13.03.2014 Cordula Vielhauer

Architektur auf dem Seziertisch: Koolhaas’ Team dechiffriert für die Biennale 2014 die architektonischen Elemente

Bei der Präsentation der Teilnehmer und Themen der Architekturbiennale 2014 stellte Rem Koolhaas am 12. März 2014 in der italienischen Botschaft in Berlin sein dreiteiliges Programm vor. Unter dem übergreifenden Titel "Fundamentals" wird es vom 7. Juni - 23. November 2014 drei Ausstellungen mit den Themen "Elements of Architecture", "Monditalia" und "Absorbing Modernity: 1914-2014" geben. Dabei scheint gerade "Elements of Architecture" mit dem Fokus auf einzelne Bestandteile der Architektur ein großes Potenzial zu bergen für die Herausforderung: Wie kann man Architektur ausstellen?

Biennale-Direktor Paolo Baratta und der Kurator der Architekturbiennale 2014 Rem Koolhaas in Venedig, Foto: Giorgio Zucchiatti, Courtesy: la Biennale di Venezia

Was bedeutet es eigentlich, wenn von Karl Liebknecht bis Che Guevara politische Revolutionäre die Botschaft ihres Erfolges vom Balkon des früheren Herrscherhauses aus verkünden? Welche Rolle spielt der Balkon in diesem Moment für unser Selbstverständnis und unsere Geschichte? Auf der Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit positioniert, ist er zugleich Loge und Bühne auf dem Schauplatz des öffentlichen Lebens, dessen Spannungskurve in solchen Momenten ausschlägt. Was bedeutet es also, wenn solch ein Balkon erhalten wird, als Monument eines Moments, von den gleichen Personen, die das Schloss dazu in Schutt und Asche legen? Diese Fragen wird die diesjährige Architekturbiennale unter ihrem Kurator Rem Koolhaas vermutlich nicht erschöpfend beantworten, aber sie bereitet den Boden dafür, dass wir uns solchen Fragen wieder stellen.

Elements of Architecture: “Korridor” - Welbeck Abbey, Foto: Hans Werlemann, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Elements of Architecture: “Treppen” - Modelle im Friedrich Mielke Institut für Scalologie, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Elements of Architecture: “Wand”, zentraler Pavillon, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Elements of Architecture: “Fenster” - Testbereich Sobinco Fabrik, Belgien, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

„Fundamentals“ heißt Koolhaas’ Biennale, und sowohl im Titel als auch im Zeitraum, den er für sie beansprucht, klingt an, welch fundamentale Rolle er der Architektur für unsere Gesellschaft beimisst: Bereits am 7. Juni 2014, drei Monate früher als gewohnt, startet die Schau, die sich in ihren drei Teilen nicht allein auf Architektur beschränkt, sondern alle Künste einbeziehen will. So fokussiert die Ausstellung „Monditalia“ auf Italien – das Gastgeberland der Biennale steht sinnbildlich für eine reiche Tradition künstlerischen Schaffens. Neben Kunst und Architektur sind hier die weiteren Sektionen der Biennale – Tanz, Film, Theater, Musik – eingeladen, die Flächen des Arsenale zu bespielen. In ihrer räumlichen Anordnung ist die Ausstellung von einer Italienkarte aus dem 5. Jahrhundert inspiriert, die zufällig genau in den langen Schlauch der Corderie passt.

Elements of Architecture: “Dach” - Yingzhao Fashi recreation, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Elements of Architecture: Arbeitsmodell des zentralen Ausstellungsraums, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Für die zentrale Schau der Architekturbiennale mit dem Titel „Elements of Architecture“ hat Koolhaas ein Team aus Wissenschaftlern und Theoretikern zusammengestellt, das sich den elementaren Bestandteilen unserer Gebäude widmet: Boden, Wand, Balkon, Fenster, Tür, Korridor, Treppe... Die Architektur kommt bei Koolhaas auf den Seziertisch und wird hier in wissenschaftlicher Akribie erst in ihre Einzelteile zerlegt, dann analysiert und schließlich wieder in einen übergeordneten Kontext gestellt. Bei dieser wissenschaftlichen Arbeit – Biennale-Direktor Paolo Barrata spricht von einem Forschungsprojekt – geht es sowohl um formale und gestalterische Kategorien der Elemente – ihre Maße, Proportionen, Materialien – als auch um die Bedeutungsebenen im politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und alltäglichen Kontext. So wird aus einem banalen Bauteil wie dem Balkon plötzlich ein politisches Symbol; die Neigung einer Treppe erzählt uns nicht nur etwas über ihre Funktion, sondern wird im internationalen Vergleich zum Informationsträger kultureller Eigenschaften und Rituale; technischer Fortschritt manifestiert sich in der Entwicklung eines Fensters ebenso wie ein wachsendes Bedürfnis nach Sicherheit. Die Architektur wird hier als Medium betrachtet, über das wir unsere Geschichte und Geschichten ebenso kommunizieren wie unsere Werte. Mit der Entschlüsselung dieser Elemente soll der „Architekturdiskurs über die Grenzen seiner gewohnten Parameter hinaus erweitert und ein breites Publikum einbezogen werden in die Erforschung des Bekannten, des Verschwundenen und der visionären Dimensionen von Architektur“ (Koolhaas).

Monditalia: Corderie – Karte, Courtesy la Biennale di Venezia, Copyright Rem Koolhaas

Monditalia: Corderie – Axonometrie der Bühnen, Courtesy la Biennale di Venezia, Copyright Rem Koolhaas

Monditalia: Corderie – Längsansicht des Bühnenmodells, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Monditalia: Corderie – heilige Räume, Courtesy: la Biennale di Venezia, Copyright: Rem Koolhaas

Auch die Länderpavillons stellt Koolhaas für „Fundamentals“ unter ein gemeinsames Motto: „Absorbing Modernity: 1914-2014“ klingt etwas mehrdeutig, meint aber die Auflösung nationaler Eigenschaften und deren Ausdruck in der Architektur unter dem Einfluss der Moderne. Diesen Prozess darzustellen – auch in ihren Widersprüchen und teilweise verborgenen Gegenbewegungen – haben sich die Kommissare der einzelnen Länder zur Aufgabe gemacht. In dem deutschen Beitrag "Bungalow Germania" werden sich Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis dazu mit dem deutschen Biennale-Pavillon in Venedig und dem Kanzlerpavillon in Bonn auseinandersetzen.

"Absorbing Modernity 1914", Courtesy la Biennale di Venezia, Copyright Rem Koolhaas

"Absorbing Modernity 2014", Courtesy la Biennale di Venezia, Copyright Rem Koolhaas

Eine Liste der Teilnehmer des Beitrags "Elements of Architecture" finden Sie hier.
Eine Übersicht der Teilnehmer von "Monditalia" finden Sie hier.
Eine Übersicht der teilnehmenden Länder finden Sie hier. DETAIL Bericht: Architekturbiennale 2014 - Österreich zeigt Parlamentsgebäude
Weitere Informationen:
www.labiennale.org
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