26.07.2013 Cordula Vielhauer

Vielfalt in Serie: Das Penrose-Parkett als Planungsgeometrie im Städte- und Wohnungsbau

Die serielle Produktion als Errungenschaft der Industrialisierung ist einer der Grundpfeiler der Moderne. Doch während „die Moderne“ in Europa einem stetigen kritisch-reflexiven Entwicklungsprozess ausgesetzt ist, scheint diese Auseinandersetzung in Asien zu fehlen. Dort würden „westliche städtebauliche Ansätze mit all ihren Fehlern und Schwächen adaptiert“. Dies meint zumindest der aus der Schweiz stammende Architekt Pascal Berger, der kürzlich im Rahmen eines Symposiums an der TU Graz zum Thema Hohe Dichte und Wohnkomfort sprach und dabei das Penrose-Parkett als geometrische Grundlage städtebaulicher und architektonischer Planung vorstellte. Dessen faszinierende Eigenschaft: Es ist gleichzeitig variabel und seriell einsetzbar.

Penrose-Parkett in der Anwendung im Städte- und Wohnungsbau, Bild: Playze

Pascal Berger ist Gründer des Architekturbüros Playze und Direktor des Shanghai Study Centre der Universität Hong Kong HKU. In seinem Vortrag in Graz zeigte er die Planungsansätze auf, mit denen die Verantwortlichen Chinas Städteexplosion in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar quantitativ einigermaßen in den Griff bekamen, die jedoch häufig zu einer bedrückenden Monotonie bis hin zur „urbanen Wüstenei“ geführt hätten. Die in seinem Büro entwickelten Projekte basierten hingegen auf Strukturen, die das unendlich variable „Penrose-Parkett“ zur Grundlage haben. Dieses Muster wendet er in unterschiedlichen Maßstabsebenen – vom Städtebau bis zum Wohnungsgrundriss an.

Grundmodule"Kite" und "Dart" des Penrose-Parketts, Bild: Playze

Konstruktions- und Variationsmöglichkeiten auf Grundlage des Penrose-Parketts, Bild: Playze

Das Penrose-Parkett wurde 1974 von dem britischen Physiker Robert Penrose entdeckt beziehungsweise erfunden: Es besteht aus zwei unterschiedlich geneigten Parallelogrammen, so genannten „Drachen“ und „Pfeilen“ („Kites“ und „Darts“). Das Faszinierende daran ist, dass man diese Elemente anhand weniger Regeln so anordnen kann, dass sie eine unendlich große Fläche mit unendlich vielen Variationen an Mustern bedecken, ohne dass sich einzelne Ausschnitte wiederholen. Normalerweise definiert sich die Logik eines Musters ja gerade dadurch, dass es sich wiederholt, es ist symmetrisch und periodisch. Doch diese endlose Repetition kann auch ermüden. Die Monotonie, die Berger an vielen modernen Siedlungen im asiatischen Raum identifiziert, ist ja gerade das Ergebnis solcher Wiederholungen. Das Penrose-Parkett ist hingegen nicht symmetrisch und nur „quasiperiodisch“. Doch da alle Seiten beziehungsweise Linien der „Kites“ und „Darts“ gleich lang sind, kann hier trotzdem mit standardisierten Elementen gearbeitet werden – ein großer Vorteil in der architektonischen Planung und Konstruktion.

Variationsmöglichkeiten auf Grundlage des Penrose-Parketts: Städtebau / Wohnungsbau, Bild: Playze

Ein weiterer Vorteil ist laut Berger die große Anpassungsfähigkeit der Penrose-Struktur an unterschiedliche Grundstücksgeometrien. Dadurch können auch unregelmäßig geformte Bauplätze mit hoher Flächenausnutzung beplant werden – ein weiterer Vorteil, gerade in den dicht bebauten asiatischen Megametropolen, wo jeder Quadratzentimeter Bauland kostbar ist. Für die chinesische Metropole Xi’an hat Berger einen Wohnungsbau entworfen, der auf diesem Muster basiert: das Penrose-Project. Konstruktiv baut es auf einem Standard-Stab auf. Dadurch können sowohl vorfabrizierte Elemente als auch einheitliche, mehrfach verwendbare Beton-Schalungen eingesetzt werden. Räumlich interessant sind auch die zahlreichen unterschiedlichen Grundrisse, die sich mit dieser Geometrie verwirklichen lassen.

Ob solche sich selbst genügenden Strukturen, die zunächst unabhängig von vorhandenen Stadträumen, Topografien und menschlichen Handlungsmustern entwickelt wurden, am Ende tatsächlich Wohnquartiere entstehen lassen, in denen sich Menschen wohlfühlen, wird sich erst noch zeigen. (Cordula Vielhauer)

Weitere Informationen:
Komfort trotz Dichte? Entwurfsstrategien für asiatische Megacities
Vertikale Nischen: Miniwohnungen in Megacities von Gary Chang

Symposium High Density and Living Comfort der TU Graz

Mögliche Wohnungsgrundrisse auf Grundlage des Penrose-Parketts, Bild: Playze

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