09.07.2013 Florian Maier

Trient erfindet sich neu – ein Museum als Regionalentwicklungsprojekt

Das alte naturwissenschaftliche „Museo Tridentino di Scienze Naturali“ ist längst über seine ursprünglichen Aufgaben hinausgewachsen und zu einem Wissenschaftsstandort geworden. Mit dem Neubau des Museums für Wissenschaft verfolgt die Autonome Provinz Trient ein übergeordnetes Ziel: Neben seiner urbanistischen Aufgabe kommt dem „MUSE“ eine wichtige Rolle in der inhaltlichen Neugestaltung und Neuausrichtung der gesamten Region zu, die sich als „Wissens- und Innovationsterritorium“ etablieren will. Weitere wichtige Bausteine sind die Erweiterung der Universität von Trient und die Zusammenführung der Forschungsförderung.

Architekt: Renzo Piano Building Workshop
Standort: Via Calepina 14, I-38122 Trient

Das MUSE verkörpert für die Museumsleitung vieles: den Fußabdruck eines Dinosauriers, einen Alpengletscher, ein Tropenhaus, einen interaktiven Wald. Foto: Alessandro Gadotti. Archivio TrentoFutura

Das registrierte Kürzel MUSE leitet sich aus dem vollständigen Namen „MUseo delle ScienzE” ab. Während der Ausarbeitung des Kulturplans wurde erstmals der griffige, kurze Name eingesetzt, um auf die Struktur zu verweisen. Obwohl sich der Name ganz bewusst auf die etymologischen Ursprünge des Wortes „Museo” bezieht, ist das MUSE alles andere als ein rein museales Projekt: Es vereint die typischen Eigenschaften eines naturhistorischen Museums mit Elementen aus den Bereichen der Forschungszentren. Stadtplanung
Das MUSE ist Teil einer urbanistisch-landschaftlichen Vision. Das aufgelassene Michelin-Industriegelände am Flussufer im südlichen Stadtteil soll durch das Museum und sein umliegendes Areal städtebaulich erschlossen werden. Der Entwurf sieht dazu eine kleine Stadt in der Stadt vor, mit all ihren Ausprägungen, Hierarchien und funktionalen Komplexität.

Es entstehen Geschäfte und Wohnungen und ein öffentliches Kulturangebot mit dem MUSE als Highlight. Gemeinsam mit dem öffentlichen Park von fünf Hektar umschließt das Museum auch physisch das gesamte neue Stadtviertel. MUSE und Park sollen ein städtebaulicher Anziehungspunkt für die Stadt Trient werden. Ein Kanal durchquert das Gelände von Süden nach Norden und das Wasser bildet einen Spiegel, der das MUSE als Reflexion zeigt – eine Hommage an die umliegende alpine Landschaft.

Dem Museum wird auch die Rolle einer „Brücke“ zuteil zwischen dem nahegelegenen „Palazzo delle Albere“, seinem Garten (Sitz des MART von Trient) und dem neuen Stadtteil. Foto: Alessandro Gadotti. Archivio TrentoFutura

Das MUSE
Im Profil nimmt das Bauwerk die Umrisse der umliegenden Berge auf. Der Ausstellungsparcours erstreckt sich über mehrere Stockwerke und ist eine Art Metapher für die alpine Umwelt. Das Museumsgebäude erstreckt sich oberhalb der Erdoberfläche mit einer Länge von ca. 130 m in Ost-West-Richtung. Die maximale Breite beträgt 35 m. Im Gebäude befinden sich insgesamt sieben Stockwerke, fünf oberirdische und zwei Kellergeschosse. Die Stockwerke von -1 bis +5 sind für Publikum, Verwaltungspersonal und Forscher zugänglich. Das Stockwerk -2 ist vorwiegend Parkgarage.

Foto: Alessandro Gadotti. Archivio TrentoFutura

Die architektonische Idee entstand aus dem wechselwirkenden Zusammenspiel zwischen notwendiger Flexibilität und den wissenschaftlichen Inhalten des Kulturprojekts. Es galt ein Museum zu erschaffen, dessen Haupt-Ausstellungsparcours sich klar und deutlich in Form und Inhalt vom Rest absetzt und gleichzeitig aber auch die notwendige Flexibilität für die entsprechende Einrichtung bewahrt – eine typische Anforderung an die Museen der neuen Generation.

Und so reihen sich im Gebäude Räume von unterschiedlichem Volumen, lehrstehend oder gefüllt, aneinander. Gemeinsam ist ihnen der große Wasserspiegel, auf dem sie alle zu ruhen scheinen und der die Effekte der Licht- und Schattenspiegelung verstärkt. Zusammengehalten wird der gesamte Parcours, in luftiger Höhe, von großen Dachpaneelen, die als starkes Wiedererkennungselement dem Museum seine Form geben.

Foto: Stefano Goldberg. Archivio RPBW

Umweltfreundliche Gebäudetechnologie
Die Bautechniken richten sich nach dem neuesten Stand für umweltverträgliche- und Niedrigenergiearchitektur. Erneuerbare Energien aus Sonne (Photovoltaik, Sonnenkollektoren) und Erdwärme (Geothermie) werden weitläufig eingesetzt. Ergänzt werden sie durch ein zentralisiertes Fernheizungssystem für das gesamte neue Stadtviertel.

Dem Energiekonzept ging eine detaillierte Projektstudie über Schichtung, Dicke und Art von Isoliermaterialien voraus. Fenster und Türen wurden erprobt, ebenso die unterschiedlichen Beschattungssysteme. Dies alles mit dem Ziel, den Energieverbrauch des Gebäudes so gering wie möglich zu halten. Ein ausgeklügeltes, automatisiertes System von Sonnenschutzpaneelen und Vorhängen, die entweder temperaturgesteuert oder sonneneinstrahlungsgesteuert sind, sorgen für eine geringere Einstrahlung in den Sommermonaten und eine entsprechend angenehme Temperatur in den Wintermonaten.

Energiekonzept, Grafik: RPBW

LEED Gold
Natürliches Licht und natürlicher Luftaustausch ermöglichen es in einigen Räumlichkeiten, die Energiekosten gering zu halten und sorgen außerdem für ein angenehmes Ambiente. Bei den Gebäudeanlagen wird darüber hinaus auf weitere Energiesparmaßnahmen zurückgegriffen: So versorgt beispielsweise ein Regenwassertank die Toiletten, die Beregnung im Gewächshaus, die Aquarien, den Wasserlauf rund um das Gebäude. Auf das Gesamte gerechtet wird so rund 50 % des Aquädukt-Wassers eingespart.

Beim Bau hat man vorwiegend auf lokale Baumaterialien gesetzt, um die Umwelt nicht mit unnötigen Transportabgasen zu belasten. So wurde im Ausstellungsbereich etwa Bambusholz italienischer Herstellung für die Fußböden verwendet. Das schnellwachsende Bambusholz bindet viel CO2. Das Projekt sieht einen großen Fahrradabstellplatz vor, inklusive Duschen und Umkleidekabinen, und nur eine geringe Anzahl von Autoparkplätzen. Besucher und Mitarbeiter sind angehalten mit dem Rad zu kommen oder öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden. Das Museum ist ideal am Radweg gelegen.

In Zusammenarbeit mit dem „Distretto Tecnologico Trentino“ wurde das Gebäudeprojekt dem weltweit anerkannten Zertifizierungsprozess nach LEED unterworfen, Ergebnis: Zertifizierungsgrad GOLD.

Tropenhaus, Foto: Massimo Zarucco. Archivio Ufficio stampa PAT

Grafik: RPBW

Hintergrund
Das MUSE, Museum für Wissenschaft, geht aus dem Naturwissenschaftlichen „Museo Tridentino di Scienze Naturali“ hervor, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts als städtisches Museum entstanden war. In den 1990er Jahren spezialisiert es sich zunehmend auf naturwissenschaftliche Forschung und liefert als Institut wissenschaftliche Grundlagen für die lokale Umweltplanung und –entwicklung.

Das Museum realisierte in diesem Zeitraum zahlreiche erfolgreiche Ausstellungen und entwickelte ein neues Kommunikationskonzept. Neben den herkömmlichen naturwissenschaftlichen Themen werden auch die Themen Energie, nachhaltige Entwicklung, Mathematik und Astronomie aufbereitet, und es werden interaktive Wissenschaftsspiele konzipiert.

Um die Jahrtausendwende erwägt die Autonome Provinz Trient, das Naturwissenschaftliche Museum in das Wiedergewinnungsprojekt des aufgelassenen Industriegebiets Michelin zu integrieren. Das Museum soll zur kulturellen Aufwertung des neu einzugliedernden Stadtteils am Südende Trients beitragen. 2003 folgt eine Machbarkeitsstudie, im Zuge derer definiert das Museum seine kulturelle Mission neu definiert – im Sinne eines nachhaltigen, wohldurchdachten Wachstums.

Foto: Stefano Goldberg. Archivio RPBW

Foto: Massimo Zarucco. Archivio Ufficio stampa PAT

Das MUSE - Museum für Wissenschaft in Trient öffnet am 27. Juli 2013.

Foto: Stefano Goldberg. Archivio RPBW

Grafik: RPBW

Längsschnitt: RPBW

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