12.03.2012 Frank Kaltenbach

ADAC Hauptverwaltung München Sauerbruch Hutton

Die Hauptverwaltung des ADAC ist nicht nur das jüngste Bauwerk von Sauerbruch Hutton in München, es ist durch seine Höhe von 23 Geschossen auch das markanteste im Stadtraum. 111.000 Quadratmeter BGF sind in dem fünfgeschossigen Sockel und dem balancierend aufgesetzten 18-geschossigen Turm untergebracht. Der differenzierte Baukörper schafft einen hohen Anteil fensternaher Arbeitsplätze, nimmt die Struktur der Umgebung auf, positioniert das ADAC-Gelb selbstbewusst, aber unaufdringlich im Stadtraum.

Frank Kaltenbach, München

Bereits 2004 hatten Sauerbruch Hutton den Wettbewerb bewonnen, die Bauarbeiten begannen 2007 und dauerten bis Ende 2012 an. Die charakteristische sternförmige Konfiguration des Sockelbaus bildet das Pendant zu der im Grundriss ebenfalls gezackten Bebauung auf dem gegenüber liegenden Grundstück. Bei der Fassadenplanung war von Beginn an vorgesehen, das Gelb als wichtigsten Baustein des Corporate Design zu thematisieren und der Gebäudehülle eine vielschichtige Tiefe zu verleihen.

Frank Kaltenbach, München

Die Logik der Figur ergibt sich aus den zwei unterschiedlich charakterisierten Begrenzungen des Grundstücks: Auf der rechten Seite reflektiert die lange Gerade des Sockels die Bahntrasse mit den hohen Geschwindigkeiten des Zugverkehrs. Links das Quartier mit vielen Fußgängern, wo der Sockel hin und her schwingt und mit seinen Rundungen Passanten und Besucher in den geschwungenen Innenhof lockt.

Frank Kaltenbach, München

Das 18-geschossige Hochhaus scheint auf dem Sockel zu balancieren und bietet durch die Auskragung einen willkommenen optischen Halt über der langgestreckten Sockelfassade. Die Perspektiven wechseln beim Umrunden auf überraschende Weise und verleihen dem Bau die von den Architekten beabsichtigte Dynamik des Automobils.

Frank Kaltenbach, München

Aus nächster Nähe von unten nur schwer zu erkennen: Die Farbigkeit des Turms verändert sich von mehr gelb zu mehr blau von unten nach oben. Dennoch spürt man eine nach oben zunehmende »Transparenz« und Auflösung der Masse.

Frank Kaltenbach, München

Entsprechend den unterschiedlichen Baukörpern und Beanspruchungen sind auch die Fassaden in Sockel und Turm technisch und gestalterisch verschieden. Die Sockelfassade ist weiter unterteilt: Im Erdgeschoss und Teilen des 1. Obergeschosses, wo allgemeine Nutzungen wie Kantine, Beprechungsräume, oder die Ausstellungsflächen an die Fassaden stoßen sind die Gläser bedruckt und als »Structural Glazing« ohne sichtbare Pfosten ausgeführt. Das Bedruckungsmuster zeigt den Grundriss en miniature in unterschiedlichen Grün- und Gelbtönen.

Frank Kaltenbach, München

Die Bürofassaden des Sockels dagegen sind als von außen erkennbare Pfosten-Riegelkonstruktion ausgeführt. Festverglasungen wechseln sich ab mit opaken Öffnungsflügeln, die eine nartürliche Lüftung erlauben. In den Stahlbetondecken ist eine Bauteilaktivierung integriert, die von Radiatoren an den Fassaden unterstützt wird. Um deren Wirkung nicht zu stark zu beeinträchtigen wurde auf abgehängte Decken verzichtet, für die  Raumakustik ist ein Akustikputz auf die Rohdecken aufgebracht.

Frank Kaltenbach, München

Die Turmfassade hat schon wegen der erhöhten Windlasten erhöhte Anforderungen, außerdem sollte am Turm das Firmenlogo und das ADAC-Gelb bei Tag wie bei Nacht gut sichtbar sein. Wie noch im Modell ersichtlich, wollten die Architekten ursprünglich die Turmfassade über die Sockelfassade des Innenhofs weiterlaufen lassen und so eine reizvolle vieldeutigere Beziehung zwischen Turm und Sockel erzeugen. Bei anderen Verwaltungsbauten von Sauerbruch Hutton wie dem Cologne Oval Office in Köln oder dem KfW- Bauten in Frankfurt haben die Architekten dieses Prinzip der verbindenden Hülle realisiert. Aus Einsparungsgründen haben die Bauherren sich beim ADAC für eine strikte Trennung entschieden, so ist die Innenhoffassade des Sockel identisch mit seiner gebänderten Perimeterfassade – der Turm wirkt eindeutig aufgesetzt durch seine facettierte Elementfassade.

Frank Kaltenbach, München

»Alle Wege führen zum ADAC«. Wie selbstverständlich wird der Besucher an den gerundeten Kanten des Sockelbaus  den Innenhof gelenkt, von wo man schließlich die großzügige Glashalle erreicht. Sie ist auf zwei Geschossen die Verteilerplattform in die sechs Abschnitte des Gebäudekomplexes.
Die Älteren werden sich fühlen wie die Kugel an den Banden eines Flipperautomaten. Über Rolltreppen gelangt der Besucher links zum Büroturm, rechts auf eine große
Ausstellungsplattform. Die Halle wird von einer untergehängten Membrankonstruktion als Sonnenschutz verschattet. Sie dient als Lichtreflektor und ist in dynamisch geschwungenen Freiformbändern so konzipiert, dass trotz eines wirksamen Sonnenschutzes der Büroturm von der Halle aus in seiner ganzen Pracht zu sehen ist.

Eine wichtige Anforderung an die Turmfassade lautete, die natürliche Lüftung über Öffnungsflügel zu ermöglichen, gleichzeitig jedoch Zugerscheinungen zu vermeiden. Die Lösung bietet eine Elementfassade, die wie ein Kastenfenster aufgebaut ist: eine äußere Prallscheibe hält den direkten Winddruck ab, lässt die Luft in den Zwischenraum, von wo sie über einen Öffnungsflügel in die Büros gelangt. Um Zugerscheinungen durch den Druckunterschied gegenüberliegender Turmfassaden auszuschließen, ist in den Öffnungen ein Volumenstrombegrenzer eingebaut, der abhängig von den Druckverhältnissen geregelt werden kann – eine Innovation die beim ADAC zum ersten Mal in der Praxis eingesetzt ist.

Die facettenartige Farbgebung erreichen die Architekten, indem Farbstreifen über das Fassadenraster hinweg bis ins Nachbarelement durchlaufen. Die insgesamt drei Fassadenebenen geben der Gebäudehülle zusätzliche Tiefe: Die Ränder der äußeren Prallscheibe ist mit Siebdruck farbig beschichtet, im Fassadenzwischenraum liegt, witterungsgeschützt die Ebene der Sonnneschutzlamellen, die dritte Ebene bildet schließlich die thermisch wirksame Isolierfassade mit geschlossenen farblich beschichteten Randblechen.

Frank Kaltenbach, München

Eine besondere Herausforderung stellte die Beleuchtung des ADAC-Logos dar. Die Lösung brachten integrierte LED-Streifen, und eine gelbe Punktbedruckung der äußeren Prallscheibe.

Nur vom Turm aus und von den Dachterrassen des Sockels lässt sich der komplexe Baukörper in großen Teilen erfassen. Diese Bereiche sind jedoch nur für Mitarbeiter des ADAC zugänglich. Wer also den Baukörper in seiner Ganzheit verstehen möchte, besucht am besten bis zum 30. März 2012 die Ausstellung in der Architekturgalerie München und fährt anschließend zum Gebäude, um sich einen eigenen Eindruck von Materialität und Städtebau zu machen.
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