17.06.2014 Frank Kaltenbach

Unvollendet? – Die Architerkturbiennale von Rem Koolhaas

Eine Biennale wollte er machen, bei der nicht die Architekten im Mittelpunkt stehen, sondern die Architektur. Doch wo ist zukunftsfähige Architektur zu sehen in Venedig? Dass einmal nicht die großen Stars und ihre Landmarken in den Vordergrund gestellt werden, ist an sich lobenswert. Rem Koolhaas aber zeigt überhaupt keine Bauten – auch nicht von jungen innovativen Büros und auch nicht Bottom Up-Projekte des »Social Design« aus Afrika, Südasien oder Lateinamerika. So promotet die 14. Architekturbiennale nur einen Architekten – ihren Direktor Rem Koolhaas.

Ort: Venedig, Italien
Dauer: 7. Juni 2014 - 23. November 2014

Fotos: Frank Kaltenbach

»Elements« in den Giardini
Der einstige Prophet des Konzeptuellen zerlegt die Sprache der Architektur in einzelne Vokabeln, das Gebäude ganz physisch in seine banalen Einzelteile: Treppen, Rolltreppen, Türen, Fenster, Dächer, Gebäudeheizung etc. und wird damit zunächst seinem Ruf gerecht: Immer alles gedanklich bis auf den Grund zu durchdringen. Im Sinne eines pars pro toto ein legitimer Ansatz. Wenn die Summe der Einzelteile aber kein Ganzes ergibt, wenn die Auswahl der Fragmente nicht exemplarisch, sondern beliebig ist, entsteht keine Enzyklopädie, sondern ein Telefonbuch mit herausgerissenen Seiten. »Elements of Architecture« nennt Koolhaas die Hauptausstellung seiner Biennale, der er den Titel »Fundamentals« gegeben hat.

Auf seine Grundlagen, die Fundamente, will der Holländer die Architektur zurückführen, dem Publikum eine Verschnaufpause gönnen in der sich immer schneller drehenden Medienspirale, die von Architekturbiennalen oft noch beschleunigt wird. Doch will Koolhaas wirklich zur Besinnung aufrufen oder fällt ihm einfach nichts mehr ein, wie sein Kollege und einstiger »Schüler« Winy Maas bei der Eröffnung argwohnt?

Foto: Frank Kaltenbach

Zurück zu den »Elements«: Alles fängt sehr vielversprechend an. Auf eine Inszenierung der Fassade des zentralen Pavillions, des ehemaligen »Padiglione d’Italia« verzichtet die Szenografie zugunsten des eindrucksvollsten Raums der gesamten Ausstellung: die Eingangsrotunde. Der prunkvolle Dekor der bisher unscheinbaren Kuppel ist neu restauriert. Das Aufkommen jeglicher feierlicher Gefühle durchschneidet aber jäh der angeschnittene Aufbau einer hochinstallierten Rasterdecke als Sinnbild der Moderne, unter der wir in den angedunkelten Kinosaal eintauchen (Abb.1). Das Bild ist stark, der Kontrast brilliant herausgearbeitet, aber was ist die Aussage? Zeitgemäße nachhaltige Bürogebäude werden in Mitteleuropa schon lange nicht mehr derart mit Haustechnik-Kanälen aufgerüstet!

Fotos: Christian Schittich

Eigentlich hätte das Konzept Potenzial – aus innovativen Neuentwicklungen einzelner Bauteile den Wandel der Gesellschaft und der Architekturgeschichte abzuleiten. Ist das plötzliche Auftreten des Korridors mit Einzelzimmern in der Renaissance ein Spiegel der gesellschaftlichen Veränderung zu einem verstärkten Individualismus?

Stephan Trüby thematisiert das in seiner ausgestellten Dissertation. Unterschiedliche hölzerne Fensterrahmen des englischen Bauforschers Charles Brooking sind wie Bilder an einer der Wände aufgehängt: Zeigt deren Vielfalt, wie normiert und begrenzt unser heutiges Spektrum industriell gefertigter Fassaden ist?

Foto: Frank Kaltenbach

Foto: Christian Schittich

Foto: Frank Kaltenbach

Eine nachgebaute Feuerstelle aus der Steinzeit steht einem englischen dekorativen »Fireplace« und einer Decke aus Infrarotstrahlern gegenüber: Welche Bedeutung hat die Trennung von »Fire« und »Place« sprich Kommunikation auf unser Leben? Für Frank Lloyd Wright war der Kamin, für Heinrich Tessenow die Treppe das »Herz des Hauses«. Wo ist sein Mittelpunkt im Passivhaus mit Aufzug, Mikrowelle und Wlan?

Foto: Frank Kaltenbach

Ärgerlich wird die Ausstellung allerdings, wo die Exponate unreflektiert wie die Produktpräsentationen der Hersteller auf Baumessen gezeigt werden: Reihen unterschiedlicher Türklinken und Fassaden-Mock-Ups aus Glas, Holz und Keramik. Schade, dass komplexe Themen wie Türen und Eingänge oder Dächer auf Einzelaspekte reduziert werden: Den 14 massiven Toren einer mittelalterlichen Burg steht ein offener Torbogen heutiger Sicherheitschecks mit Bodyscan gegenüber.

Foto: Christian Schittich

Foto: Christian Schittich

Foto: Frank Kaltenbach

Lieblos die Präsentation der originalen Planschränke von Friedrich Mielke, der Jahrzentelang über die Treppe geforscht hat.

Fotos: Christian Schittich

Interaktiver Boden: Der Dancefloor einer Rotterdamer Diskothek erzeugt bei Aktivierung Strom (links), Der »Sensofloor« ist in der Lage, Informationen wie den Aufenthalt von Personen zu messen und an eine Zentrale weiterzuleiten.

Als Pendant zur abgehängten Decke über der Eingangskuppel, wird die Geschichte des aufgeständerten Bodens als Auftakt zum zentralen Raum thematisiert (rechts).

Fotos: Frank Kaltenbach

Der Hauptraum im Obergeschoss widmet sich dem Balkon. Von hier hat man durch die Replik einer Muscharabia den gefilterten Blick zurück in den abgedunkelten Kinosaal.

Foto: Frank Kaltenbach

weitere Informationen:
www.labiennale.org


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Eine ausführliche Print-Dokumentation finden Sie in unserer aktuellen Ausgabe
DETAIL 2014/7+8 zum Thema »Fassaden«
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