelt wurde. Die Präzision, Stärke und Effizienz der Verbindungen ist entscheidend für die Leistung und das Erscheinungsbild der Konstruktion. Sie wurden mit Hilfe von sieben CNC-Schneide-Robotern hergestellt.

In aufgefaltetem Zustand erlaubt die unten dargestellte Geometrie der Schale eine effiziente Herstellung ohne Verschnitt. Je nach der Produktionslinie des Paneel-Herstellers können alle Teile aus einer einzigen, 17 Meter langen und gekrümmten CLT-Platte geschnitten werden.
Die gefaltete Geometrie wird durch einen Kreisbogen (Ci) und seine Spiegelflächen (Pi) gebildet. Diese Spiegelflächen befinden sich am Knoten Xi einer Polylinie, die auf einer vertikale Fläche normal zur Sehne von Ci liegen. Jede Spiegelfläche Pi ist normal zur Halbierenden der beiden Nachbarsegmente der Polylinie. Die Forscher nutzten diese Polylinie als variables Kontrollpolygon in einem parametrischen Modell.

Geometrie der Schale, Zeichnung: EPFL

Herstellung der Verbindungen, Zeichnung: EPFL

Geometrie der Schwalbenschwanz-Verbindung, Zeichnung: EPFL

Art der Formverleimung beim Modell im Maßstab 1:5, Zeichnung: EPFL

FE-Analyse: Die Von-Mises-Belastungsverteilung unter Eigenlast

Auf die Seite gelegter CLT-Pavillon mit sichtbaren Schlitzen an den Dachkanten für die LVL-Verbindungselemente, Foto: EPFL

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