19.07.2012 Peter Popp

London 2012 - Velodrom

Von Peter Popp und Olga López Sans Das auf dem ehemaligen Eastway Radweg errichtete Velodrom von Hopkins Architects gehört zu den elegantesten neuen Sporthallen für Olympia 2012. Im Unterschied zu verschiedenen anderen Wettkampfstätten ist die "Radarena" mit ihren 6000 Sitzen als dauerhaftes Gebäude konzipiert.
Architekten: Hopkins Architects, London
Tragwerksplaner: Expedition Engineering Ltd., London;
schlaich bergermann partner, Stuttgart (Seilnetz)
Standort: Olympic Park, Stratford, GB–E15 2HJ London

Horizontale Zweiteilung: Die elegant geschwungene Schale scheint über dem Sockel zu »schweben«. Foto: Richard Davies, London

Lageplan: Olympia Stadion (1); Aquatic Centre (2); Handball-Arena (3); Basketball-Arena (4); Olympisches Dorf (5); Velodrom (6); Tennisanlagen (7)

Das olympische Gelände mit dem Velodrom im Vordergrund. Foto: ODA / Anthony Charlton

Grundriss obere Zuschauerränge

oben: Schnitt a-a; unten: Schnitt b-b

Jedes Seil wurde so vorkonfektioniert und mit Markierungen für die Knotenpunkte versehen, dass sich im gespannten Zustand rechtwinklige Dachfelder im Raster von 3,60 Metern ergeben. Klemmen aus Gussstahl verbinden jeweils zwei sich kreuzende Seilpaare und tragen die Auflagerpunkte für die Dachhaut (Foto oben rechts).

Foto: ODA / Anthony Charlton

Foto: Hopkins Architects

Paneele in Holzrahmenbauweise bilden die tragende Schicht des Dachaufbaus. Die im Mittel sechs Zentimeter breiten Fugen zwischen den Elementen nehmen die Bewegungen der prinzipienbedingt weichen Dachkonstruktion auf. Nur eines von vier Paneelen ist über einen Auflagerwinkel und eine Verbindungsplatte starr mit dem Knoten verbunden, eines ist über ein Langloch in einer Richtung verschieblich, zwei über große Bohrungen in beide Richtungen. In Nord-Süd-Richtung erfolgt die Bewegung entlang der Stehlfalze und wird durch die Aufkantung der Oberlichter verdeckt. Dort, wo keine Oberlichter vorhanden sind, wurden im Abstand von ca. sieben Metern Bewegungsfugen vorgesehen. Die Verschiebung in Ost-West-Richtung erfolgt entlang der Stahlseile, ist somit gleichmäßig über das Dach verteilt und wird durch die Befestigungsclips der Stehfalzprofile aufgenommen.

Foto: Hopkins Architects

Foto: Hopkins Architects

Das Seilnetzdach besteht aus paarweise angeordneten verzinkten Stahlseilen mit je 36 mm Durchmesser. Mit hydraulischen Pressen wird das Seilnetz gespannt, bis die Seilenden an die mit dem Druckgurt des Primärtragwerks verbundenen Zugverankerungen angeschlossen werden können (Foto oben rechts).

Foto: Hopkins Architects

Die exakt festgelegten Radien und Neigungswinkel einer Radrennbahn mit ihren flachen Geraden und überhöhten Kurven prädestinieren das Gebäude für eine doppelt gegensinnig gekrümmte Dächfläche. Diese wird von einer Seilnetzkonstruktion gebildet, die ihre Zugkräfte in einen dem Dachrand folgenden Stahlfachwerkträger leitet. Die Seilknoten im Raster von 3,60 Metern dienen als Auflagerpunkte für Holzkassettenelemente mit einem Aluminium-Stehfalzsystemdach. Einer Vergleichsrechnung nach werden durch die Konstruktion aus Zugelementen und Druckring gegenüber einem konventionellen Tragwerk aus Fachwerkträgern ca. 1000 Tonnen Stahl eingespart.
Zur Überbrückung des Abstandes zwischen Oberrang und Dach wurde ein beidseitig PVC-beschichtetes Polyestergewebe mit hoher Festigkeit bei gleichzeitig größtmöglicher Flexibilität eingesetzt. Diese "Screens" verhüllen zum einen die Lüftungstechnik, sorgen gleichzeitig aber auch für die Sturzsicherheit der Zuschauer an der Rückseite der Tribünenbereiche. Sie bilden dabei ein durchgängiges Band in der schüsselförmigen Arena und gleichen die unterschiedlichen Niveauverläufe zwischen den Tribünensitzen und dem Bogenverlauf des Daches aus.

PVC-beschichtetes Polyestergewebe sorgt für die Sturzsicherheit der Zuschauer. Foto: Hopkins Architects

Für die Holzfassade wurden 5.000 m² rotes Zedernholz verbaut. Um Energieverluste zu minimieren, passen sich die insgesamt 192 vorgefertigten Fassadenelemente exakt an die geschwungene Form der schalenartigen Gebäudehülle an. Die Holzpaneele verfügen über Lüftungsklappen und sorgen so für eine weitgehend natürliche Belüftung des Velodroms.

Fotos: Hopkins Architects

Foto unten rechts: ODA / David Poultney

Foto: Richard Davies, London

Das netzartige Compositmaterial spannt sich von der Oberkante der Oberränge bis zum Stahlringanker in einem Neigungswinkel, der auch die Basis für die Dachkonstruktion bildet. Die "Screens" führen die radiale Einteilung der Tribünensektoren gestalterisch fort. Sie sind mit dem Ringanker über ein Klemmprofil verbunden, welches wiederum mittels Spannschrauben für die nötige Verspannung sorgt. In der Vertikale werden die "Screens" über ein komplexes System an Aluminiumprofilen und Edelstahlseilen in Form gehalten, die ebenfalls am Ringanker befestigt sind.

Die "Screens" führen die radiale Einteilung der Tribünensektoren gestalterisch fort.

Schnittmodell: Hopkins Architects

Das Velodrom wurde anders als die meisten olympischen Wettkampfstätten als dauerhaftes Gebäude konzipiert. Während der Planung wurden der Ressourcenverbrauch und die für den Betrieb benötigte Energie mehrfach optimiert. Parallel zu den Dachbahnen gesetzte Oberlichter minimieren den Bedarf an elektrischer Beleuchtung. Das Holz für die Radrennbahn und die elegant geschwungene Außenhülle kommt zu 100 Prozent aus nachhaltigem Anbau. Eine weitgehend natürliche Belüftung und die Nutzung von Regenwasser sind weitere Beispiele für den hohen ökologischen Anspruch.

Über durchlaufende Oberlichter kommt viel natürliches Licht ins Velodrom. Foto: Eddie Keogh

Bauherr: ODA, Olympic Delivery Authority, London
Architekten: Hopkins Architects Partnership LLP, London
Projektteam: Hopkins Architects Partnership LLP, Expedition Engineering Ltd., BDSP und Grant Associates
Tragwerksplanung: Expedition Engineering Ltd., London
schlaich bergermann partner, Stuttgart (Seilnetz)
Generalunternehmen: Interior Services Group PLC
Membranen: Serge Ferrari, Base Structures (Ausführung)
Bauzeit: Februar 2009 - Januar 2011
Eröffnung: Februar 2011
Baukosten: ca. 130 Mio Euro
Sitzplätze: 6000
Bebaute Fläche: 21.700 m²
Dachfläche: 12.000 m²
Rundlitzenseile: 36 mm Durchmesser; 14 km Länge
Gewicht Stahlkonstruktion: 1029 t
Spannweite: 136 m
Dimensionen: 138 x 130 m²; Höhe 13,7 m oberirdisch, 2,6 m unterirdisch

Foto: Hopkins Architects

Im Velodrom werden die Wettbewerbe in den Disziplinen Bahnradsport und BMX ausgetragen. Sie finden auf einer 250 Meter langen Radrennbahn aus FSC-zertifizierter, sibirischer Zirbelkiefer statt. Für kräftige Unterstützung durch das Publikum ist gesorgt: ein Teil der insgesamt 6000 Zuschauerränge umschließt die Bahn unmittelbar und auf ganzer Länge. Die weiteren Plätze befinden sich oberhalb der vollverglasten Verteilerebene.

Testlauf (noch) ohne Publikum: In Kürze kommen die Zuschauer dem Wettkampfgeschehen auf den unteren Rängen sehr nah.

Als elegant geschwungene Schale beherrscht das Radstadion die nördliche Hälfte des Olympiageländes in London. Die Gesamtfigur ist horizontal zweigeteilt: Ein aufgeschütteter Erdwall bildet den Sockel des Gebäudes und nimmt die zentrale, an beiden Enden stark überhöhte Radrennbahn auf, ebenso die unteren umlaufenden Zuschauerränge sowie alle Funktionsräume. Ein als Verteilerebene dienender, verglaster Umgang markiert die Fuge zur darüber scheinbar schwebenden, holzverkleideten Schale. Ihre Form ist durch die Sichtlinien der oberen Zuschauerränge zu beiden Längsseiten der Bahn definiert, die hier einen weit auskragenden, über 22 Meter hohen Baukörper generieren, während der Dachrand im Bereich der Kurven weit nach unten bis knapp über die Verglasung schwingt.
»Wettkampf – Architektur« – die Serie im Überblick: London 2012 – Infrastrukturgebäude
London 2012 – Aquatics Centre
London 2012 – Olympiastadion
London 2012 – Velodrom
London 2012 – Basketball Arena
London 2012 – Olympische Schießsportstätten
Stadia – Sport and Vision in Architecture (Ausstellung)
Olympiastadion in Kiew – im Gespräch mit Volkwin Marg
Effizienz als Leitmotiv – im Gespräch mit Knut Göppert
Neue Stadiondächer aus Membranwerkstoffen
PGE Arena in Danzig
Nationalarena in Bukarest
Nationalstadion in Warschau
Choreographie der Massen (Ausstellung)

Wettkampf – Architektur
London 2012 - Wie nachhaltig wird Olympia? 
London 2012 - Die Ökobilanz der Spiele
Ausstellung:
Hopkins Architects - Im Wandel der Zeit
27. Juli - 31. August 2012
Architekturgalerie München
Vernissage: Donnerstag, 26. Juli 2012, 19.00 Uhr
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