04.06.2013 Florian Maier

Britische Note: Musiktheater in Linz

Die Stadt Linz eröffnete im Frühjahr 2013 ein neu erbautes Musiktheater, das nicht nur als Spielstätte wesentliche Bedeutung für das Kulturleben in Oberösterreich haben, sondern durch seine Architektur und Platzierung eine neue städtebauliche Qualität für Linz erzeugen wird.

Entwurf und Einreichung: TPA - Terry Pawson Architects
Ausführungs- und Innenraumplanung:
Architektur Consult und Archinauten-Dworschak & Mühlbachler Architekten
Standort: Am Volksgarten 1, A-4020 Linz

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Der Bau basiert auf dem Entwurf des britischen Architekten Terry Pawson, der 2006 den Wettbewerb gewann. Die Architekturplanungsleistungen wurden nach einer weiteren öffentlichen Ausschreibung der Architektenarbeitsgemeinschaft Architektur Consult und ihrem Linzer Partner Archinauten-Dworschak & Mühlbachler Architekten übertragen.

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Verortung des Baukörpers
Die in Pawsons Konzept angestrebte Integration des Bauwerks ins Linzer Stadtgeschehen wird dadurch erreicht, dass die ehemalige Blumauerstraße verlegt wurde. Von der Parkanlage kommend gelangt man über eine breite, erhöht liegende und über eine Freitreppe zugängliche Plattform zum westseitigen Haupteingang. Diese Terrasse überbrückt strukturell die darunter liegende Straßenbahntrasse und ideell die Barriere zwischen Volksgarten und Hochkultur und bildet einen öffentlichen Bereich mit Kaffeehausgarten aus, der auch den Parkbesuchern zur Verfügung stehen soll. Die Eingangsfront ist die Schauseite des Musiktheaters und, wenn man vom Linzer Stadtzentrum kommt, von der Landstraße aus sichtbar. Sie ist – von einer Loggia gerahmt und über drei Geschoße verglast – von überschaubarer Dimensionierung. Die enorme Längenausdehnung des Gebäudekomplexes, der sich über zwei Häuserblocks erstreckt, ist aus diesem Blickwinkel nicht wahrnehmbar.
Süd- und Ostfassade gehen in einer Rundung ineinander über und haben eine Gesamtlänge von 200 Metern. Um die gestalterische Idee eines „umlaufenden Vorhangs“ an der Fassade umzusetzen, ist den eigentlichen Gebäudemauern ein Stahlbetonfachwerk vorgelagert. Durch dessen vertikale Rasterung und das unregelmäßige Wechselspiel zwischen offenen und mit Steinverkleidung ausgefachten Feldern wird an der Fassade Spannung erzeugt und gleichsam deren Länge entschärft. Fensteröffnungen konnten nach Bedarf gesetzt werden, ohne den Duktus der Fassade zu beeinträchtigen. Besonders attraktiv ist der Blick vom vorbeifahrenden Zug aus, dessen Strecke an der Ostseite verläuft, da sich durch die Rasterung der Fassade eine dynamische Bildabfolge bietet.
Raumstruktur, die räumliche Abfolge
In der Größe des neuen Linzer Opernhauses liegt auch seine Effizienz, da neben dem Bühnen- und Zuschauerraum sämtliche Produktionswerkstätten, Depots, Proberäume und Nebenbühnen unter einem Dach beziehungsweise hinter der Vorhang-Fassade vereint sind. Die unterschiedlichen Bauteile sind dabei schalltechnisch völlig voneinander getrennt, um die parallele Nutzung ihrer jeweiligen Funktion entsprechend zu gewährleisten. So kann in der Montagehalle, die an die Hinterbühne anschließt, ein Bühnenbild aufgebaut werden, während auf der Hauptbühne selbst eine Vorstellung gegeben wird. Da auf dem Spielplan nicht nur klassische Oper und Ballett, sondern auch Operette, Musical und Orchestervorstellungen stehen werden, muss die Gleichzeitigkeit von Produktion und Darstellung gegeben sein.

Den Kern des Gebäudes bildet die im Durchmesser 32 Meter große Transport-Drehbühne mit den Annexräumen und dem Zuschauerraum. Südostseitig liegen Werkstätten und Büros, nordseitig die Künstlergarderoben und Proberäume sowie eingeschnittene, mit einem Glasdach versehene Lichthöfe, welche die natürliche Belichtung bis ins Innere des Gebäudes gewährleisten. Die Anlieferung erfolgt an der Nordostseite.
Im aufgesetzten Terrassengeschoß befinden sich die Büroräume der Verwaltung, die Kantine und das öffentliche Restaurant, das unabhängig vom Opernbetrieb über ein eigenes Stiegenhaus zugänglich ist und über der Loggia beim Haupteingang ebenfalls zum Park hin ausgerichtet ist.

Den Theaterbesuchern stehen Parkplätze im zweiten und in einem Teilbereich des ersten Untergeschoßes zur Verfügung. Im ersten Untergeschoß sind außerdem unter anderem Unterbühne, Orchestergraben, Instrumentendepot und Zimmer zum Stimmen der Instrumente untergebracht. Ferner gibt es zwei zusätzliche Aufführungssäle, die über ein unterirdisches Foyer separat zugänglich sind.

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Der Besucher betritt das Opernhaus über diese niedrig gehaltene Eingangshalle, in der die Tageskassen, das Café und ein Shop untergebracht sind. Eine breit angelegte Treppe führt einen Halbstock hinauf, wo sich der Raum weit nach oben bis zu einer Oberlichtverglasung erweitert und so mit Tageslicht erhellt wird. Die Stiege setzt sich links und rechts vom Podest aus fort und mündet schließlich in das Hauptfoyer im ersten Stock, das großzügig dimensioniert ist und durch die raumhohe Glasfassade visuell bis in den Grünraum des Parks erweitert wird. Von hier aus wird das Auditorium erschlossen.

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Der Zuschauerraum selbst ist als Rangtheater konzipiert, um von allen 970 (bis maximal 1180) Plätzen aus eine optimale Sicht auf die Bühne zu gewährleisten. Selbst das Niveau „Parterre“ ist leicht ansteigend. Erstmalig bei einem Opernhaus wurden innerhalb des Saales Verbindungstreppen zwischen den einzelnen Rängen hergestellt, was nicht nur räumliche Durchlässigkeit erzeugt, sondern sich auch auf die Akustik positiv auswirkt. Auf den Besucherkomfort wurde insofern besonderes Augenmerk gelegt, als der Sitzreihenabstand weiter als in allen anderen Opernhäusern Europas ist.
Gestalterische Elemente
Das Musiktheater Linz ist als in sich ruhender Baukörper angelegt, klar strukturiert und trotz seiner enormen Größe überschaubar. Es besticht formal durch eine zeitlose Moderne klassizistischer Prägung. Wie eine doppelte Kolonnade zieht sich die orthogonale Struktur aus weißen Betonfertigteilen als metaphorisch umlaufender Vorhang schützend rund ums Haus. Mit diesem architektonischen Kunstgriff einer äußeren Schicht, die begrenzend und gleichzeitig durchlässig ist, wird das Gebäude dem Anspruch gerecht, als Kulturinstitution mit dem Stadtgeschehen vernetzt zu sein. Dort, wo Fassadenfelder geschlossen werden sollten, sind Platten aus gespaltenem römischen Travertin eingelegt.

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Die bruchraue, beige Oberfläche sorgt für eine weiche Textur gegenüber dem glatten, weißen Fachwerk aus Stahlbeton. Alle hinter dem „steinernen Vorhang“ liegenden Teile, die auf das Innere des Gebäudes verweisen, sind mit einer Schicht aus vorpatiniertem Messing belegt und bilden mit den dunklen Fensterrahmen eine formale Einheit. Das aufgesetzte oberste Geschoß ist mit weißen vorgefertigten Betonplatten versehen, die gerillt und an der Oberfläche rau belassen sind. Die Glasfassade des Hauptfoyers ist ebenfalls mit vertikalen Lamellen versehen. Neben der erwünschten gestalterischen Wirkung nach außen hin dienen die wie Schwerter vor die Fassade gesetzten Elemente aus Lochblech im ausgeklappten Zustand auch als Sonnenschutz.

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Der freundliche Farbton der Travertinplatten und die dunkle Färbung der Messingpatina werden als formale Elemente auch im Inneren des Opernhauses eingesetzt. Die Architekten wählten als Bodenbelag im Eingangsfoyer einen geschliffenen, hellen Untersberger Marmor, der sich auch über die Treppen zieht. Die Wände sind aus Holz, das in einem dunklen, leicht rötlichen Farbton gehalten ist: Gedämpftes Akazienholz wird vertikal in Lamellenform als semitransparenter Raumteiler eingesetzt und teilweise den Wänden und im Hauptfoyer im Obergeschoß auch der Decke vorgeblendet. Hier ist auch der Boden mit hellen Eichendielen versehen. Diese Materialien ziehen sich bis ins Auditorium, die Schale aus matten Holzoberflächen wird dort allerdings durch die Balkons kontrastiert, die golden schimmern.

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Sie sind mit einer glatten Oberfläche aus Flüssigmetall versehen, die anders als die klassische Vergoldung diffus schimmernd ausgeführt ist und bei künstlichem Licht durch die Reflexion tiefenwirksam erstrahlt. Die Treppen der internen Erschließung der Ränge im Zuschauerraum sind durch einen transparenten Raumteiler abgetrennt. Schmal dimensionierte, goldene Metallstäbe sind vertikal vom Boden bis zur Decke gespannt und erzielen die Wirkung eines Perlenvorhangs. Somit findet sich auch hier ein „Vorhang“, der sich als gestalterisches Leitmotiv von der Fassade bis in das Herzstück des Musiktheaters, das Auditorium, zieht.

Es war eine Herausforderung für ArchitekturConsult / Archinauten, diese komplexe Aufgabe in Abwesenheit des entwerfenden Architekten zu übernehmen. Grundlage war der hohe Respekt vor den Vorgaben von TPA. Pawson kann sich heute mit der Umsetzung durch die Ausführungsarchitekten identifizieren und spricht von einer gelungenen Realisierung.

Projektdaten

BGF: 52.420 m²
Überbaute Fläche: 10.770 m² (inklusive Vordächer)
Bruttorauminhalt: 289.860 m³
Gebäudekosten: 96 Mio. Euro
Gesamterrichtungskosten: 150 Mio. Euro
Fertigstellung: April 2013

Auftraggeber: Land Oberösterreich, TOG-OÖ Theater- und Orchester GmbH (Aufsichtsrat), MTG - Musiktheater Linz GmbH (Beirat)
Nutzer: TOG, Oberösterreichische Theater- und Orchester GmbH
Verfahren: EU-weiter, mehrstufiger Wettbewerb
Sieger: TPA – Terry Pawson Architects, London

Tragwerk: Schimetta Consult ZT GmbH
Landschaftsplanung: Land in Sicht, Wien
Geologie: Oliver Montag, Leonding
Bau- und Raumakustik: Quiring Consultants Aldrans
Klangfoyer: Ars Electronica Center, Linz
Lichtplanung: design Kress & Adams
Licht- und Tontechnik Bühne: GCA Ingenieure AG, Unterhaching
Haustechnik, Bauphysik, Elektroplaner: Wagner & Partner ZT GmbH
Bühnentechnik: Theater Projects Consultants / GCA Ingenieure AG
Brandschutz: IBS, Linz
Explosionsschutz: Schreiner, Linz
Werkstätten- und Lagerplanung: stagedream, Wien
Gastroplanung: Netzwerkgruppe Linz, Wögerer GmbH, Steyr
Bauleitung, Projektsteuerung: Spirk & Partner ZT GmbH
Baukoordination: Tricon, Linz

TPA – Terry Pawson Architects: www.terrypawson.com
ArchitekturConsult ZT GmbH: www.archconsult.com
Archinauten, Dworschak + Mühlbachler Architekten ZT GmbH: www.archinauten.com

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Der „Große Orchesterprobesaal“ ist wie die Balkone im großen Auditorium in Goldoptik gehalten und dient nicht nur zur Probe, sondern mit seinem angeschlossenen Aufnahmestudio auch als Raum für Musikaufnahmen sowie als Spielstätte für konzertante Aufführungen wie Kammermusikabende. Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Foto: Helmut K. Lackner, Wien

Grundrisse, Schnitte und Details in der Galerie
Der Verlag Callwey hat über das Projekt ein Buch veröffentlicht. Opera House - Musiktheater Linz
Terry Pawson & ArchitekturConsult/archinauten
Text Judith Eiblmayr
Erscheinungsdatum Mai 2013, Format 23 x 30 cm, Seitenzahl 96
ISBN 978-3-7667-2050-4
Preis: 20,00 Euro
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