11.04.2013 Cordula Vielhauer

Podium für spezialisierte Schwärme: UNStudio wird Open-Source-Plattform

Das in Amsterdam gegründete Büro UNStudio von Ben van Berkel und Caroline Bos arbeitet seit jeher an den Grenzen des technisch Machbaren und räumlich Vorstellbaren in der Architektur: Ihr Möbius-Haus, das sie am Ende des letzten Jahrtausends auf der geometrischen Grundlage des Möbiusbandes entwarfen, verursachte eine kleine Revolution in der Architekturdebatte. Seitdem hat sich das Büro zu einem Global Player im Baugeschehen entwickelt – einem der wenigen in der Liste der 100 größten Architekturbüros weltweit mit einer individuellen Handschrift. Nun bereiten die Holländer einen weiteren revolutionären Schritt vor, der allerdings vor allem die eigene Arbeitsweise betrifft: UNStudio strukturiert sich als Open-Source-Practice komplett neu.

Im Juni dieses Jahres ist der Start der Neuorganisation des Büros als Open-Source-Practice geplant. Damit einher geht der Launch von vier spezialisierten Online-Wissens-Plattformen zu folgenden Themengebieten: Materialien, Parametrics, Organisation und Nachhaltigkeit. Ziel ist es, sich von einem „kollaborierenden zu einem co-kreativen Arbeitsmodell für die Architekturproduktion“ zu entwickeln (UNStudio).

Dabei wollen Bos und Berkel die klassische Herangehensweise des Entwerfens nicht infrage stellen, sie sehen den Schritt in Richtung Open-Source vielmehr als Erweiterung der Architekturpraxis hin zu einer Architektur, die „ganzheitlicher, verantwortungsbewusster, integrierender und intelligenter“ ist. Und sie lassen sich bewusst von anderen, architekturfremden Disziplinen inspirieren: „Innerhalb unseres eigenen Berufsfeldes haben wir kein Modell gefunden, mit dem wir auf die wachsenden Herausforderungen unserer Profession hätten antworten können. Dagegen waren wir fasziniert von neuen Geschäftsmodellen wie Social-Networking-Firmen, die sich von einer alten zu einer sehr innovativen Ökonomie hin entwickelt haben. Hier stehen Kommunikation, offener Austausch und gemeinsame Kreativität im Vordergrund. Da wir glauben, dass Architektur von solch einer Herangehensweise profitieren kann, haben wir in den letzten Jahren begonnen, unser Studio in ein Open-Knowledge-basiertes Büro zu verwandeln.“, sagt Ben van Berkel. 

Bei UNStudio ging es schon immer darum, sich nicht nur durch die gängige Architekturpraxis des Entwerfens und Bauens in den architektonischen Diskurs einzubringen, sondern sich auch theoretisch mit Architektur auseinander zu setzen. Geometrie, digitale Produktionstechniken, Materialeffekte und nachhaltige („attainable“) Gestaltungslösungen prägen das Themenspektrum des Büros und sollen künftig in den genannten „Wissens-Plattformen“ weiter spezifiziert werden: „Es geht darum, das in der Architekturpraxis gewonnene Wissen zu „destillieren“, um so Designforschung und –innovation weiter zu befruchten.“ Die Plattformen selbst sind eigentlich individuelle, selbst-organisierte Gruppen, die quasi zu allen Bereichen des Büros Zugang haben, dort Informationen sammeln und dieses dann verknüpfen. Als Analogie könnte man sich vier spezialisierte Bienenschwärme vorstellen, die zu allen Projekten von UNStudio das für ihren Bereich relevante Wissen sammeln, ordnen, auswerten und den jeweiligen Bereichen beziehungsweise Projektmitarbeitern wieder zurückspielen. Dieser interaktive, nicht-lineare Ansatz soll dazu führen, kreative Lösungen zu finden und innovative Strategien zu entwickeln.

Denn selbstverständlich ist die Wissensproduktion nicht reiner Selbstzwecke: „Natürlich ist es unser Ziel, unsere Gebäude durch diese dynamischen Wege des Arbeitens zu verbessern. Wir wollen zu Experten für Wissens-basierte Strategien und Arbeitsmodelle werden.“, so Caroline Bos. „Unsere Mitarbeiter können eine Plattform wählen, an der sie gerne mitarbeiten möchten, und nach ein paar Jahren gehören sie vielleicht zu zwei oder drei Plattformen. Dadurch können sie sich auf bestimmten Wissensgebieten spezialisieren, und wir können einen hochkonzentrierten Austausch dazu anbieten.“

Ebenso wichtig wie die Wissensvermehrung innerhalb des Büros ist es für UNStudio aber auch, mit der Außenwelt zusammen zu arbeiten. „Es ist für uns essentiell, kontinuierlich Informationen zu sammeln, dieses Wissen aber auch zugänglich zu machen. Wir suchen den Dialog mit unterschiedlichen Spezialisten, sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Berufsfeldes der Architektur.“ (Ben van Berkel) Die Einflüsse, die auf Architektur wirken, seien vielfältig – von sozialen über kulturelle, ökonomische, umweltrelevante und politische müssten viele Aspekte berücksichtigt werden.

Um diese externen Kooperationsmöglichkeiten weiter voran zu treiben, wird die bestehende Forschungs-Online-Präsenz des Büros weiter ausgebaut: Ab Juni 2013 soll dort das von UNStudio erarbeitete Wissen zu den spezifischen Themen zur Verfügung gestellt werden, Leser können zu diesem Wissen Stellung nehmen, es erweitern, über soziale Netzwerke teilen und sammeln. Eine „MyPlatform“-Funktion mit individuell zusammengestelltem Content gehört ebenfalls dazu. Ziel ist es, ein Podium zu schaffen, auf dem UNStudio spezifisches Wissen offen teilt, gleichzeitig Wissen sammelt und Neues generiert. 
Bereits heute kann man auf der Research-Seite von UNStudio die dort vorgestellten Inhalte bewerten und teilen. Derzeit laufen dort die Dialoge zum Salone del Mobile in Mailand:
www.unstudio.com/research

Weitere Informationen:
www.unstudio.com
https://detail-cdn.s3.eu-central-1.amazonaws.com/media/catalog/product/u/n/unstudio_130.jpg?width=437&height=582&store=de_de&image-type=image
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