01.04.2013 Florian Köhler

Origami im Weinberg: Hochleistungs-Ruderzentrum in Pocinho, Portugal

Eingerahmt von unzähligen halsbrecherisch aufgetürmten Rebterrassen schlängelt sich der Douro durch die wahrscheinlich schönste, dramatischte und namentlich älteste Weinbauregion der Welt. Hier im Dourotal, etwa 40 km östlich der Grenze zu Spanien, liegt das kleine portugiesische Dörfchen Pocinho. Hier machte es sich Álvaro Fernandes Andrade zur Aufgabe ein olympisches Hochleistungs-Ruderzentrum mit kleinstmöglichen Eingriff in diese einzigartige Landschaft zu integrieren. Architekt: Alvaro Fernandes Andrade, spacialAR-TE
Standort: Vila Nova de Foz Côa, Portugal

Foto: João Morgado

Direkt oberhalb des Staudamms und des kleinen Binnenhafens von Pocinho sollten auf 8000 m² die  Räumlichkeiten für 130 Athleten geschaffen werden. Das Raumprogramm wurde in drei Haupttypologien unterteilt: ein Trainingsbereich, eine Gemeinschaftszone und die Wohnräume.

Entstehungprozess: Skizze, Modell, Rendering; spacialAR-TE

Gleichzeitig versucht das Gebäude den Genius Loci einzufangen. Es orientiert sich zum einen an den Weinterrassen, die sich allgegenwärtig durch das Tal schlängeln, zum anderen den weißen additiv gewachsenen Formen der Weingüter, die über Generationen immer wieder umgebaut und erweitert wurden.

Foto: João Morgado

Die Wohnbereiche hat man kurzerhand in den Hang eingegraben, so dass sie sich den Strukturen und den Konturen der Weinterrrassen unterordnen, von außen nur durch Oberlichter erkennbar. Den Weinbergen der Umgebung nachempfunden, verwendete man für die Aufmauerungen der einzelnen Terrassen Bruchstein des regional typischen roten und blauen Schiefers.

Rendering Schieferterrassen, Grafik: spacialAR-TE

Foto: João Morgado

Die Gemeinschafts- und Sporträume sowie die Erschließungsbereiche wurden als formal unterschiedlich und volumetrisch komplexe weiße Struktur expressiv auf die Landschaft gelegt. Die kantig kristalline Oberfläche erinnert an eine Origamifaltung die reptilienartig die einzelnen Ebenen ersteigt, sich U-förmig nach Westen öffnend.

Foto: João Morgado

Den auffälligsten Teil der Figur stellt der Riegel auf der obersten Ebene des Hanges dar, hier befinden sich die Eingangshalle und die Gemeinschaftsbereiche, die der Ruhe und Entspannung dienen sollen. Betont hohe repräsentative Räume bilden hier den Kopf der architektonischen Figur. Große Fensteröffnungen gewähren Blicke ins Dourotal und dank ihrer Süd-Westausrichtung eine maximale Lichtausbeute.

Foto: João Morgado

Wesentlich introvertierter verhält sich dagegen der Gebäuderiegel am Fuße des Hanges. Formal flacher als sein gegenüberliegendes Pendant richtet sich dieser, der Anstrengung und Konzentration gewidmete Gebäudetrakt nach innen und verschließt sich dem Talblick. Hier befinden sich die Ausbildungs- und Trainingsflächen für die Hochleistungssportler, Hauptbestandteil ist das große Indoor-Ruderbecken von dem bisher leider keine Fotos veröffentlicht wurden.

Foto: João Morgado

Renderings Ruderhalle

Grafik: spacialAR-TE

Verbunden wurden diese beiden Riegel über ein tunnelartiges Treppenhaus das die gesamte östliche Grundstücksgrenze emporklettert. Von diesem vertikalen Erschließungsgang können sämtliche Terrassenebenen über horizontale Flure erreicht werden, daran angegliedert die einzelnen Schlafräume. Die Flure liegen tief im Hang vergraben, unter und hinter den Räumen, stets mit Tageslicht versorgt über schmale Lichtschächte.

Foto: João Morgado

Sämtliche Wohnräume auf der Ebene der Zugangshalle können von den Athleten im Rollstuhl genutzt werden. Mittels weniger Handgriffe lassen sich hier die Bäder behindertengerecht umfunktionieren. So können Athleten mit körperlichen Einschränkungen ihre Zimmer frei wählen und den gleichen Bereich wie der Rest des Teams nutzen, ohne in eine spezielle »behindertengerechte Ecke« verbannt zu werden. Festinstallierte Treppenlifte schaffen Barrierefreiheit in den Treppenhäusern.

Foto: João Morgado

Die kristalline Struktur der Außenhaut setzt sich als fortlaufende Zick-Zack-Bewegung in den puristisch reduzierten Innenräumen fort. Sie zieht sich als dynamisch vorantreibende Kraft durch das Raumprogramm hindurch, nicht Halt machend vor Fenster- und Lichtbändern. Lediglich die Rückzugsräume bedienen sich einer ruhigen orthogonalen Formensprache. Sichtbeton und Schiefermauern sollen, vor allem in den unterirdischen Räumen, die Erdverbundenheit betonen.

Foto: João Morgado

Von Anfang an für das Projekt vorgesehen wurde eine Erweiterungsmöglichkeit auf 11.000 m² für insgesamt 225 Athleten, was analog eine Erhöhung der Zimmeranzahl von 84 auf 170 bedeutet. Für die Realisierung dieser Erweiterung können einfach weitere Wohnriegel unterhalb der bestehenden vier Terrassen eingeschoben werden.

Grundriss, Grafik: spacialAR-TE

Neben der formalen Inszenierung wurde die Hanglage auch perfekt funktional ausgereizt: ein ideal ausbalanciertes passives Energiemanagement setzt auf Solarthermie und thermische Masse. Die Außenflächen der Schlafräume wurden auf ein Minimum reduziert. Tief in den Boden vergraben sorgen die thermische Masse und die gut isolierten begrünten Dachflächen für ein angenehmes Raumklima, gleiches gilt für die Erschließungsflure.
Solare Gewinne erfahren die Zimmer durch die nach Süden ausgerichteten Oberlichter, während der heißen Sommertage werden diese von außen verschattet. Zusätzlich erlauben sie vom Bett aus Ausblicke in den Sternenhimmel.

Athletenzimmer

Fotos: João Morgado

Bauherr:
Gemeinde Vila Nova de Foz Côa
Projektleitung:
Paula Teles, mpt
Bauunternehmer:
Manuel Vieira e Irmãos Lda
Mitarbeiter:
Ana Rute Costa, André Bevilacqua,
Marcelo Altieri, Daniela Teixeira, Daniel Geada,
Luís Romero, Nilton Marques, Paula Cicuto
Bebauungsfläche:
8000 m²
Baubeginn:
2008

Foto: FG+SG fotografia de arquitectura

Weitere Projekte zum Thema »Treppen, Rampen, Aufzüge« lesen Sie in unserer Ausgabe DETAIL 2014/4

Renderings Wohnräume, Terrassen

Grafik: spacialAR-TE

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