17.01.2013 popp@detail.de

Parametrisches Kaleidoskop: Hotelfachschule in Montpellier

Text und Fotos: Frank Kaltenbach Die Georges Frèche-Hotelfachschule ist neben dem Archiv- und Bibliotheksbau von Zaha Hadid und dem Rathaus von Jean Nouvel das neueste Projekt eines ambitionierten Architekturprogramms. Der amorphe, paramterisch generierte Baukörper mit seiner durchgehenden Fassade aus Aluminium-Verbundplatten lässt keinerlei Rückschlüsse auf die Funktionen im Inneren zu. Die kaleidoskopartig refelektierende Gebäudehülle trägt einen Hauch von mediterraner Noblesse in die gesichtslose Peripherie Montpelliers, der am schnellsten wachsenden Stadt Frankreichs. Architekten: Massimiliano und Doriana Fuksas
Standort:
Montpellier, Frankreich

Grafik: Massimiliano Fuksas Architekten

Grafik: Massimiliano Fuksas Architekten

Grafik: Massimiliano Fuksas Architekten

Natürliche Lüftung ist über Klappflügel möglich. In größeren Räumen unterstützt eine mechanische Lüftung den Luftwechsel. Die tiefen Fensterprofile gewährleisten bei dem hohen Sonnenstand im Süden Frankreichs wegen der kleinen Einzelscheiben einen wirkungsvollen Sonnenschutz. Auf eine Klimaanlage in den Klassenräumen verzichteten die Planer, da das Gebäude im Hochsommer während der Schulferien nicht genutzt wird.

5000 Paneele der triangulierten Gebäudehülle sind verglast. Für eine weitere Vielfalt der Oberfläche sorgen perforierte Bleche, hinter denen Ein- und Auslässe für Lüftungsgeräte liegen, ohne die Homogenität der Gesamtstruktur zu beeinträchtigen.

Die Georges Freche-Hotelfachschule in Montpellier ist weit mehr als ein Gebäude mit Klassenzimmern. Die Anlage mit einer Bruttogeschossfläche von 26 000 Quadratmetern umfasst zusätzlich ein kleines Hotel mit angegliedertem Restaurant, Bistro, Café und den entsprechenden Küchen und Nebenräumen, in denen die Theorie in die Praxis umgesetzt werden kann. Die praxisorientierte Berufsschule ist gleichzeitig ein Internat: in jeweils getrennten Türmen sind ein Schülerwohnheim und Lehrerapartments auf dem selben Grundstück untergebracht. Eine Turnhalle mit Sportplatz schließt das Raumprogramm ab, das in fünf Gebäude aufgeteilt ein kleines Quartier für sich bildet. Die Besonderheit der Anlage liegt in den spannungsreich organisch geformten Baukörpern, die bei all ihrer unterschiedlichen Nutzung und plastischen Durchbildung durch eine einheitliche Gebäudehülle aus silbern schimmernden Aluminiumverbundpaneelen als zusammengehörendes Quartier erkenntlich sind.

Die Formgebung der fünf Gebäude reagiert auf die Strukturen der jeweils unterschiedlichen Umgebung: Die kantige Sporthalle setzt den rechteckigen Stadtgrundriss der Wohnbebauung fort. Der Wohnturm der Lehrerapartments und des Schülerwohnheims interpretiert die Nachbarbebauung der Punkthäuser frei mit im Grundriss und in der Ansicht gebogenen Gebäudekanten. Das eigentliche Schulgebäude bilden zwei organisch geformte Raumskulpturen mit der Grundrissform des Buchstabens Y bzw. B, die mit Stegen über den gassenartigen Innenhof miteinander verbunden sind.

Alle fünf Gebäude sind mit silbrigen 4 mm dicken Aluminium-Verbundpaneelen bekleidet. Für die Geometrie der Paneele der Sporthalle haben die Architekten großformatige Rechtecke gewählt. Die Fassaden sind komplett geschlossen, durch die Schrägstellung der Wände , nach vorne geneigt an der Nordfassade, nach hinten geknickt im Westen, überträgt sich die Dynamik des gesamten Quartiers auch auf diesen kubischen Baukörper.

Die Sporthalle von innen mit geschlossenen Fassaden, um hohe solare Wärmeeinträge in den heißen Sommern zu vermeiden.

Das viergeschossige Schülerwohnheim mit 75 Betten bildet das Bindeglied zwischen der kantigen Sporthalle und den zwei organisch geschwungenen Baukörpern der Schule. Seine Gebäudehülle ist in den drei Zimmergeschossen trianguliert, wobei die Fenster in diese Dreieckstruktur integriert sind ohne die Homogenität des plastischen Baukörpers zu stören.

In dem Zwischenraum, wo die konkave Seite des Wohnturms wie bei einem Hüftgelenk in die konvexe Krümmung des B-förmigen Schulgebäudes greift, entsteht ein kühler schattiger Garten, dessen liebevoll gestaltete Bepflanzung zu einer angenehmen optischen Erweiterung der verglasten Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss beitragen.

Diese triangulierte Gebäudehülle zieht sich über Fassaden, Dach und Einschnitte des B-Gebäudes. Je nach Funktion der dahinter liegenden Räume sind die Flächen aus verglasten Dreieckselementen mal größer wie hier bei der Aula, oder kleiner wie bei den darüber liegenden Klassenzimmern. Hier an der Westfassade stülpt sich der Baukörper nach innen, wo sich der Schülereingang des Quartiers befindet.

Entlang der Tramlinie und der Einfallstraße ins Zentrum Montpelliers zeigt sich der Baukörper zunehmend dynamisch.

Wie bei einer Brezel legt sich das »Ende« des schlauchartigen B-Gebäudes über seinen Anfang. So entsteht ein spektakulärer Blickfang für die Autofahrer auf dem Kreisverkehr. Beim Blick von innen nach außen aus diesem Kulminationspunkt können die Schüler in Richtung Norden das gesamte Schulquartier überblicken, bei der Aussicht nach Süden glitzert am Horizont das Mittelmeer vor den von La Grande Motte und Sète.

Vom Kreisverkehr aus deutet zwischen dem B-Gebäude mit den Schulungsräumen und dem Y-Gebäude ein schluchtartiger Spalt auf den räumlich spannungsreichen Innenhof hin. Vom Kreisverkehr aus und dem gegenüberliegenden Vergnügungspark wird auch der öffentliche Haupteingang des Areals im Y-Gebäude erschlossen, wo unterschiedliche Einrichtungen des Hotel- und Gaststättengewerbes von den Hotelfachschülern selbst betrieben werden und für externe Gäste zur Verfügung stehen: im Erdgeschoss ein Café, im 1. Obergeschoss ein ein Spitzenrestaurant und ein Bistro und im 2. Obergeschoss ein kleines Hotel.

Der Sportplatz wird rege genutzt, um die angehenden Hotelfachkräfte auch konditionell auf Hochtouren zu bringen. Der sechgeschossige Turm mit 10 Lehrerapartments im Hintergrund bildet als Campanile den optischen Abschluss dieses Vorplatzes und ist wie die Sporthalle nicht mit einer triangulierten Gebäudehülle, sondern mit großformatigen zum größten Teil rechteckigen Paneelen bekleidet.

Nach diesem ersten Rundgang um das einheitliche silbrig schimmernde Quarier lohnt es sich, die triangulierte Gebäudehülle der organisch geschwungenen Baukörper detailliert zu betrachten: Eine wesentliche Aufgabe der Architekten bestand darin, die gestalterisch gewünschten Rundungen in ebene Dreiecke zu unterteilen, um die Kosten für die Fassade in einem budgetierten Rahmen zu halten. Im Unterschied zu vielen gestalterisch ähnlichen Gebäudehüllen, folgt bereits der Rohbau aus Stahlbeton exakt den Krümmungen der äußeren Hülle. Das bedeutet, das sowohl die Stahlbetonkonstruktion als auch die Hülle in einem virtuellen parametrischen 3D-Modell erstellt werden mussten, wobei der Abstand der Hülle zur gekrümmten Rohbauwand an jeder Stelle derselbe bleibt. Die Konsequenz aus der Gebäudegeometrie mit stark unterschiedlichen Krümmungsradien war, dass beinahe für jedes der ca. 17 000 Aluminiumdreiecke eine individuelle Geometrie erforderlich war. Der kniffligste Punkt bei solchen Aufteilungen den so genannten Tesselierungen, liegt meist bei den engsten Krümmungsradien. Bei diesem Gebäude liegen sie beim Ansatz des Vordachs vor den Backstuben und Konditoreien im Erdgeschoss der Ostfassade (siehe Abbildung).

Grafik: Massimiliano Fuksas Architekten

Horizontalschnitt Gebäudeecke: Die Vorderkante der Hülle liegt mit einem Abstand von 240 mm vor der Rohbaukante. Die 4 mm starken Alucobond-Paneele sind zu 41 mm dicken Kassetten gakantet. Eine 90 mm dicke Wärmedämmung dämmt Wände und Dach. Gekantete Eckelemente gewährleisten scharfe Gebäudekanten ohne klaffende Fugen.

Vertikalschnitt oberer Fensteranschluss: Die Festverglasungen und gläsernen Lüftungsflügel sind flächenbündig mit den Alucobond-Paneelen.

Vertikalschnitt unterer Fensteranschluss. Grafiken: Massimiliano Fuksas Architekten

Grafik: Massimiliano Fuksas Architekten

Grafik: Massimiliano Fuksas Architekten

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