02.02.2015 Bettina Sigmund

DETAIL research Forum: Globale, regionale und soziale Strategien

„Für die Zukunft ist immer jemand anderes verantwortlich! So funktioniert es aber nicht!“ bringt Alexander Rieck bereits bei einem der ersten Vorträge des DETAIL research Forums "Building the Future" die Grundstimmung der gesamten Veranstaltung auf den Punkt. Jeden Nachmittag setzten sich die Teilnehmer im voll besetzten Forum während der Weltleitmesse BAU 2015 mit Thesen für das Bauen der Zukunft auseinander – dabei bewegten sich die Themenfelder inhaltlich und planerisch in unterschiedlichen Maßstäben von der utopischen Idee und konzeptionellen Stadtentwicklung bis zur konkreten baulichen Umsetzung, im Spannungsfeld der globalen Verstädterung und einer wachsenden Bedeutung der Peripherie, von Hightech-Strategien durch digitale Planungs- und Fertigungsansätze bis zu praktischen Lowtech-Lösungen partizipativer Architekturentwicklung. 

Das Forum war durch eine große Perspektivenvielfalt geprägt. Wer sich mit dem Bauen der Zukunft beschäftigt, muss Thesen aufstellen und Fragen aufwerfen. Nicht auf alle konnten Antworten gegeben werden, jedoch zeigten die Vorträge eingängig wie aktuelle Forschungsprojekte, neue technische Ansätze und Produktentwicklungen als Best Practice-Vorbilder den Weg für zukünftige Entwicklungen ebnen.

Den Auftakt machte das Thema „Nachhaltige Stadt“. Prof. Dr. Gerald Wood definierte dabei nicht nur den Begriff der Nachhaltigkeit selbst als Utopie, sondern zeigte welches Potenzial gesellschaftliche Stadtutopien als Lösungen für zukünftige Städte in sich tragen. Er und Dr. Alexander Rieck, der einen Einblick in die Zukunftsprognose der Morgenstadt des Fraunhofer IAO gab, waren sich einig, dass nur ein aktives Gestalten der Zukunft Ergebnisse liefern kann. Zukunftsangst und das Verstecken des einzelnen in der Masse verhindere progressive Lösungen. Eine sich durch viele Forenbeiträge ziehende Fragestellung war die Positionierung und der Status Quo der Architektur, des Städtebaus und der Baubranche in Deutschland. Eine besondere Relevanz wurde dabei am Thementag „Globalisierung versus Regionalismus“ dem Spannungsfeld von Urbanisierung und einer verstärkten Bedeutung der ländlichen Regionen beigemessen. Auch die beiden Redner aus der Politik – Dr. Robert Kaltenbrunner, BBSR, sprach zum Thema „Zukunft im Bestand“, Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, BMUB, sprach am Thementag „Strategien zum Klimawandel“ über die Initiative Effizienzhaus Plus – zeigten, wie in Deutschland durch innovative Ansätze das zukunftsorientierte Bauen vorangetrieben wird. Eine intensive Diskussion zur Positionierung der deutschen Bauwirtschaft entfachte am Thementag "Architekturproduktion". Der Vortrag von Arnold Walz zeigte, dass die deutsche Baubranche in der digitalisierten Planung und Fertigung bei weitem nicht die Vorreiterrolle einnimmt, in der sie sich gerne sehen würde. Hier liegen noch große Optimierungspotenziale. Der Thementag „Netzwerk Bauen“ befasste sich abschließend mit der Demokratisierung von Planungs- und Baukultur, mit der Partizipation am Entwurf und der Planung bis hin zu Selbstbauarchitektur. Anh-Linh Ngo fasste in seinem Vortrag über eine "Soziale Architektur" die Quintessenz aller Forumsvorträge treffend zusammen: "Der Architekt und die Architektin von heute muss lernen, zugleich global tätig, lokal integriert und sozial engagiert zu sein." Eine detaillierte Beschreibung der Tagesveranstaltungen finden Sie unten. 

Die Moderation der Veranstaltung führte Paul Wolff, Redakteur und Kommunikationsberater. Das Forum wurde finanziell und inhaltlich unterstützt von der Weltleitmesse BAU 2015 sowie den Unternehmen BASF, Merck und Velux und den inhaltlichen Partnern Arch+ und Stylepark. Partner von DETAIL research ist die Forschungsinitiative Zunkunft Bau des BMUB.

Strategische Partner

Forschungspartner

Inhaltliche Partner

Tagesthemen: 
BAU 2015 / 19. bis 24. Januar / DETAIL FORUM – Building the Future

Montag, den 19. Januar 2015 
Nachhaltige Stadt / Urban Sustainability

Den Auftakt zum Thema „Nachhaltige Stadt“ machte Prof. Dr. Gerald Wood, der sich mit der Bedeutung von Utopien für eine nachhaltige Stadtentwicklung auseinandersetzte. Dabei definiert er nicht nur den Begriff der Nachhaltigkeit selbst als Utopie, sondern zeigte Möglichkeiten, wie gesellschaftliche Stadtutopien der Vergangenheit nach ihrem Potenzial für Lösungen von zukünftigen Problemen herangezogen werden können. Dr. Alexander Rieck befasste sich im Anschluss mit der steigenden Bedeutung und der Wahrnehmung der Co-Evolution bzw. der Gleichzeitigkeit verschiedener Stadtsysteme. Architektur und Städtebau sind sich sehr langsam verändernde Gefüge, während der technische Fortschritt von Mobilität oder Kommunikationsmittel sehr viel kürzere Innovationszyklen zugrunde liegt. Die Architekten Justus Pysall und Jana Reichenbach-Behnisch zeigten anhand von Best Practice-Projekten wie urbane Nachhaltigkeit durch Eingriffe in den Bestand mit Verdichtungs- und Umnutzungsstrategien erzielt werden kann. Selva Gürdogan und Greger Tang Thomsen, Superpool, definierten eindrucksvoll anhand von Architektur- und Infrastrukturprojekten in Istanbul das Spannungsfeld von städtischer Planung und Selbstorganisation.

Paul Wolff, Justus Pysall, Jana Reichenbach-Behnisch, Prof. Dr. Gerald Wood, Gregers Tang Thomsen und Selva Gürdogan (v. links)

Dienstag, den 20. Januar 2015 
Globalisierung versus Regionalismus / Beyond Globalisation Der Urbanisierung stehen eine verstärkte Bedeutung der ländlichen Regionen sowie ein wachsender Regionalismus gegenüber. Diesem Spannungsfeld widmeten sich die Vorträge zum Thema „ Globalisierung versus Regionalismus“Der Stadtsoziologe Prof. Dr. Frank Eckardt und der Städteplaner Dr. Manfred Kühn gaben jeweils eine theoretische Einführung zur sich wandelnden Interdependenz von Stadt und Land aus ihren unterschiedlichen Perspektiven. Dabei definierten sie die steigende Bedeutung von Peripherie und Suburbanisierung sowie der zunehmenden demografischen Polarisierung zwischen wachsenden und schrumpfenden Regionen. Kerstin Faber und Thomas Bade betrachten in Ihren Vorträgen das Themenspektrum sehr viel konkreter und zeigen anhand von Beispielen wie Designstrategien als Werkzeuge zur nachhaltigen Aufwertung von ländlichen Gemeinden strategisch eingesetzt werden können.

Dr. Manfred Kühn, Prof. Dr. Frank Eckardt, Thomas Bade, Kerstin Faber und Moderator Paul Wolff (v. links)

Mittwoch, den 21. Januar 2015 
Zukunft im Bestand / Lasting Building Quality Der Einleitung in das Tagesthema „Zukunft im Bestand“ nahm sich Dr. Robert Kaltenbrunner vom BBSR, als Vertreter der Politik, zunächst der Bedeutung des Bauens im Bestand aus gesellschaftskritischer und wirtschaftlicher Perspektive an. Prof. Arno Brandlhuber betrachtete im Anschluss den Bestand als Ressource und zeigte Beispiele für den methodischen und planerischen Umgang mit diesem Rohstoff. Brandlhuber verdeutlicht, welches manchmal ungeahnte Potenzial in alten Gebäuden stecken kann. Ralf Werry und Dr. Marc Fricke gingen im Anschluss auf die konkrete bauliche Umsetzung von Sanierungsprojekten der BASF ein und zeigten auf, in welchem Maße die Lebensqualität der Bewohner und Nutzer durch eine energetische Sanierung gesteigert wird. Prof. Joost Hartwig und Ruben Lang gingen noch einen Schritt weiter und präsentierten anhand von Best Practice Objekte, wie ein Altbau zu einem Energieplus-Gebäude zukunftsorientiert umgerüstet werden wie beispielsweise auch das Modelhome von Velux.

Dr. Robert Kaltenbrunner, Ralf Werry, Dr. Marc Fricke, Prof. Dipl.-Ing. Joost Hartwig, Ruben Lang und Paul Wolff (v. links)

Donnerstag, den 22. Januar 2015
Strategien zum Klimawandel / Climatic Strategies Das Thema des Plusenergiegebäudes aufgreifend, knüpfte auch der Einführungsvortrag von Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, BMUB, am Thementag „Strategien zum Klimawandel“ an. Hegner zeigte auf, wie durch die Initiative Effizienzhaus Plus innovative Ansätze des nachhaltigen Bauens von Seiten der Politik vorangetrieben werden. Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker fordert im Anschluss nach energieeinsparenden Ansätzen, die über die Bauwerksgrenzen hinausreichen. Sie sieht dabei die Lösung nicht in der Sanierung des Einzelgebäudes, sondern zeigt neue Ansätze für die energetische und klimaschutztechnische Stadtsanierung auf. Unter dem Kredo „Design with Knowledge“ gab Signe Kongebro Einblick in die Nachhaltigkeits- und Klimastrategie von Henning Larsen Architects. Einfache architektonisch und städtebauliche Grundregeln können einen großen Einfluss auf die späteres Energiebilant von Gebäuden haben, deshalb wird der Aspekt der Nachhaltigkeit bei dem dänischen Büro von Anfang an in die Planung integriert. Darüber, dass sich Architekten auch in die Produktentwicklung einbringen können und so dazu beitragen, effiziente Lösungen voranzutreiben, berichtete Eric Höweler, der im Auftrag von Merck mit der Entwicklung von Pilotanwendungen der neuen Liquid-Crystal-Window-Technologie arbeitet.

Hans-Dieter Hegner, Signe Kongebro, Eric Höweler, Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker, Paul Wolff (v. links)

Freitag, den 23. Januar 2015 
Architekturproduktion / Digital Architecture Production Die derzeitige Baupraxis entwickelt Gebäude- und Bauteilformen bevorzugt unter Gesichtspunkten der Serienfertigung, Materialeffizienz und die Integration von verschiedensten Funktionen erfordern die digitale Gestaltung und Fertigung von Bauteilen und Architekturen, erläuert Moritz Dörstelmann das Thema „Architekturproduktion“. Eine intensive Diskussion zur Positionierung der deutschen Bauwirtschaft entfachte nach dem Vortrag von Arnold Walz, der zeigte, dass die deutsche Baubranche in der digitalisierten Planung und Fertigung bei weitem nicht die Vorreiterrolle einnimmt, in der sie sich gerne sehen würde. Hier liegen noch große Optimierungspotenziale. Mark Hoppermann zeigte anhand von Entwürfen des Büros UNStudio, welchen Einfluss der digitale Entwurf auf die Gestaltung von Architektur hat. Prof. Dr.-Ing. André Borrmann schließt den Thementag thematisch mit der Digitalen Baustelle und erläutert die Vorteile einer durchgängigen digitalen Wertschöpfungskette durch BIM.

Moritz Dörstelmann, Arnold Walz, Marc Hoppermann, Prof. Dr.-Ing. André Borrmann und der Moderator Paul Wolff (v. links)

Samstag, den 24. Januar 2015 
Netzwerk Bauen / Open Source Architecture Während sich der Thementag „Architekturproduktion“ mit neuesten Technologien und Hightech-Strategien befasst hat, konzentriert sich der abschließende Tag des Forums mit der Vereinfachung von Architektur, mit Lowtech-Strategien und der sozialen Verantwortung von Architektur und Architekten. Anh-Linh Ngo fasste in seinem Vortrag über eine Soziale Architektur die Schwierigkeit der Diversität der Herausforderungen treffend zusammen: „Der Architekt und die Architektin von heute muss lernen, zugleich global tätig, lokal integriert und sozial engagiert zu sein“. Der Thementag „Netzwerk Bauen“ befasste sich mit der Demokratisierung von Planungs- und Baukultur, mit der Partizipation am Entwurf und der Planung bis hin zu Selbstbauarchitektur. Prof. Dr.-Ing. Susanne Hofmann versucht ich in den Vortag „Partizipative Architektur“ eine Antwort auf die Frage zu geben, ob und in welchem Maße Architekten bereits sind, sich einem Mitwirkungsprozess der Öffentlichkeit oder der Nutzer zu öffnen. Prof. Anne-Julchen Bernhardt geht in ihrem Ansatz der Partizipation noch einen Schritt weiter und zeigt Beispiele von Selbstbauarchitekturen.

Anh-Linh Ngo, Prof. Anne-Julchen Bernhard, Paul Wolff und Prof. Dr.-Ing. Susanne Hofmann (v. links)

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