27.11.2012 popp@detail.de

Werkbundsiedlung Wien 1932 - Ein Manifest des neuen Wohnens

Im Sommer 1932 gab es am westlichen Stadtrand Wiens die "größte Bauausstellung Europas" zu sehen. Die Werkbundsiedlung in Lainz war eine internationale Leistungsschau des modernen Wohnbaus und ein Manifest des Neuen Wohnens. Sie entstand als soziale und ästhetische Utopie von einem besseren Leben aus dem Geist der Moderne – mitten in einer wirtschaftlichen Krise, als sich die politische und kulturelle Verengung der folgenden Jahre bereits abzeichnete. 80 Jahre nach der Eröffnung der Werkbundsiedlung werden erstmals die historischen, sozialkritischen und kulturpolitischen Hintergründe der Wohnschau beleuchtet. Ort: Wien Museum, Karlsplatz 8, A-1040 Wien
Dauer: 6. September 2012 bis 13. Januar 2013

Die Werkbundsiedlung am Eröffnungstag, 4. Juni 1932, Foto: Albert Hilscher
© Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung

Die Wiener Werkbundsiedlung war – wie die bahnbrechende Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1927 – eine internationale Leistungsschau, an der auch Architekten aus Frankreich (André Lurçat), Deuschland (Hugo Häring), den Niederlanden (Gerrit Rietveld) und den USA (Richard Neutra) beteiligt waren. Die überwiegende Mehrzahl stammte jedoch aus Österreich, die Werkbundsiedlung präsentierte modernes Wohnen aus Wiener Perspektive. Bemerkenswert ist, dass drei Generationen von heimischen Architekten zur Mitarbeit eingeladen wurden. Neben „Altmeistern“ wie Adolf Loos und Josef Hoffmann konnten sich Josef Frank, Oskar Wlach, Ernst Lichtblau oder Oskar Strnad präsentieren, aber auch jüngere Architekten wie Anton Brenner, Ernst Plischke, Oswald Haerdtl und Walter Loos erhielten ihre Chance. Nur eine einzige Frau war vertreten: Margarete Schütte-Lihotzky.  Initiator und Namensgeber der Werkbundsiedlung war der 1912 nach deutschem Vorbild gegründete Österreichische Werkbund. Sein Ziel war es, zeitgemäße Gestaltung in der Warenproduktion durchzusetzen, was durch das Zusammenspiel von Architektur, Kunsthandwerk und Industrie erreicht werden sollte. Die Projektleitung übernahm Josef Frank, maßgeblicher Vertreter der gemäßigten Wiener Architektur der Zwischenkriegszeit. 

Blick auf die Werkbundsiedlung von Süden, im Hintergrund der Rote Berg, 1932, Foto: Martin Gerlach jun.
© Wien Museum

Modell der Werkbundsiedlung im Maßstab 1:100, 2012, gebaut von Studierenden der TU Wien, Institut für Kunst und Gestaltung/Abteilung Plastisches Gestalten und Modellbau, Foto: Augustin Fischer
© Wien Museum

Ausstellungsraum Wien Museum, Foto: Wolfgang Thaler

Die Musterschau präsentierte 70 vollständig eingerichtete Häuser, jedes hatte einen rund 200 m² großen Garten. 30 verschiedene Siedlungshaustypen boten auf kleiner Grundfläche maximalen Wohnkomfort, die Wohnfläche variierte zwischen 57 und 126 m². Alle Häuser waren bunt gestrichen, hatten ein Flachdach, besaßen Terrassen und teils Balkone. Die Wohnräume orientierten sich zum Garten hin, gelegentlich gab es Kammern für das Dienstpersonal.
Keine Ausstellung hatte zuvor so viele eingerichtete Musterhäuser gezeigt. Die Werkbundsiedlung bot nicht nur den Architekten, sondern auch den österreichischen Einrichtungsfirmen eine Bühne. Rund 50 Gestalterinnen und Gestalter erarbeiteten vielfältige Vorschläge, wie man kleine Wohnräume rationell und nach unterschiedlichem Geschmack einrichten könnte. 

Reihenhäuser von André Lurçat, 1932, Foto: Martin Gerlach jun. © Wien Museum

Schlafzimmer in Haus 45 von Jacques Groag, 1932, Foto: Julius Scherb © Wien Museum

Die Wohnungsfrage war nicht nur eine ästhetische, sondern eine hoch politische. So versprach sich etwa Otto Neurath, ein führender Volksbildner der Sozialdemokratie, ein Wohnen mit „Glücksmaximum“. Die Häuser in der Werkbundsiedlung waren auf die Mittelschicht zugeschnitten, sollten aber in Zukunft auch für die Arbeiterschaft erreichbar sein. Doch die wirtschaftliche und politische Krise spitzte sich bereits zu, nach dem Ende der Ausstellung im August 1932 hatte man wegen der hohen Preise nur 14 Wohneinheiten verkauft. Der Rest wurde von der stadtnahen GESIBA vermietet. Hier lebten nun vor allem Beamte, Ingenieure, Künstler und Schriftsteller. Die nicht verkauften Häuser gingen 1938 ins Eigentum der Gemeinde Wien über.

Blick auf die Häuser 17 bis 24 von Karl Augustinus Bieber / Otto Niedermoser, Walter Loos, Eugen Wachberger und Clemens Holzmeister; links im Bild das Kaffeehaus, 1932, Foto: Martin Gerlach jun. © Wien Museum

Wohnraum in Haus 45 von Jacques Groag, 1932, Foto: Julius Scherb, © Wien Museum

Wohnraum im Haus von Josef Frank, 1932, Foto: Martin Gerlach jun. © Wien Museum

Ausstellungsraum Wien Museum, Foto: Wolfgang Thaler

Begleipublikation
"Werkbundsiedlung Wien 1932: Ein Manifest des Neuen Wohnens", Müry Salzmann Verlag, 302 Seiten, 39,0 Euro

Öffnungszeiten Wien Museum

Dienstag bis Sonntag & Feiertag, 10 bis 18 Uhr
Montag, 24. Dezember 2012: 10 bis 14 Uhr
Geschlossen: 1.1., 1.5. und 25.12.

Eintritt
Erwachsene: 8 € Ermäßigt 6 €,  Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre - Eintritt frei!
Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!
Führungen finden am Sonn- und Feiertagen jeweils um 15 Uhr statt.

Ausstellungsplakat für die Werkbundsiedlung, 1932, Entwurf: Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum
© Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv

80 Jahre nach der Eröffnung der Werkbundsiedlung werden erstmals die historischen, sozialkritischen und kulturpolitischen Hintergründe der Wohnschau beleuchtet, aber auch die konfliktreiche Vorgeschichte und das Danach. Neben bisher unbekannten Zeichnungen, Fotografien und Plänen sowie originalen Möbeln wird auch ein für die Ausstellung gefertigtes Gesamtmodell der Siedlung gezeigt. Ein weiteres Highlight ist die Rekonstruktion eines Zimmers aus der Werkbundsiedlung. Themen sind auch die ersten BewohnerInnen und die Probleme der Erhaltung – bis hin zur aktuellen Sanierung durch die Stadt Wien.

Begleitprogramm Im Rahmen der Ausstellung findet vom 29. bis zum 30. November 2012 eine Tagung "Wie Wohnen. Beziehungen zwischen Wohnmodellen, Vorbildern und BewohnerInnen" statt. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten: service@wienmuseum.at
Am 10. Januar um 18.30 Uhr findet eine Diskussion "Einfamilienhaus, Siedlung, Superblock - Kontinuität und Fehlentwicklungen von 1932 bis heute" statt.
Mit Bettina Goetz (ARTEC Architekten), Gabu Heindl, Wolfgang Kos (Wien Museum), Reinhard Seiß (Raumplaner, Publizist). Der Eintritt ist frei!
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