19.11.2009

Bauen gruppendynamisch

In der Gemeinschaft zu bauen, ist in Deutschland schon lange eine beliebte Möglichkeit, den Traum vom eigenen Heim zu verwirklichen. Für die Bauherren versprechen Baugruppenprojekte eine Kostenersparnis zu herkömmlichen Eigentumsformen und für die Architekten ein mehr an Qualität und neue Kundenkreise. Wie das Bauen mit mehr als nur einem Bauherrn zum Erfolg wird, das haben wir Andreas Stahl und Sascha Zander gefragt, die bereits erfolgreich mit Baugruppen gearbeitet haben.
Baugruppen sind im Trend
Baugruppen, auch Bau(herren)gemeinschaften genannt, haben trotz Finanz- und Immobilienkrise Konjunktur. Ausgehend von ersten Projekten im Freiburger Vauban-Quartier und der Tübinger Südstadt in den 1990er Jahren entwickelte sich gemeinschaftliches Bauen zu einem ernstzunehmenden Faktor im städtischen Wohnungsbau. Nicht nur in der Hauptstadt wächst das Interesse – aktuell verzeichnet das „Wohnportal Berlin“ über 60 laufende Projekte – mittlerweile gibt es auch von offizieller Seite in jeder größeren, deutschen Stadt Unterstützung für Interessenten bei der Grundstücksuche oder dem Finden geeigneter Partner.
Auch Architekten haben längst diese Form des Bauens für sich entdeckt. Durch die direkte Zusammenarbeit mit den Nutzern spart sie Kosten und ermöglicht im besten Fall Gebäude, die sowohl die Handschrift des Architekten tragen, wie auch den Bedürfnissen der späteren Bewohner gerecht werden. Wie gelingt nun die Zusammenarbeit, wenn nicht nur ein Bauherr – selbst der kann schon für schlaflose Nächte sorgen – am Beratungstisch sitzt, sondern zehn oder mehr?
Organisation zwischen Architekt und Baugruppe

sc11 Wohnungsbau von zanderroth architekten

Andreas Stahl, Inhaber des Berliner Büros „Stahl + Partner“ und als Projektsteuerer für mehr als 20 Baugruppen tätig, gibt dazu folgenden Rat: „Architekturbüros sollten immer einen auf dem Gebiet erfahrenen Kollegen hinzuziehen, der den gesamten Bauprozess begleitet und die Zusammenarbeit zwischen Baugruppe und Architekten organisiert.“ Die Basis für eine erfolgreiche Kommunikation ist für ihn die alle vier Wochen stattfindende Gesellschafterversammlung. Von einem kürzeren Turnus rät er ab. Die zuvor versandte Tagesordnung stellt dabei einen strukturierten Ablauf sicher. Protokolle der Sitzungen bringen auch neue Mitglieder schnell auf den aktuellen Stand.
Von internen E-Mail-Verteilern hält Andreas Stahl nichts. „E-Mails sollte man verbieten. Sie sind nicht hilfreich, außer für die Gerüchteküche.“, meint er. Mit der Entscheidung, in einer Gruppe zu bauen, verbindet sich für die Bauherren oft der Wunsch nach Gemeinschaft und Mitgestaltung. Auch für Andreas Stahl ist die Projektsteuerung für Baugruppen neben der üblichen Kosten-, Termin- und Qualitätsüberwachung durch eine starke soziale Komponente bestimmt. Dazu sagt er: „Das Projekt läuft gut, wenn die Stimmung in der Gruppe gut ist. Dafür muss jeder mitgenommen werden.“ Er sieht deshalb für individuelle Gestaltungswünsche Einzelberatungen vor. Dafür sollten drei bis fünf Stunden ausreichen – mehr sei nicht hilfreich.
Die Mitgestaltung geht oft noch weiter. „Wir initiieren es richtiggehend, dass Arbeitsgruppen zu verschiedenen Gestaltungsfragen entstehen.“, sagt Andreas Stahl. Die Bauherren könnten sich dort zum Beispiel mit der Fassaden- und Grundrissgestaltung oder auch mit notwendigen Kosteneinsparungen befassen. Die beste Möglichkeit für eine Beteiligung sieht er aber woanders: „Vor allem die Gemeinschaftsräume sind Spielwiese und Identifikationsmöglichkeit für die Baugruppenmitglieder.“
Unproduktive Auseinandersetzungen?
Bei soviel Freiheit erscheint die Gefahr unproduktiver Auseinandersetzungen hoch. Welche Möglichkeiten gibt es, diese zu verhindern? Für ein Gelingen des Projekts müssen Architekt und Projektsteuerer ein gutes Team bilden und die Arbeit des jeweils Anderen anerkennen, meint Andreas Stahl. Außerdem sei Vertrauen zwischen den Mitgliedern wichtig. Das lässt sich nicht ausschließlich mit Verträgen herstellen. Um die zueinander passenden Charaktere zu finden, rät er zu einer einfachen Methode: „Die Baugruppe entsteht am besten durch Mundpropaganda, also persönliche Ansprache im Freundes- und Bekanntenkreis. So findet schon in der Startphase ein notwendiger Sortierprozess statt.“

Andreas Stahl

Nun sucht nicht jeder, der mit anderen gemeinsam baut, das große Gemeinschaftserlebnis und hat die Zeit für abendliche Arbeitsgruppensitzungen. Und ob Architekten die Gestaltungshoheit aus der Hand geben sollten, ist zumindest diskussionswürdig. Einen in diese Richtung gehenden, eher pragmatischen Ansatz verfolgt Sascha Zander, einer der Inhaber des Büros „zanderroth architekten“, das bereits preisgekrönte Baugruppenprojekte realisiert hat. Für ihn und seinen Büropartner Christian Roth ist vor allem der Kostenvorteil ausschlaggebend, um direkt mit den späteren Eigentümern zu arbeiten.
Einen Teil der Rendite aber, die sonst dem Bauträger zufällt, investiert Sascha Zander gern in die Qualität des Gebäudes. Diese sicherzustellen ist seiner Meinung nach Aufgabe des Architekten. „Gute Architektur funktioniert unserer Meinung nach nicht als kleinster gemeinsamer Nenner und kann nicht mit Mehrheit beschlossen werden.“, sagt er. Und weiter: „Das Gestaltungsmandat für Rohbau und Fassade liegt bei Projekten von „zanderroth“ bei den Architekten. Dafür erhalten die Bauherren völlige Freiheit innerhalb der Wohnung, indem auf tragende Innenwände verzichtet wird.“ Auch wenn damit dem Mitgestalten von Anfang an klare Grenzen gesetzt sind, empfiehlt Sascha Zander die gleichen Mittel für eine erfolgreiche interne Kommunikation wie Andreas Stahl - die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Projektsteuerer, eine monatliche Gesellschafterversammlung und individuelle Einzelberatungen der Bauherren in jeder Bauphase.
Wichtiger Beitrag für die städtische Gemeinschaft
Auch die vielzitierten Gemeinschaftsräume dominieren bei Gebäuden von „zanderroth architekten“ nicht den Entwurfsprozess. Dennoch sieht Zander Baugruppen als einen wichtigen Beitrag für die städtische Gemeinschaft. Da sie im Gegensatz zu herkömmlichen Projektentwicklern keine Maximalrendite erzielen müssten, könnten sie einen Teil der Kostenersparnis in öffentlichen Raum investieren. Sascha Zander: „Bei einem unserer Projekte wurde die Nordecke des Grundstücks nicht bebaut. Sie ist heute ein kleiner, städtischer Platz, dessen Pflege die Bauherrengemeinschaft bezahlt.“
Ob man sich die Baugruppe eher als soziales Erlebnis oder pragmatische Bauherrengemeinschaft wünscht, sollte man sich als Architekt vorher genau überlegen, möchte man die Chancen dieser Bauform nutzen. Auf die elementaren Regeln für die Zusammenarbeit mit den Bauherren kann aber in beiden Fällen nicht verzichtet werden. Werden diese beachtet, dann gibt es gute Aussichten für ein erfolgreiches Bauprojekt. Und dieses wird man wohl daran erkennen, dass das Richtfest eine richtig gute Party wird.

Sascha Zander von zanderroth architekten

Autor:
Carsten Sauerbrei

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