Bibliothek als Brücke: Zentralbibliothek Oodi in Helsinki
Foto: Tuomas Uusheimo
Helsinkis neue Zentralbibliothek liegt im Herzen der Stadt und prägt den Kansalaistori-Platz mit einer skulpturalen Front aus Fichtenbrettern. Ein verglastes Dachgeschoss mit wellenförmig bewegter Attika bildet den oberen Abschluss des Volumens. Die südliche Ecke läuft spitzwinklig zu und lässt das gesamte Gebäude aus dieser Perspektive ein wenig an ein Schiff erinnern.
Auf der Westseite ist die Fassade so in sich verdreht, dass ein geschwungener, nach innen gestülpter Eingangsbereich entsteht. Die bis fast in die Horizontale gekippte Holzfläche wird auf der Innenseite der geschwungenen Glasfassade zur Decke des Foyers. Nach Außen hin bildet die Fläche die Unterseite eines weit auskragenden Balkons der einen großartigen Blick auf die Stadt bietet und einen witterungsgeschützten Veranstaltungsbereich auf dem Platz erzeugt.
Die Ingenieure hatten eine komplexe Aufgabe zu lösen: Das für das Tragwerk zur Verfügung stehende Volumen war durch die architektonisch definierten raumbegrenzenden Flächen knapp bemessen. So beträgt die statische Höhe für die Brückenkonstruktion am Scheitelpunkt über dem Foyer kaum zwei Meter, die Fläche für ihre Auflager ist auf zwei relativ kleine Bereiche im Erdgeschoss begrenzt. Lasten aus den Obergeschossen mussten über mehr als zwei Drittel der Gebäudetiefe abgefangen werden. Zusätzlich bedeutet der Balkon, der bis zu 14 m vor die Westfassade auskragt, einen deutlich asymmetrischen Lasteintrag. Als Antwort auf diese Anforderungen wurde ein System aus zwei nach außen geneigten Bögen mit einer Spannweite von 109 m entwickelt. Die Neigung des vorderen Bogens von 12,5° nimmt einen Teil der Auskragung des Balkons vorweg, die des hinteren Bogens von 22,5° minimiert die hier auftretenden Deckenspannweiten.
Dazwischen bleibt ausreichend Raum für die das Foyer prägende abgehängte Wendeltreppe. Das Längsprofil der Bögen weicht etwas von der Ideallinie ab, ihr Querschnitt resultiert aus den eingeleiteten Kräften und Momenten. So variiert die Höhe der Hohlkastenprofile über ihre Länge, der stärker belastete vordere Bogen ist breiter. Um die beträchtlichen Horizontalkräfte aufzunehmen sind die Bogenauflager durch 17 in die Bodenplatte eingelegte Spannkabel verbunden, die für insgesamt 115 MN Zugkraft ausgelegt sind. Bögen und Kabelenden in aus Stahlplatten geschweißten Auflagerkästen, die die Vertikalkräfte in die Fundamente leiten.
Fachwerkträger verbinden die beiden Bögen untereinander und binden sie an die rückwärtigen Betonkerne an. Es entsteht ein kompliziertes Tragwerk bei dem die Träger nicht nur der Stabilisierung des Gesamtsystems dienen, sondern auch die Decken der beiden Obergeschosse tragen.
Einen Film zum Bauprozess können Sie hier ansehen.