13.06.2012 popp@detail.de

Auf den Spuren der Vorgänger - der Serpentine Pavillon in London

Autor: Heide Wessely Die Baseler Architekten Herzog & de Meuron und der chinesische Künstler Ai Weiwei sind die Gestalter des diesjährigen Sommerpavillons der Serpentine Gallery in Londons Kensington Gardens. Die renommierte Galerie beauftragt jedes Jahr innovative Architekten mit dem Bau, jedoch geht der Auftrag nur an Teilnehmer, die noch nicht in England gebaut haben. Denn der Gedanke ist, neue Ideen aus aller Welt auf die Insel zu bringen. 

Architekten: Herzog & de Meuron und Ai Weiwei
Ort: Serpentine Gallery, Kensington Gardens, London W2 3XA

Sommerpavillon der Serpentine Gallery in London, Herzog & de Meuron und Ai Weiwei, Foto: Heide Wessely

Zwar haben Herzog & de Meuron mit der Tate Modern und dem Laban Centre bereits Gebäude in England realisiert, noch nicht jedoch als Team mit Ai Weiwei. Erstmals arbeiteten sie beim 2008 fertig gestellten Olympiastadion „Bird's Nest“ in Peking zusammen. Der Auftrag für den Serpentine Pavillon wurde sechs Monate vor Eröffnung erteilt. Eine kurze Zeit für die Umsetzung einer großen Idee, wie sie bei dieser Aufgabe erwartet wird. Denn gesetztes Ziel der Serpentine ist es, Menschen für Architektur zu interessieren und zu begeistern. Seit Jahren gelingt das, die Besucherzahlen wachsen stetig und liegen mittlerweile bei knapp 300 000. 

Sommerpavillon der Serpentine Gallery, Herzog & de Meuron und Ai Weiwei, Foto: Iwan Baan

Auch in diesem Sommer ist der Bau wieder ein Publikumsmagnet. Er zog bereits am ersten Wochenende nach Eröffnung trotz schlechten Wetters ein breit gefächertes Publikum an. Der kleine Raum war dicht besetzt. Neben absoluter Begeisterung waren jedoch auch kritische Kommentare zu hören wie »kind of strange« (irgendwie seltsam), »gloomy« (düster) oder »just an earthhole« (nur ein Erdloch). Das mag daran liegen, dass das Designteam kein komplett neues und eigenständiges Projekt geschaffen hat, sondern mit den elf vergangenen Pavillons und deren unterirdischen Resten arbeitete. Wie Archäologen legten sie die Vorgängerbauten bis zum Grundwasserspiegel frei, nahmen die gefundenen Umrisse, Fundamente, Erdauffüllungen als Grundlage für Formen, die sie sich, wie sie selber sagen so nie hätten ausdenken können.

Studien zur Formfindung, Grafik: Herzog & de Meuron und Ai Weiwei.

Von Geländeebene aus wirken die im Pavillon umherlaufenden Menschen schemenhaft, wie Schatten, die durch die vergangenen Bauten huschen – ein gewünschter Effekt, der funktioniert. Auch der Blick auf die Dachfläche ist im Freien sitzend möglich. Sie besteht aus einer fast runden geschweißten Stahlblechwanne, in der sich das Regenwasser sammelt. Himmel, Wolken und Bäume spiegeln sich in der Fläche, doch reizt das Wasser auch zum Kühlen der Hände oder zum Bespritzen der Freunde. Für besondere Anlässe wie Tanzparties auf dem Dach kann das Wasser abgelassen werden. Durch einen Abfluss strömt es dann wie ein Wasserfall hinunter auf die tiefste Stelle im Inneren des Pavillons. Dort bleibt die rohe Erde in einer Dreiecksfläche sichtbar. Die Architekten haben sie »the well« getauft, Brunnen oder Quelle und wenn der Grundwasserspiegel ansteigt wird der Boden feucht.

Wasserfläche auf dem Dach des Pavillons, Foto: Heide Wessely

Entstanden ist ein in die Erde gegrabener Raum, der von Rampen, Stufen, Kanten durchzogen ist und eine ideale Umgebung zum Sitzen, Schauen und Liegen bietet. Elf Stützen wachsen aus den Fundamenten der elf Vorgängerbauten nach oben. Eine zwölfte Stütze setzt sich optisch von den anderen ab. Ihr oberer und unterer Anschluss sind sichtbar und symbolisieren den zwölften Pavillon. Sonst ist sie in Kork gehüllt, ebenso wie sämtliche anderen Stützen und Flächen des Innenraums. Das warme, haptische Material, dessen Oberfläche geflämmt ist, verströmt einen angenehmen Duft. Unmengen von Hockern in Form von Champagnerkorken dienen als Sitze, als Spielgerät oder als Material für Kunstobjekte. Sobald die Sonne zu scheinen beginnt, werden sie ins Freie getragen und dort zum Picknickplatz.

Sitzmöbel aus Kork, Foto: Heide Wessely

Insgesamt haben HdM und Ai Weiwei, mit dem nur über das Internet kommuniziert werden konnte einen haptisch, optisch und intellektuell ansprechenden Pavillon geschaffen, der vielleicht aus verschiedenen Positionen betrachtet werden und genauer studiert werden muss, um geschätzt zu werden.

www.serpentinegallery.org

Vogelperspektive und Grundriss des Sommerpavillons, Herzog & de Meuron und Ai Weiwei

Impressionen vom Innenraum

Fotos: Iwan Baan

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