25.10.2013

Gebaute Lernlandschaft: Saunalahti-Schule in Espoo

Wer gute Bildung will, braucht gute Bildungsbauten – so lautet der gesellschaftliche Konsens in Finnland. Eines der jüngsten Beispiele ist die neue Saunalahti-Schule von Verstas Architects in Espoo. Architekten: Verstas Architects
Standort: Brinkinmäentie 1, Espoo, Finnland

Foto: Tuomas Uusheimo

Falls je eine Europameisterschaft der Landschaftszersiedelung ausgelobt würde - die Finnen wären heiße Anwärter auf den Titel. Die gesellschaftliche Präferenz wenig dichter Streusiedlungen und die Landflucht aus dem Norden Finnlands in den (etwas) städtischeren Süden haben Helsinki mit seinen beiden Nachbarstädten Espoo und Vantaa in den vergangenen Jahren immer weiter wachsen lassen. Eines der jüngeren Neubaugebiete ist Saunalahti im Westen von Espoo, rund 12 Kilometer vom Stadtzentrum Helsinkis entfernt. Rund 5000 Menschen leben heute in dem Stadtteil.

Lageplan, Grafik: Verstas Architects

Foto: Andreas Meichsner

Die Schule als Gemeindezentrum
Die neue Schule im Quartierszentrum bietet auf 10 000 Quadratmetern Geschossfläche Platz für 750 Kinder vom Krippenalter bis zum neunten Schuljahr. Außerdem arbeiten rund 100 Erwachsene im Haus. Große Schulen zu bauen, hat in Finnland eine gewisse Tradition: Oft genug sind diese die zentrale Anlaufstelle für Gemeindeaktivitäten in den weit zerstreuten Siedlungen. Auch die Saunalahti-Schule ist von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends geöffnet. Neben dem Schulbetrieb haben im Gebäude ein Jugendklub und eine Zweigstelle der Stadtbibliothek ihren Platz; die Sporthallen und Werkstätten werden abends auch von örtlichen Sportvereinen und Erwachsenengruppen genutzt.

2007 fand – auch dies durchaus typisch für Finnland – ein offener Architektenwettbewerb für den Schulneubau statt, den Verstas gewann. Für das junge, 2004 gegründete Architekturbüro war dies der zweite Schulbau. Über insgesamt fünf Jahre zogen sich Planung und Bau hin, bevor im Sommer 2012 Einweihung gefeiert wurde.

Die Aula im Mittelpunkt
Der zentrale Dreh- und Angelpunkt der Schule ist die zweistöckige Aula. Sie wird als Kantine ebenso genutzt wie als Veranstaltungssaal; entsprechend grenzen im Norden die Küche und im Westen eine große Bühne an diesen Raum an. Außerdem befindet sich hier die Haupttreppe, die die drei Ebenen des Schulbaus miteinander verbindet. Im Süden öffnet sich eine große Glasfront in den Schulhof und zu dem zentralen Quartiersplatz, der südlich der Schule künftig noch entstehen soll.

Wie Finger strecken sich die Gebäudeflügel der Schule von der Aula nach Süden, Osten und Norden aus. Ihnen zugeordnet sind jeweils unterschiedliche Funktionen und Freibereiche: Im Norden die Sporthalle mit den Sportplätzen, im Osten der Kindergarten und die Vorschule und im Westen und Süden die Fachklassenzimmer und Werkräume der älteren Schüler. Die beiden Sondernutzungen sind dezentral untergebracht: direkt neben dem Eingang im Westen die Bibliothek; ganz am Ende des Südflügels der Jugendklub.

Grundriss, Grafik: Verstas Architects

Schulalltag mit Praxisbezug
„Learning by doing“ – so ließe sich das pädagogische Konzept der Saunalahti-Schule umschreiben. Fächerübergreifender Projektunterricht ist ein fester Bestandteil des Curriculums; Kunst- und Werkunterricht spielen eine bedeutende Rolle. Entsprechend wichtig sind räumliche Flexibilität, aber auch die Ausstattung der Schule mit vielfältigen Fachräumen. Im Haus gibt es Metall- und Holzwerkstätten, eine Nähwerkstatt, Kunst- und Musikzimmer sowie eine Lehrküche. Die älteren Schüler haben keine Stammklassenzimmer mehr, sondern wandern ihrem Stundenplan folgend von Raum zu Raum. Doch damit nicht genug: „Jeder Innen- und Außenraum ist ein potenzieller Ort des Lernens“, umschreiben die Architekten ihr Konzept.

Foto: Andreas Meichsner

Die Grundrisse halten einige weitere Besonderheiten bereit, die im mitteleuropäischen Schulbau zumindest nicht alltäglich sind. Im östlichen Gebäudeflügel sind je fünf bis sechs Gruppen- und Klassenzimmer um einen Gemeinschaftsraum gruppiert. Daran grenzt ein eigener Pausenhof für die jüngeren Kinder an, dessen Ostausrichtung ein Maximum an Morgensonne in den – entsprechend kürzeren – Schulalltag dieser Kinder bringen soll. Ein weiteres, nicht unwesentliches Detail für mehr Privatsphäre: Im ganzen Haus gibt es ausschließlich Einzeltoiletten mit separaten Waschbecken, die entlang der Schulflure verteilt sind.

Foto: Tuomas Uusheimo

Schulbau mit drei Gesichtern
Der weitaus größte Schulhof öffnet sich von der Aula aus nach Südosten. Die Architekten vergleichen die terrassierte Anlage mit einem griechischen, in einen Hang hineingebauten Theater. Weil Saunalahti aber in Skandinavien liegt, waren Wind- und Wetterschutz sowie gute Besonnung für diesen Freiraum essenziell. Die Höhe des Südflügels ist daher auf ein Minimum reduziert, um auch am Nachmittag noch Sonne in den Schulhof zu lassen. Die nördlichen Gebäudeteile dagegen sind höher und schützen den Hof vor kalten Nord- und Westwinden.

Foto: Andreas Meichsner

Nach außen hin präsentiert sich die Schule mit drei völlig unterschiedlichen Gesichtern: Zum südlichen Schulhof öffnet sie sich mit einer großen Glasfront; zum Hof der jüngeren Schüler im Osten hingegen mit einer bewegten, holzverschalten Lochfassade. Über beiden Hoffassaden kragt das Dach weit aus. Die Nord- und Westseite des Gebäudes sind hingegen größtenteils geschlossen und aus Ziegeln gemauert. Außer mit Fenstern gliederten die Architekten die großen Wandflächen mit unterschiedlichen Ziegelverbänden, die sich als horizontale Bänder übereinander lagern.

Fotos: Andreas Meichsner

Sichtbeton mit „Ziegelqualität“
Im Gebäudeinneren sind Sichtbeton, Eichenholz und graue Holzwolle-Leichtbauplatten die prägnantesten Materialien. Die Betonoberflächen erhielten eine Bretterschalung, deren unregelmäßige Struktur das Gleiche bewirkt wie die Wechsel im Mauerwerksverband außen: Sie gibt auch den größten Wandflächen einen Bezug zum menschlichen Maßstab.

Fotos: Andreas Meichsner

Ein deutliches Kontrastprogramm zu den Naturfarben bilden die Signalfarben, die die Architekten gleichsam als Leitsystem in den Treppenhäusern und entlang einiger Innenwände aufbringen ließen: Gelb im Südflügel, Blau in den Klassenzimmern im Obergeschoss, Grün und Orange in Kindergarten und Vorschule. Diese Farben kehren in den entsprechenden Bereichen auch an Vorhängen und Möblierung wieder.

Jakob Schoof



Weitere Informationen

Innenarchitektur: Karola Sahi in Zusammenarbeit mit Verstas Arkkitehdit
Landschaftsarchitektur: LOCI maisema-arkkitehdit in Zusammenarbeit mit Verstas Arkkitehdit
BRG: 10500 m² / BRI: 54900 m³
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