10.07.2014 Frank Kaltenbach

Nord-Süd-Monolog: Goldener Löwe für den koreanischen Biennale-Pavillon

Insgesamt 66 Länder haben sich dem Thema von Rem Koolhaas, der Aufarbeitung der Moderne zwischen 1914 und 2014, gestellt. Kommissar Minsuk Cho stellt den bekannten Monumentalbauten der Diktatoren Nordkoreas die modernistische Megastruktur »Sewoon Sangga« aus den 1960er Jahren in Seoul gegenüber. Dafür wurde der koreanische Pavillon als bester Beitrag mit dem »Goldenen Löwen« ausgezeichnet. Weshalb?

Ort: Venedig, Italien
Dauer: 7. Juni 2014 - 23. November 2014

Koreanischer Pavillon, Foto: Frank Kaltenbach

Begonnen hatte die Biennale nach dem Vorbild der Weltausstellungen 1895 in den Giardini, den öffentlichen Gärten. Zu dem klassizistischen Palazzo del Esposizione gesellten sich schnell die national geprägten Bauten Belgiens, Ungarns, Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und Russlands. Moderne Klassiker folgten in den 1930er und 1950er Jahren: Der Österreichische Pavillon von Joseph Hoffmann, der Wiederaufbau des Niederländischen Pavillons von Gerrit Thomas Rietveld oder der in der finnischen Landesfarbe gestrichene Holzbau von Alvar Aalto. Insgesamt 28 Länder sind heute in den Giardini vertreten.

Seit der Errichtung des Koreanischen Pavillons 1995 herrscht in den Giardini Bauverbot. Länder, die noch keinen eigenen Bau errichtet haben, werden in den bestehenden Hallen des Arsenale, dem historischen Werftareal untergebracht. Hier wird jedes Jahr weiter expandiert, wird eine Ziegelhalle nach der anderen für Ausstellungen oder als Eventspace ausgebaut. Die Länderpavillons der Biennale sind auch ein Spiegel der Weltpolitik: Nach seiner Unabhängigkeit 1991 wollte Kroatien nicht mehr im Jugoslawischen Pavillon vertreten sein. Im Jahr 2010 kam der Kroatische Pavillon als schwimmende Plattform über die Adria angefahren und legte für wenige Tage vor den Giardini an. Jetzt sind auch die Kroaten im Arsenale untergebracht. Dieses Jahr sind hier 28 Länder vertreten, also gleich viele wie in den Giardini. Weitere 10 Länder haben ihre Ausstellungen in angemieteten Räumen über ganz Venedig verteilt. 22 so genannte »Collateral Events«, bieten zusätzlich Veranstaltern wie Taiwan, Hong Kong oder Katalonien Raum: z.B. im Palazzo degli Prigioni, im Palazzo Bembo oder Palazzo Trevisan degli Ulivi. In fast allen Ausstellungsgebäuden wie im Palazzo Mora sind Sonderschauen zu sehen.
 
Für die Länderpavillons hatte der diesjährige Biennale Direktor Rem Koolhaas das Thema »Absorbing Modernity 1914-2014« ausgegeben. Gerade im Umfeld der nach Nationen strukturierten Ausstellung ist das ein spannendes Unterfangen: War der »International Style« wirklich so international? Kann man ihn als Vorboten der ästhetischen Globalisierung sehen, die heute jeden Lebensbereich erreicht hat? Wie hat der jeweilige national geprägte Zeitgeist die internationale Bewegung der Moderne absorbiert bzw. abgelehnt oder transformiert?

Der Koreanische Pavillon wurde mit dem Goldenen Löwen zum Besten aller Länderpavillions gewählt, obwohl er eigentlich gescheitert ist: Ursprünglich war die enge Zusammenarbeit von Architekten und Kuratoren aus Nord- und Südkorea geplant, die Nordkoreaner haben dann aber doch als aktive Partner nicht teilgenommen. Etwas versteckt hinter dem aufgeständerten Betonwürfel der Japaner, wurde er bisher oft übersehen und auch dieses Jahr hätte der Beitrag ohne den renommierten Preis keine allzu große Aufmerksamkeit erregt. Was war der Grund dafür gerade diesen Beitrag herauszuheben?

Bei der letzten Biennale wurde Bahrein dafür ausgezeichnet, die gesellschaftspolitischen Umwälzungen des Landes und die Verdrängung kleiner Fischer durch den Tabula Rasa-Städtebau der Regierung zu thematisieren. Und auch dieses Jahr war die politische Relevanz das entscheidende Kriterium für die Preisverleihung: »Crow‘s Eye View«, heißt soviel wie »Mit dem Blick einer Krähe«. Mit diesem Beitrag stellt der Kommissar Minsuk Cho Nord- und Südkorea ohne trennende Grenze als »Peninsula State« vor.
Angesichts der militärischen Drohgebärden des aktuellen nordkoreanischen Führers scheint diese Vision einer Wiedervereinigung utopisch. Provokant tritt der Besucher die Schuhe auf dem Fußabstreifer »Monument State« ab, wobei im Pavillon die Monumentalbauten von Nord und Südkorea gegenübergestellt werden.

Grenzverlauf zwischen Nord- und Südkorea

Romantisierte Modelllandschaft, Fotos: Frank Kaltenbach

Fotos: Frank Kaltenbach

Eine Biographie des südkoreanischen Architekten Kim Swoo Geun bindet den mehrere Straßenblöcke langen Megablock in Seoul »Sewoon Sangga« in das Gesamtwerk des für Südkorea wichtigen Architekten ein. In einem getrennten Raum werden historische Propagandaplakate aus Nordkorea gezeigt, im Garten setzt sich die Ausstellung mit Präsentationsboards fort. Alles in allem ein sehr heterogener Beitrag, der mehr für seine politische Haltung als für die kuratorische Stringenz ausgezeichnet wurde.

Blick in den Hauptraum, Foto: Frank Kaltenbach

Monumentalbauten in Pjöngyang, Nordkorea, Foto: Frank Kaltenbach

Sewoon Sangga, Seoul 1967, Südkorea,

Architekt: Kim Swoo Geun, Fotos: Frank Kaltenbach

Wohnprojekt in der Alborz Gebirgsregion 1976,

Iran, Architekt: Kim Swoo Geun, Fotos: Frank Kaltenbach

Wettbewerbsbeitrag für das Centre Pompidou, Paris 1971 Architekt: Kim Swoo Geun, Foto: Frank Kaltenbach

Propagandaplakate aus Nordkorea, Foto: Frank Kaltenbach

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