06.10.2014 Bettina Sigmund

Future Construction: Digitalisierung von Planungs- und Bauprozessen

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO erforscht im Verbundforschungsprojekt „Future Construction 4.0“(FUCON 4.0) die Zukunft der Baubranche. Vor dem Hintergrund des Zukunftsprojekts „Industrie 4.0“ der Hightech-Strategie der Bundesregierung besteht für die Baubranche die Herausforderung, den Sprung hin zu effizienten, wirtschaftlichen, konsistenten und nachhaltigen Planungs- und Fertigungsprozessen zu bewältigen. Dies beginnt bei der digitalen Produktentstehung einzelner Komponenten und parametrischer Bauteile bis zur Automatisierung von Ausführungsprozessen auf der Baustelle. Im Zuge dessen fanden sich Experten aus der Bauindustrie zu einem interdisziplinären Expertengespräch im Fraunhofer IAO in Stuttgart ein. Im Workshop wurden insbesondere die Themen der Wirtschaftlichkeit in der Baubranche, der Digitalisierung in Planung und Ausführung, der Notwendigkeit von parametrisierten Planungsmodellen und BIM-Datensätzen sowie den Herausforderungen an die Bestandssanierung und intelligente, sensorgestützte Bauteile diskutiert.

Die parametrisch geplante und digital gefertigte Großskulptur „Tiger & Turtle – Magic Mountain“ im Angerpark Duisburg von Heike Mutter und Ulrich Genth, Foto: Werner Hannappel

Vereinfachung von Geometrien durch parametrische Planung
Wichtige Aspekt sind die Reduktion der Varianz von Bauteilen und die Vereinfachung von Geometrien und Details, ohne die Gesamtform heutiger Tragstrukturen oder Gebäudehüllen zu beeinträchtigen. Ein herausragendes Beispiel für parametrisch geplante und dadurch fertigungstechnisch optimierte Planung ist die Landmarke "Tiger & Turtle" von Heike Mutter & Ulrich Genth im Angerpark Duisburg. Hier konnten durch gescriptete Geometriemodelle konventionelle Ausführungen als Sonderbauteile weit unterboten werden und damit das Projekt deutlich wirtschaftlicher gestalten.

Das parametrische 3D-Gesamtmodell der Landmarke „Tiger & Turtle – Magic Mountain“; Rendering: Arnold Walz, designtoproduction, Stuttgart

Das Modell zu „Tiger & Turtle – Magic Mountain“ von Heike Mutter und Ulrich Genth, Foto: Jürgen Müller/Stadt Duisburg

Digitalisierung auf der Baustelle
Bei der fortschreitenden Digitalisierung im Bauwesen waren sich die Teilnehmer einig, findet auch ein Wechsel vom klassischen papiergebundenen zum digitalen Planungssatz als Abgabeleistung statt. Allerdings hat sich dies im deutschsprachigen Raum bisher kaum etabliert. Die Grenzen der Digitalisierung werden damit vermehrt in Richtung der Baustelle und der Montage verschoben. Dies erleichtert in Zukunft durch neue Technologien sowohl dem geschulten Monteur als auch ungelernten Arbeitern den Einbau individueller und passgenauer Bauteile. Es wird erwartet, dass dazu neuartige Montagehilfen durch mobile Tablets oder Smartphones bald zur Verfügung stehen werden. Aktuell werden von der Industrie weiterführende Anwendungen mit Augmented Reality-fähigen Brillen erforscht, die in den nächsten Jahren Marktreife erreichen.

Die Teilnehmer des Experten-Workshops beim Test der Augmented-Reality-Brillen während der Besichtung des "Immersive Engineering Labs" am Fraunhofer IAO; Foto: Fraunhofer IAO, Steffen Braun

Bautoleranzen durch Parametrik lösen
Eine Herausforderung für die Digitalisierung der Wertschöpfungskette sind globale unterschiedliche Auffassungen von Bautoleranzen von der Planung über die Fertigung bis zur Montage. Während in Deutschland und Europa die Bautoleranzen im Rohbau mit bis zu ± 10 mm festgelegt sind, können diese in Schwellenländern ein vielfaches davon betragen. Mit parametrisierten Modellen lässt sich flexibler auf mögliche Abweichungen zwischen dem ideal geplanten und dem tatsächlich gebauten Stand eingehen. Durch entsprechende Instrumente zum real-digitalen Abgleich von Baustellensituationen kann die Planung noch optimiert werden.
Parametrische Planung für Bestandssanierung
Als eines der größten Potenziale digitaler und parametrischer Planungs- und Fertigungsprozesse wurde die Bestandssanierung genannt. Hier sollen die Mittel der Parametrik als echte wirtschaftliche Chance genutzt werden. Die Entwicklung von intelligente Bauteilen und Systemen zur minimal-invasiven Anwendung für die Bestandssanierung, energetische Optimierung, für Dachausbau, Aufstockung und Umbau wurde von den Experten als relevant erachtet.
Im weiteren Verlauf des Verbundforschungsprojekts werden gezielt Machbarkeitsstudien und Prozessanalysen durchgeführt, um die Nutzenpotenziale und Vorteile einer zunehmenden Digitalisierung von Planungs- und Bauprozessen für nachhaltiges und zukunftsfähiges Bauen der Zukunft aufzuzeigen. Die Experten sind sich einig, dass die Baubranche nach dem ersten Hype der vergangenen Jahre hier endlich einen entscheidenden Schritt vorankommen kann, um Planungs- und Bauprozesse radikal zu verändern und neu zu denken.
Bei der Expertenrunde waren Vertreter von Wirtschaft und Forschung von Fraunhofer IAO, designtoproduction, SCHÜCO, Raumprobe, Priedemann Fassadenberatung, Bollinger-Grohmann, Studio LTA, Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT sowie Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen ITKE der Universität Stuttgart, Robert Bosch GmbH, Sto AG, Re’flekt und DETAILresearch anwesend. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier 
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