10.04.2014 Bettina Sigmund

Das intelligente Bauteil: Stoffidentifikation mit RFID

Gebäudelebenszyklus, Energieeffizienz oder Green Building sind in aller Munde. Der Bereich des nachhaltigen Planen und Bauens boomt. Doch wie lässt sich die grüne Planung im Baufortschritt, bei einer späteren Sanierung oder gar dem Abbruch des Gebäudes weiterverfolgen? Woraus besteht ein verdecktes Bauteil und in welche Materialien lässt es sich sortenrein recyceln? Wie lässt sich der als Sondermüll zu deklarierende Bauschutt verringern? Zahlreiche Planungs- und Baubeteiligte sowie künftige Nutzer sind in den Realisierungs- und Nutzungsprozess einbezogen. Eine planer- und gewerkeübergreifende Informationsbündelung zum jeweiligen Bauteil ist jedoch in der Praxis kaum vorhanden und die Dokumentation zur Fertigstellung des Gebäudes reicht in den meisten Fällen nicht aus. Im Rahmen dieser Problemstellung arbeitet Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle mit seinem Team der Technischen Universität Dresden an verschiedenen Forschungsprojekten zur Entwicklung eines intelligenten Bauteils mit RFID-Technik.

Alle Fotos und Grafiken: Institut für Baubetriebswesen, TU Dresden

Die Radiofrequenz-Identifikation, kurz RFID, ermöglicht es, Objekte und Bauteile sichtkontaktfrei zu erfassen. Dafür werden Transponder mit Datenchips in die jeweiligen Bauteile integriert, die die entsprechenden Objektangaben speichern. Mit Lesegeräten lassen sich die zuvor gespeicherten Informationen berührungslos über eine sogenannte Luftschnittstelle auslesen. Der Einbau kann durch Einbetonieren oder -mauern erfolgen, aber auch die Integration unter Beschichtungen ist möglich. Als minimale Anzahl beziffert Prof. Jehle sechs Transponder pro Raum, so dass alle vier Wände, Decke und Boden gekennzeichnet sind. Weitere Geräte in Fassaden-, Fenster- oder Türelementen stellen eine sinnvolle Ergänzung dar.
Der besondere Nutzen der RFID-Technologie liegt zum einen darin begründet, dass im Baufortschritt nicht mehr sichtbare Informationen wie beispielweise die Lage von Spanngliedern einer Decke nicht verloren gehen. Zum anderen stellt die RFID-Technik eine prozessbegleitende und interdisziplinär nutzbare Technologie entlang des gesamten Nutzungszyklus eines Gebäudes dar. Ausgehend von Architekten und Fachplanern in der Planungsphase, über die einzelnen Gewerke bis hin zum Facility Management des späteren Nutzers lassen sich die relevanten Bauteildaten kontinuierlich fortschreiben. Schon in der Planung können die Daten in einem digitalen Gebäudemodell gesammelt sowie bei Ausschreibung und Vergabe weitergeführt werden. Während in der Objektüberwachung diese Daten ihre Anwendung finden und auch das gesamte Mängelmanagement vollständig integriert werden kann, profitiert der Bauausführende insbesondere in den Bereichen Produktion und Logistik von dem neuen System. Fertigung und Lieferung können prozessgenau und fristgerecht gesteuert werden. Selbst der Eingang der Bauteile auf der Baustelle lässt sich über die RFID-Technologie erfassen. Für den späteren Eigentümer bzw. Nutzer sind die RFID-Daten nicht nur für den laufenden Betrieb interessant, sondern liefern wichtige Informationen bei Um- oder Abbruch. So lassen sich die Bauteile auf ihre Materialien und zum Zeitpunkt des Einbaus noch unbekannte Schadstoffe prüfen. Bei einem kompletten Rückbau des Gebäudes liefert das RFID-System zudem wichtige Daten zum sortenreinen Recycling.

Die derzeitige Herausforderung des Systems liegt in der Vielzahl von Anwendern und ihren unterschiedlichen Datensystemen begründet. Für eine durchgängige, digitale Datenspeicherung über alle Lebenszyklen hinweg, ist es notwendig, ein Gesamtkonzept mit einheitlichen Standards zu entwickeln. Das bedeutet, es fehlen bisher Datenschnittstellen zwischen CAD, AVA, Logistik- und Fertigungsplanung sowie dem Facility Management. Aktuelle Forschungsvorhaben verschiedener Universitäten arbeiten derzeit an der Lösung, die die Verzahnung und Anbindung der bereits vorhandenen Prozessdaten an die in der Praxis verwendeten IT-Infrastrukturen ermöglicht. Neben der rein technischen Umsetzung bestimmen insbesondere die damit verbundenen Kosten, ob sich die RFID-Technologie durchsetzen kann. Prof. Jehle entkräftet das Kostenargument mit einer einfachen Rechnung. So seien beim Bau des Finanzministeriums in Potsdam 2.500 Transponder mit einem Materialwert von unter 10 Euro pro Stück verbaut worden, der zusätzliche Lohnstundenanteil betrug dabei nur 85 Stunden. Überschlägig ermittelt er den zusätzlichen Bedarf für eine Standard-Büro-oder Wohneinheit mit rund 500 bis 600 Euro. Der Nutzen während des Bauprozesses sowie des weiteren Lebenszyklus und die damit verbundene Kostenersparnis durch die RFID-Technologie liegen jedoch weit höher.

Zur Person Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle ist Leiter des Lehrstuhls für Bauverfahrenstechnik der Technischen Universität Dresden. Jehle studierte Bauingenieurwesen an der Universität Stuttgart mit Vertiefung im Konstruktiven Ingenieurbau. Als leitender Angestellter war er im Bereich der Anlagendemontage überwiegend in der chemischen Industrie tätig. 1989 promovierte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Kuhne in Essen. Seit 1990 ist Jehle selbständig, zuerst als Minderheitsgesellschafter einer mittelständischen Unternehmung mit Schwerpunkt Tiefbau, Altlastensanierung und Flächenrecycling, Industrie- und Kraftwerksabbruch und ab 1995 in der Ingenieurplanung mit dem eigenen Ingenieurbüro für Projektplanung und -steuerung. Er hat zahlreiche Publikationen zu u.a. Baubetriebslehre, Intelligenten Bauteilen und dem Einsatz von RFID-Technologie am Bau veröffentlicht. Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle, Technische Universität Dresden, im Rahmen der fünfteiligen Veranstaltungsreihe „Die Zukunft des Bauens“, veranstaltet von DETAIL research und der Forschungsinitiative Zukunft Bau des BMUB und BBSR am 20. Februar 2014 in Berlin zum Thema "Höhere Effizienz und Recyclingfähigkeit dank neuer Materialkombinationen".

Filmrechte: Ed. Züblin AG, Stuttgart
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