21.06.2013 Florian Maier

Berliner Architektur-Nachwuchswettbewerb mit Anerkennungen statt Preisen

Der jährliche Wettbewerb „Stadt im Wandel – Stadt der Ideen“ lief 2013 unter dem Motto „Wegweisendes im Wohnungsbau“. Die Netzwerk-Initiative „plattformnachwuchsarchitekten“ rief alle Kreativen auf, ihre ungebauten Entwürfe oder umgenutzten, umgestalteten, neu gebauten Projekte für Berlin aus den Schubladen und von den Wänden zu holen – möglichst nicht älter als drei Jahre. Gemessen werden sollten die eingereichten Arbeiten an ihrem kreativen Potential für die Zukunft der Stadt Berlin.

Die Kategorien laut Auslobungstext waren:

Kategorie A: Aktivierung des Stadtraumes
Kategorie B: Die Berliner Situation (politisch) auf den Punkt gebracht
Kategorie C: Ein Architekturvorschlag mit Potential für die Stadt


18 Bewerber hatten 19 Projekte eingereicht. In vier Auswahlrunden gelangte die Jury zu dem Ergebnis, fünf Projekte auszuzeichnen:
  • Umgestaltung Niemeyer Haus (Jean-Baptiste Guillemain)
  • Potemkinsche Große Straße (Matton Office Indie Urbanists)
  • ad 41 (zanderroth architekten)
  • Barnimkante (Heiko Haberle)
  • Living in Berlin - Living in a Block (Susie Ryu)

Auf Grund der Komplexität des Themas „Wohnungsbau in Berlin“ wurden keine Rangfolge oder Preise vergeben, sondern alle fünf ausgewählten Projekte erhielten gleichrangige Anerkennungen. Die Entscheidungen hierfür fielen alle einstimmig.
Anerkennung Kategorie A "Aktivierung des Stadtraumes"
Potemkinsche Große Straße, Matton Office Indie Urbanists, Wendorf/Rotterdam

Jurytext: Die Arbeit setzt performative Aktionen im Stadtraum ein, um für einen eher hoffnungslos erscheinenden Ort neue und unerahnte Perspektiven zu eröffnen. Einem Team von 8 interdisziplinären Kulturschaffenden ist es gelungen, die sonst eher negativ besetzte Strategie des potemkinschen Dorfes einzusetzen, um für eine durch fehlende bauliche Unterhaltung und Leerstand geprägte Straße durch gestalterische Interventionen mit den Bürgern und Bürgerinnen der 5.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Wittenburg gemeinsam Visionen zu entwickeln. Als Resultat ist eine soziale lebendige Straße mit visionären Ideenbausteinen und völlig veränderter Atmosphäre entstanden.

Der temporäre Charakter wirft jedoch die Frage auf, in wie weit die Aktion auch eine nachhaltige Bewohneraktivierung auslösen konnte, um die entstandene Euphorie sowie die visionären Stadtbausteine in eine sich verstetigende Bearbeitung der Probleme überzuleiten (hierzu gibt die Projektdarstellung keine Auskunft).

Die sozialräumlichen Besonderheiten des kleinstädtischen Wittenburgs sowie der hohe sich an einem Ort konzentrierende Leerstand erschwert die Übertragung der Strategie auf Berlin. Die Arbeit steht jedoch exemplarisch für mögliche Alternativen in der Stadtentwicklungspraxis hinsichtlich Bürgerbeteiligung und Bespielung öffentlicher Räume und stellt eine hilfreiche Aktionsplattform für weiterführende qualifizierende Maßnahmen des Wohn- und Lebensumfeldes dar.

Anerkennung Kategorie B "Die Berliner Situation (politisch) auf den Punkt gebracht"
Living in Berlin - Living in a Block, Susie Ryu, Berlin

Jurytext: Die Arbeit "Living in Berlin - Living in a Block" ist ein interessanter theoretischer Ansatz der Neuinterpretation des Berliner Blocks. Der Leitgedanke nimmt die Blockbebauungsstruktur auf und erreicht durch ein offenes Grundrisssystem mit diversen Lichthöfen eine hohe Wohndichte. Das Grundrisssystem weist ein gleichmäßiges Stützenraster auf, das flexible Grundrisse und damit Kombinationen an einzelnen Wohneinheiten ermöglicht. Die privaten Räume werden durch Laubengänge mit dem teils öffentlichen Räumen verbunden.

Dadurch kann der Aspekt des gemeinschaftlichen Wohnens erreicht werden, was in der Realität eine Überprüfung für speziell den nordeuropäischen Raum erfordert. Das Konzept ist auch städteübergreifend außerhalb Berlins zumindest theoretisch vorstellbar und liefert Ideen, wie man mit dem Wandel einer Stadt politisch und gesellschaftlich umgehen kann.
Anerkennung Kategorie C "Ein Architekturvorschlag mit Potential für die Stadt"
Umgestaltung Niemeyer Haus, Jean-Baptiste Guillemain, Spenge

Jurytext: Jean Baptiste Guillemains Beitrag steht stellvertretend für die Chancen, durch genaues Hinsehen bestehende Raumressourcen zu entdecken und für das Wohnen zu entwickeln. In der achten Etage des Niemeyer-Hauses im Hansaviertel entwirft er anstelle der sich dort befindenden Abstellflächen zusätzliche Wohneinheiten. Den Ersatz der Abstellmöglichkeiten allerdings weist er nicht aus.

Da beim Niemeyer-Haus wegen der im Denkmalschutz festgeschriebenen Unveränderbarkeit der Fassade keine zusätzlichen Fensteröffnungen geschaffen werden können, belichtet er jede Einheit über innenliegende Freibereiche (Atrien) sowie über schmale Oberlichtbänder. Den fehlenden Ausblick kompensiert er jeweils mit so genannten Treppenskulpturen, mittels derer die Bewohner über die Attika hinweg aus ihrer Wohnung über den Tiergarten und die Stadt schauen können.

An dem Entwurf überzeugt die Aktivierung bislang ungenutzten gebauten Raums für wertvolle Wohnnutzung mittels intelligenter Planung, auch unter schwierigen Rahmenbedingungen. Dies kann als wegweisender Impulsgeber für zahlreiche ähnliche Situationen in Berliner Gebäuden angesehen werden.
Anerkennung Kategorie C "Ein Architekturvorschlag mit Potential für die Stadt"
ad 41, zanderroth architekten, Berlin

Jurytext: Durch das selbstverständliche Schließen einer der vielen Berliner Baulücken wird die Stadt weitergebaut, ohne dass sich das Gebäude unangemessen in den Vordergrund drängt. Das Haus bietet flexible und offene Grundrisse: große Wohnbereiche mit vorgesetzten durchlaufenden Terrassen und private Rückzugbereiche sind durch wenige minimierte Zwangspunkte von Konstruktion oder Schächten eingeschränkt. Es werden unterschiedliche Wohnformen, Ausrichtungen und auch nachträgliche Änderungen einfach möglich. Das Projekt von Zanderroth Architekten gibt eine Antwort für die Umsetzung der heterogenen Ansprüche einer Baugruppe in eine ansprechende und wohl gestaltete Architektur.
Anerkennung Kategorie C "Ein Architekturvorschlag mit Potential für die Stadt"
Barnimkante, Heiko Haberle, Berlin

Jurytext: Anerkennend wird bemerkt, dass das Konzept von Heiko Haberle eine Alternative zur Typologie der geschlossenen Berliner Blockrandbebauung andenkt. Die vier auf dem Baufeld verteilten Baukörper versprechen eine hohe Dichte mit guter Belichtung und Orientierung.

Dem Verfasser ist (als Einzigem der Einreichenden) die Entwicklung eines kostengünstigen Mietwohnungsbaus sehr wichtig, den er durch gewerbliche Mieteinnahmen und Parkraumbewirtschaftung im Sockelbereich des Baufelds sowie baukonstruktive Überlegungen erreichen möchte. Pragmatisch charmant verbindet diese Lösung einander oft ausschließende Nutzungen.

In Bezug auf die gewünschte Grundrissflexibilität (Singles, Familien, Senioren) als Generationenwohnen sollte die gewählte Typologie und Konstruktion in den Grundrissen noch verfeinert werden. Darüber hinaus stellt die Arbeit jedoch einen interessanten Beitrag zum Thema für die Stadt dar.
Mitglieder der Jury:
  • Prof. Ulrike Lauber, Beuth Hochschule Berlin, lauber + zottmann architekten
  • Jürgen Breiter, Urban Curator, Initiative Stadt Neudenken
  • Tom Friedrich, ROBERTNEUN Architekten
  • Preisträger des Wettbewerbs 2012 "Stadt im Wandel - Stadt der Ideen": Evelyn König, Zeynep Oba und Natalie Schultze, Matthias Seidel und Olaf Schäfer, Studio Urban Resonance

Weitere Infos: www.plattformnachwuchsarchitekten.de

Die ausgewählten Arbeiten werden im Kölner KAP Forum öffentlich ausgestellt:

KAP Forum, Salierring 32, 50677 Köln
Dauer: 13. Juni bis 27. September 2013
Öffnungszeiten nach Vereinbarung
Ansprechpartner: Dipl.-Bw. Andreas Grosz, Telefon: +49 (0)221 992029-40, E-Mail: info@buerogrosz.de

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