17.10.2013 Cordula Vielhauer

Recht ohne Ordnung? BIM-Forum lotet juristische Grenzen digitaler Planungsmodelle aus

Mit rund 500 Teilnehmern hat sich die Zahl der Interessierten am gerade in München zu Ende gegangenen BIM-Forum gegenüber dem ersten Treffen vor wenigen Jahren verzehnfacht. Die eintägige Veranstaltung in der BMW-Welt fand direkt im Anschluss an die parallel zur Expo Real laufende BIM-Woche statt. Hier wurden nicht nur der aktuelle Stand der Technik beziehungsweise Forschung präsentiert und Praxisbeispiele gezeigt, sondern auch aus Architektensicht wichtige rechtliche Fragen diskutiert.

Annette von Hagel (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben)

Die Welt von Peter Meijnen ist klar und übersichtlich: In "seinen" Fabriken läuft alle 4-5 Minuten die Produktion eines Fahrzeugs an, und in genau diesem Takt - dem "Herzschlag der Produktion" - geht es von der ersten bis zur letzten Schraube weiter. Vier Prinzipien liegen der "Lean Production" zu Grunde, die er als Prozessmanager bei Porsche mitverantwortet, seit das Unternehmen Anfang der neunziger Jahre die schwerste Krise seiner Geschichte durchmachte: Das Fließ-Prinzip, das Takt-Prinzip, das Zieh-Prinzip und das Null-Fehler-Prinzip. Prozessplanung heißt das Schlüsselwort, und das heißt vor allem: Es wird nicht nur das Fahrzeug selbst geplant, sondern vor allem der Ablauf der Produktion. Für die "Lean Production" bedeutet das: Es wird "On-Demand" produziert, es gibt keine Lagerbestände, Zuliefermaterialien und -produkte werden erst bestellt, wenn sie benötigt werden, ein gleichmäßiger Rhythmus und ein umfassendes Qualitätsmanagement sorgen für einen stabilen und reibungslosen Produktionsablauf. Dank Logistik-Management und Lieferanten-Integration, zu der auch die Bildung "strategischer Partnerschaften" und kontinuierliche Evaluierungen gehören, wird die Qualität von Prozessen und Produkten permanent gewahrt. Die Welt von Peter Meijnen ist schön.


Peter Meijnen (Porsche Consulting), Thomas Welter (BDA), Dieter Renth (Obermeyer Planen + Beraten)

Über die Welt des Bauens kann Peter Meijnen nur den Kopf schütteln. Er erkennt hier ähnliche Defizite wie in der Automobilindustrie vor zwanzig Jahren: Da gibt es Baustellen, auf denen Material verrottet, während Bauarbeiter gleichzeitig untätig auf ausstehende Lieferungen warten. Da wird ein Gebäude liebevoll bis ins letzte Detail durchdiskutiert und durchgeplant, doch auf der Baustelle geht es nur noch um Schuldzuweisungen. Und vor allem: Die Rendite des Architekten ist mickrig, das unternehmerische Risiko hingegen immens. Auch Dieter Renth (von Obermeyer Planen + Beraten) mit einer Spezialisierung in der digitalen Prozessplanung betont deren Vorteile, die sowohl in den multidimensionalen Kommunikationsmöglichkeiten, der größeren Transparenz, einer besseren Archivierbarkeit und Nachnutzbarkeit von Informationen (auch für spätere Projekte) sowie einer größeren Planungskonsistenz lägen. Vor allem ermögliche die Simulation der Bauabläufe jedoch die Koordination der Gewerke bereits während der Planungsphase, nicht erst auf der Baustelle.

BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au in München

Doch bei der Diskussion mit Thomas Welter (Geschäftsführer BDA) stellt sich heraus, dass es weniger die Widerstände der Architekten sind, an denen viele, vor allem größere Bauprojekte kranken. Es sind die Bedingungen, die eine ähnlich effiziente Prozessgestaltung wie die der Automobilindustrie behindern. Als erstes ist da die Vergabeordnung zu nennen, die Architekten bei öffentlichen Bauaufträgen dazu zwingt, mit dem günstigsten Bieter zusammenzuarbeiten. Strategische Partnerschaften? Stabiles Qualitätsmanagement? Lieferanten-Integration? Fehlanzeige. Zudem sind gerade öffentliche Projekte - anders als die Privatwirtschaft - ganz anderen Einflussfaktoren ausgesetzt - ein Regierungswechsel oder eine neue Bürgerinitiative beeinflussen ein Bauvorhaben ganz erheblich. Und auch private Bauherren scheuen sich nicht, in bereits laufende Prozesse einzugreifen - vor allem, solange "noch nichts gebaut" ist.

Deke Smith, Chris Moor, Thomas Welter und Patrick Mac Leamy

Zudem hinkt die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure dem tatsächlichen Planungsaufwand solcher Projekte gewaltig hinterher. Eine dreidimensionale Prozessplanung, wie sie den Referenten von Building Smart vorschwebt, ist schlicht nicht Bestandteil des Leistungsbildes, und kann auch über die aktuelle HOAI nicht abgedeckt werden (ganz zu schweigen von "5D", wie es auf dem Forum ebenfalls thematisiert wurde). Eine rechtliche Verankerung von Prozessplanung und BIM im Architekten-Leistungsbild müsste daher zwangsläufig eine noch stärkere Gewichtung der Planungs- gegenüber der Bauphase eines Projektes mit sich bringen.

BMW-Welt

Die Begründung dafür wäre womöglich sogar systemimmanent: Das Bauen soll durch die digitale Simulation ja viel einfacher werden. Es würde - dank BAM (Building Assembly Modelling, also die Konstruktionsphase) - fast zur reinen Montage. Patrick MacLeamy von HOK ("Let me tell you a story of my German Großmutter...") brachte die Augen der Forum-Teilnehmer zum Leuchten, indem er die Einspar-Kaskade von BIM BAM BOOM in den Raum projizierte: 20 bis 30 Prozent ließen sich in jeder der drei Phasen eines Gebäudes (Planung, Konstruktion, Betrieb) einsparen. Während das bei der Planung (BIM) noch verhältnismäßig geringe Beträge sind, wird das Tortenstück bei BAM schon üppiger, und bei BOOM (Building Operational Organizational Modelling), also in der Betriebsphase eines Gebäudes, können angeblich bei großen Gebäudekomplexen jährlich Millionenbeträge eingespart werden. Zu letzterem hielt Edward Gannon, Gebäudemanager der Pennstate University, einen eigenen Vortrag.

Patrick Mac Leamy (HOK)

Neben den rechtlichen Hindernissen sind es allerdings weiterhin auch die technischen Unzulänglichkeiten, die BIM noch nicht durchgängig anwendbar machen: Mit der Standardisierung der Schnittstellen - weg von den proprietären Interfaces hin zu internationalen Standards wie ISO - beschäftigen sich zum Beispiel Deke Smith (buildingSMART alliance) und Chris Moor (American Institute of Steel Construction). Damit auch hierzulande "der Zug des Fortschritts nicht wieder ohne seine Mit-Erfinder abfährt wie seinerzeit der Transrapid", so Rasso Steinmann von buildingSMART Deutschland, plant die bundesdeutsche Sektion derzeit gemeinsam mit dem BMVBS im Rahmen einer Reformkommission ein Modellprojekt BIMid. Denn ganz gleich, ob BIM lediglich ein internationaler - zum Beispiel europäischer - Standard wird, oder auch im nationalen Kontext bei Großprojekten oder großen öffentlichen Projekten zur Anwendung kommt - bei einem sind sich alle sicher: BIM kommt auf jeden Fall. Den kulturellen Reichtum der individuellen und vielfältigen Planungs- und Baulandschaft in Deutschland zu erhalten und gleichzeitig ein digitales Werkzeug zu schaffen, mit dem die Kooperation zwischen den einzelnen Beteiligten am Bau einfacher wird - das bleibt weiterhin die große Herausforderung.

Siggi Wernik (León Wohlhage Wernik) und Thomas Welter (BDA)

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