Vermeidung von Konfliktsituationen: Handlungsempfehlungen und Checklisten

Bei der Sanierung und Modernisierung von Wohnbauten – insbesondere im bewohnten Zustand – sind Auseinandersetzungen zwischen den Planungs- und Baubeteiligten oftmals vorprogrammiert. Ob aus der Sicht als Bauherr, Planer, Handwerker oder Mieter, jeder kennt die Konfliktsituationen, die in aller Regel auf fehlender Information und Kommunikation, Termin- und Kostendruck basieren. Mit dieser Problemstellung und ihrer Lösung beschäftigt sich Prof. Dr.-Ing. Peter Racky mit seinem Team seit über 12 Jahren an der Universität Kassel. Ihre von der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung unterstützte Studie erarbeitete Best-Practice-Strategien für eine kooperationsorientierte Projektabwicklung unter Einbeziehung aller Planungsbeteiligter und Nutzer.

(Foto: Kalle Kolodziej - Fotolia.com)

Die besondere Konfliktanfälligkeit bei Planungs- und Bauprozessen ist kein Phänomen neuzeitlicher Großprojekte mit funktionalen Pauschalverträgen, sondern eine systemimmanente Problematik. „Wenn die Vertragsunterlagen für Bauaufträge auch noch so ausführlich ausgearbeitet sind, so entstehen während der Bauausführung oder über die Abrechnung von Bauten oftmals Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauherrschaft und Baufirma, weil selten ein Bau genau so ausgeführt wird, wie es vorher geplant war und die Bauherren oder deren Architekten bzw. Ingenieure die Pläne, Ausführungsart und Ausstattung abändern. Die Baufirma glaubt Anspruch auf Bezahlung der Mehrkosten zu haben, während der Bauherr der Meinung ist, dass er die Veränderungen und Mehrkosten nicht besonders zu vergüten braucht,” zitiert Racky aus dem Band „Musterbetriebe deutscher Wirtschaft“ von 1931.

Struktur der Wohnbauleistungen in Deutschland zu jeweiligen Preisen in Mrd. Euro (Quelle: DIW)

Konfliktquellen und Lösungsansätze
Die Ursachen liegen insbesondere in der hohen Dynamik hinsichtlich Änderungen und unerwarteten Ereignissen bei der Abwicklung von Bauprojekten. Erweiterungen und Umbauten weisen erfahrungsgemäß ein noch höheres Maß an Störungen im Realisierungsprozess und erfordern somit größere Koordinierung. Bei Modernisierungsmaßnahmen von Wohnimmobilien im laufenden Betrieb kommen zudem noch zusätzliche Konfliktpotentiale mit den Mietern und Nutzer hinzu. In Deutschland macht der Anteil des Wohnungsbaus gegenwärtig mehr als die Hälfte an der gesamten Bauleistung aus. Davon sind zwischen 75 bis 80 Prozent Bestandsimmobilien, so dass sich eine Analyse dieses Bereichs als elementar darstellt. Untersucht wurden in der Studie der Universität Kassel bewohnte Großobjekte von Genossenschaften und anderen Trägern des Wohnungsbaus. Eine Hauptquelle für Konflikte sind eine mangelhafte Vorbereitung und Planung der Bauausführung. „Nicht nur das „Was“ gebaut wird, sondern das „Wie“ muss genau definiert werden“, beschreibt Peter Racky das optimale Vorgehen. So könne eine detaillierte Leistungsbeschreibung, die nicht nur die Bauleistung, sondern auch die Rahmenbedingungen festlegen, den Projektablauf auch bei auftretenden Störungen positiv unterstützen. Hier ist auch der Umgang mit Mietern oder Nutzern zu beachten. Gerade bei bewohnten Immobilien fehlt oftmals eine kontinuierliche Mieterbetreuung von der Planung bis zur Fertigstellung.

Analysierte Aspekte im Modernisierungsprozess bei Wohnimmobilien (Quelle: Racky/Federowski, Universität Kassel)

Neben den technischen Randbedingungen besitzen große Modernisierungsprojekte im Wohnbau eine hohe Komplexität. Die kleinste zu planende Einheit ist bei Wohnimmobilien die einzelne Wohnung. Davon ausgehend müssen die Bauleistungen in Kleinstarbeiten zerstückelt und in ein enges zeitliches und räumliches Raster gegliedert werden. Zudem überlagern sich in der Praxis häufig verschiedene Modernisierungs- bzw. Sanierungsansätze wie energetische Ertüchtigung, Barrierefreiheit oder Wohnwertsteigerung. In Summe hat dies zur Folge, dass sehr viele unterschiedliche Gewerke zeitgleich auf der Baustelle vor Ort sind. Damit erhöht sich nicht nur die Komplexität, sondern die Organisation muss sehr kleinteilig koordiniert und realisiert werden. Als Grundlage für eine kooperationsorientierte Projektabwicklung wird in erster Linie eine Sensibilisierung aller am Prozess Beteiligten definiert – vom Bauherrn über Planer bis hin zu Bauausführenden und Nutzer. In den verschiedenen untersuchten Objekten zeigte sich, dass sich eine Teamentwicklung positiv auf den Realisierungsprozess auswirkt. Wenn jede der involvierten Parteien den ökonomischen und ressourcenschonenden Nutzen erkennt, lassen sich gemeinsame Ziele und Vorgehensweisen festlegen, die eine möglichst reibungslose Ausführung gewährleisten und die Effizienz steigern. Genaue Planungsvorgaben, Entscheidungsvorlagen und schnelle Reaktionen sowie das frühzeitige Einbindung des Bauausführenden tragen zum Gelingen des Projekts bei.

Mieterbetreuung als Projektmanagement-Prozess (Quelle: Federowski, Universität Kassel)

Optimiertes Standard-Modell der Mieterbetreuung im Planungs- und Bauprozess (Quelle: Federowski, Universität Kassel)

Baukasten: Handlungsempfehlung und Checklisten
Als Ergebnis der Studie hat das Team der Universität Kassel 29 Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, die in den unterschiedlichen Prozessphasen wie beispielsweise Ausschreibung und Vergabe, Baustelleneinrichtungsplanung, Detailablaufplanung, Informations- und Besprechungswesen oder Leistungsänderungs- und Entscheidungsmanagement den Ablauf positiv unterstützen. Neben beispielhaften vertraglichen Regelungen umfassen die Empfehlungen Checklisten und Musterabläufe für die einzelnen Teilprozesse. Für bewohnte Immobilien haben sich dabei insbesondere die Maßnahmen zur Mieterbetreuung vor und während der Bauzeit bewährt. Neben einem Beschwerdemanagement sind hier u.a. Umzugsbetreuungen, Informationsveranstaltungen, die Bereitstellung von Provisorien während der Sanierungs- oder Reinigungsarbeiten in den Wohnungen bis hin zu Verhaltensregeln für Handwerker festgehalten.

Checklisten mit Handlungsempfehlungen: Mieterbetreuung und Maßnahmen in den bewohnten Wohnungen (Quelle: Racky/Federowski, Universität Kassel)

„Ob man das ganze Sinfonieorchester auspackt oder nur Blockflöte spielt“, fasst Peter Racky zusammen, „bleibt letztendlich dem Bauherrn überlassen.“ Er sieht die Studienergebnisse als eine Art Instrumentenkoffer, aus dem nach Bedarf und Baumaßnahme zu wählen ist. Zusammengefasst sind Analyse und Handlungsempfehlungen des Forschungsvorhabens als Band 102 der Reihe „Bauforschung" des Fraunhofer IRB Verlags erhältlich. Weitere Informationen:  Forschungsinitiative Zukunft BAU
Zur Person Prof. Dr.-Ing. Peter Racky ist Leiter des Fachgebiets Baubetriebswirtschaft im Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen an der Universität Kassel. Dort ist er seit 2013 weiterhin Chief Construction Officer (CCO). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der innovativen Abwicklungsformen und kooperationsorientierten Vertragsmodelle für Bauprojekte sowie der prozessorientierten Projektabwicklung im Hochbau. Racky studierte Bauingenieurwesen an der TU Darmstadt und promovierte 1997 am Institut für Baubetrieb. Im Anschluss war er für die Hochtief Construction AG, Niederlassung Düsseldorf, tätig. Seit 2002 ist er als Universitätsprofessor in Kassel beschäftigt. Peter Racky ist Mitherausgeber des Buches „Partnering in der Bau- und Immobilienwirtschaft“ (Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2008).

Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Peter Racky, Universität Kassel, im Rahmen der fünfteiligen Veranstaltungsreihe „Die Zukunft des Bauens“, veranstaltet von DETAIL research und der Forschungsinitiative Zukunft Bau des BMUB und BBSR am 26. Juni in München zum Thema "Modernisierung des Wohnungsbestands“.
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