25.09.2013 Cordula Vielhauer

Leicht und lernfähig: Schweizer Forschungslabor für künftiges Leben und Arbeiten

Alle Bilder: Empa und Gramazio & Kohler Architekten, Zürich

NEST mit HiLo-Penthouse auf der obersten Ebene und unterschiedlichen Testmodulen

Es ist federleicht, besteht aus lauter gleichartigen, natürlichen Elementen und hält erstaunlich warm: Das Vogelnest ist ein Prototyp nachhaltigen Bauens. So scheint es folgerichtig,  dass die modulare Forschungs- und Demonstrationsplattform des ETH Bereichs zur Erforschung innovativer Bautechniken und -materialien NEST heißt. NEST ist eine modular aufgebaute Forschungsstation im Zentrum des Empa-Eawag-Campus' in Dübendorf in der Schweiz, und in diesem „Labor zum Wohnen und Arbeiten der Zukunft“ wird „am lebenden Objekt“ geforscht. Die Architektur des Gebäudes besteht aus einer reduzierten Stahlbetonkonstruktion, bei der weit auskragende Deckenplatten als Präsentationsebenen der einzelnen zu erforschenden Konstruktionen und Komponenten beziehungsweise Wohn- und Bürotypen dienen. Der Entwurf stammt von Gramazio & Kohler Architekten (Zürich) und kann als Weiterentwicklung von Konzepten wie Frei Ottos Ökohäusern in Berlin-Tiergarten aus den achtziger Jahren oder auch des niederländischen Pavillons von MVRDV für die Expo 2000 in Hannover eingeordnet werden.

Nachtperspektive von NEST

Das Gebäude wird von einem zentralen Atrium erschlossen, im Erdgeschoss befinden sich gemeinschaftlich genutzte Räume wie Foyer und Lounge sowie Ausstellungsbereiche und Seminarzimmer. Großzügig ausgelegte Schächte dienen der Erschließung der einzelnen Einheiten, sie sind bewusst überdimensioniert, um die Möglichkeit technischer Nachrüstung zu gewährleisten. Die Konstruktion ist erdbebensicher aus zwei statisch unabhängigen Teilsystemen konzipiert, die sich im Erdbebenfall gegenseitig aussteifen: So ist die äußere Stahlbetonstruktur, die die auskragenden Deckenplatten trägt, vom innen liegenden Atrium mit den Schächten entkoppelt und durch eine durchgehende Dämmschicht getrennt.

Außenansicht der regalartigen Stahlbetonkonstruktion von NEST

Innenraumperspektive

Ein wichtiges Thema innerhalb des Forschungsprojekts NEST ist die Erforschung von ultraleichten Konstruktionen, für dieses Segment wurde eine Entwurfsstudie mit dem Titel HiLo durchgeführt, die nun abgeschlossen ist. HiLo ist ein zweigeschossiges Penthouse zum Wohnen und Arbeiten, hier werden in fünf elementaren Bereichen des Bauens Innovationen eingeführt: in Boden, Dach, Fassade, Konstruktion und Bausystem. Für den Entwurf des HiLo Moduls arbeiten zwei Forschungsgruppen des Instituts für Technologie in der Architektur der ETH Zürich, die BLOCK Research Group / BRG und die Assistenzprofessur für Architektur & Nachhaltige Gebäudetechnologien (SuAT), mit Supermanoeuvre aus Sydney und Zwarts & Jansma ZJA Architekten aus Amsterdam zusammen. Das Modul soll 2015 fertig gestellt sein.

Außenansicht von NEST mit HiLo-Penthouse auf der obersten Ebene

Innenraumperspektive des Atriums

Der Boden wird durch ein Drahtseilgewölbe zur superleichten Konstruktion: Rund 70 Prozent Gewicht lassen sich gegenüber üblichen Stahlbetonkonstruktionen einsparen. Heiz- und Kühlsysteme können in das modulare, mit Robotertechnik vorfabrizierte System einfach vor Ort eingebaut und montiert werden.

Dank geometrisch optimierter Schalenform kann auch das Dach sehr materialsparend errichtet werden: Nur sieben Zentimeter wird die Konstruktion dünn. Gleichzeitig dient das Dach dem Wärmetransfer mittels eines hydronischen Niedrigtemperatursystems, das sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen eingesetzt werden kann. Als hydronisch bezeichnet man solche Medien, die zur Wärmeübertragung mittels Strömung fähig sind. Doppelt gekrümmte Vakuum-Isolierungselemente sorgen für eine geringe Temperaturdurchlässigkeit bei geringer Dicke. Hocheffiziente Photovoltaikelemente auf einem Filmträger sollen zur Erzeugung solarer Energie auf die Dachhaut aufgebracht werden. Möglich wird die leichte Dachkonstruktion aber auch durch intelligenten Materialeinsatz und eine neuartige Technik: eine Mischung aus Kabelnetz und Faserschalungssystem. Letzteres erlaubt ein hohes Maß an Kontrolle über die Formgebung.

Montage eines Ausbau-/Testmoduls mittels Kran

Die Fassade von HiLo besteht aus sich anpassenden High-Tech-Elementen, die pneumatisch gesteuert werden. Statische und dynamische Elemente sind dabei so vor der Fassade angeordnet, dass sie zum einen solare Gewinne erzielen und zum anderen vor Sonneneinstrahlung schützen. Je nach Bedarf können sie gesteuert beziehungsweise gedreht werden – sowohl automatisch auf Grund von Impulsen eines außen liegenden Sensors, als auch manuell. Über das Nutzerverhalten und die klimatischen Verhältnisse messende beziehungsweise sich daran anpassende Algorithmen „lernt“ das computerbegleitete System kontinuierlich hinzu. Gleiches gilt für die gesamte Haustechnik – von der Klimatisierung bis zur Energieerzeugung. Auch hier findet ein kontinuierliches maschinell gesteuertes Monitoring per Messung, Evaluierung und Anpassung statt. Das Gebäude ist als Nullemissionsprojekt angelegt.

NEST mit HiLo-Penthouse auf der obersten Ebene und unterschiedlichen Testmodulen

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