07.11.2016 Bettina Sigmund

»Ultralight« – ultraleichtes Fenstersystem der Zukunft

V.-Prof. Luis Ocanto präsentiert das leichte Ultralight-Fenster. (Foto/Montage: Franz Luthe)

»Wir müssen das Fenster wieder neu denken!« fordert das Team um die Professoren Armin D. Rogall und Luis Ocanto von der FH Dortmund, Abteilung Baustofftechnologie. Sie haben ein ultradünnes und ultraleichtes Fenster entwickelt, das Material einspart und zugleich den hohen Wärme-, Brand- und Schallschutzanforderungen gerecht wird. Das schlanke Design orientiert sich am puristischen Stil der Bauhaus-Ära (Bild 1). Den Anstoß für die Entwicklung des »Ultralight«-Fensters gab der Stand des Fensterbaus, der an einem Wendepunkt angekommen zu sein schien. Strengere gesetzliche Anforderungen – wie die Normen des Passivhaus-Standards – verändern den Fensterbaumarkt in den letzten Jahren stetig und führen zu mehr Material, größeren Bautiefen, zusätzlichen Kammern mit Wärmedämmung und Mehrfachverglasungen. Die Folge sind breite Profile und viel zu schwere Fenster, deren Einbau vor allem in Altbauten ein großes Problem ist oder zum Teil nur noch mittels Kran bewältigt werden kann (Bild 2) Hightech-Materialien zukunftsweisend eingesetzt
Diese Entwicklung möchte das Hochschulteam mit Blick auf ein ästhetisches Design, steigende Energiekosten und knappe Ressourcen durchbrechen. Doch wie kommt man weg von einem Rahmen mit Doppelverglasung, der bis zu 80 Kilogramm pro Quadratmeter, mit Dreifachverglasung sogar bis zu 120 Kilogramm pro Quadratmeter, wiegt? Die Lösung liegt in der einmaligen Kombination aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) als Rahmenmaterial und Vakuumisolierglas (VIG). Letzteres wird bislang nur in Japan und China in industriellen Größenordnungen hergestellt. Dabei werden zwei Floatglasscheiben von drei bis fünf Millimeter Dicke mit einem Abstand von 0,2 Millimeter aufeinander gefügt und am Rand dauerhaft dicht mit Glas oder Metallkomponenten verlötet. Das Ultralight-Fenster lässt sich durch VIG extrem filigran bauen und wiegt deutlich weniger als ein Fenster mit Dreifachverglasung (Bild 3 und 4). Außerdem erreicht Vakuumisolierglas je nach Beschichtung einen U-Wert bis 0,3 W/m2K. Dieser Wärmedurchgangskoeffizient für Isolierverglasungen dient bei Wärmedämmmaßnahmen als Nachweis nach der neuen und auch schon zukünftigen Energieeinsparverordnung (EnEV). GFK dagegen bietet wegen seines geringen Gewichts und seiner hohen mechanischen Festigkeit viele Vorteile gegenüber Baustoffen wie PVC, Stahl, Aluminium oder Holz. Es ist korrosionsbeständig, thermisch isolierend, langzeitstabil, energieeffizient bei der Herstellung und mit geeigneten Additiven oder Beschichtungen (z.B. Brandschutzfolien) schwer entflammbar (Bild 5). Stoffschlüssige Verklebung mit VHB Klebeband
Bei der Herausforderung, dem GFK-Rahmen die nötige Steifigkeit zu geben, haben die Forscher auf die Expertise des Klebstoffspezialisten 3M gesetzt. »Bei der Konstruktion des Fensters der Zukunft spielt das doppelseitige VHB Structural Glazing Klebeband eine wichtige Rolle, denn wir kleben das Glas mit dem umlaufenden Hochleistungsklebeband stoffschlüssig auf den GFK-Rahmen. Damit sichert es eine im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen ausgesprochen steife und widerstandsfähige Verbindung bei geringem Gewicht«, sagt Dr. Christian Lüken vom Team von Prof. Rogall. Bei den Ultralight-Fenstern absorbiert das VHB Klebeband die Windsog- und Winddruckkräfte sowie thermische Ausdehnungsdifferenzen auf hohem Niveau. »VHB steht für Very High Bond und damit für Verbindung höchster Belastbarkeit«, erklärt Wilfried Recht, 3M Anwendungstechniker für Klebstoffe und Klebebänder im Industriebereich (Bild 6). »Das in Ultralight eingesetzte Produkt liefert eine sofortige hohe Verbundfestigkeit, es besteht aus einem aufgeschäumten Acrylat-Haftklebstoff und ist beständig gegen Umwelteinflüsse wie Kälte, Hitze, Feuchte und UV-Licht. Aufgrund seiner Viskoelastizität kann es mühelos Windlasten, Stoßbelastungen und Schwingungen widerstehen.« Alle Materialien bieten also ideale Voraussetzungen für ein innovatives Fenstersystem, für das sogar ein neues Öffnungskonzept als Kontrapunkt zum klassischen Dreh-Kipp-Mechanismus erdacht wurde. Der nach außen öffnende Senk-Klapp-Wendemechanismus orientiert sich an den Folgen des Klimawandels und den damit zunehmenden Tagen mit starkem Winddruck (Bild7). Neue Möglichkeiten für Architekten
Das Ergebnis der Forschungsarbeit ist ein filigranes, ultraleichtes und schlankes Fensterprofil, das in Zukunft eine stilgerechte Lösung bei der energetischen Sanierungen ohne die heutige Mehrfachverglasung ermöglicht. Außerdem ist der Nachweis gelungen, dass mit weniger Material eine hervorragende Funktionalität bei einem gleichzeitig ansprechenden Design erzielt werden kann und die Möglichkeiten des konstruktiven Klebens vielfältig sind. Bis zur Marktreife des Ultralight-Fensters ist es allerdings von der bauaufsichtlichen Zulassung und einer VIG-Scheiben-Produktion in Europa noch ein weiter Weg. Bis dahin wird das Dortmunder Forschungsteam das auch von der Politik vielbeachtete Projekt Ultralight weiter vorantreiben und mit seinem Kooperationspartner 3M weitere gewichtsreduzierende Klebe- und Dichtungslösungen für das Fenster der Zukunft entwickeln (Bild 8).
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