20.09.2009 Laura Hannappel

Calatrava-Bahnhof in Lüttich eröffnet

1996 erhielt Calatrava den Zuschlag für den Neubau, nach 13-jähriger Planungs- und Bauzeit wurde der neue TGV-Bahnhof nun in Lüttich (Liège) vom Belgischen Thronfolger Prinz Philippe und Ministerpräsident Herman Van Rompuy offiziell eröffnet.

Lüttich fungiert als Knotenpunkt zwischen den europäischen Metropolen London, Brüssel, Paris, Amsterdam und Köln. Der Neubau war dringend nötig, um dem Hochgeschwindigkeitsnetz für TGV, Thalys und ICE gerecht werden zu können. Seit der Fertigstellung rückt Europa näher zusammen: Nach Brüssel fährt man nur mehr 40 Minuten, nach Köln eine knappe Stunde, nach Paris in etwa zwei und nach London drei Stunden.

Foto: Clemens Russ

Von diesem Standpunkt aus gesehen erfährt der neue Bahnhof in jedem Fall seine volle Erfordernis. Anders verhält es sich aus städtebaulicher Sicht, die durchaus nicht so eindeutig ist: Denn der neue Bahnhof ist bei weitem nicht das einzige Vorhaben. Angekündigt sind bereits ein Bahnhofsvorplatz, ein Durchbruch der Bahnhofsavenue bis zum Fluss (Maas), der dazu notwendige Abriss des Finanzamtes sowie die Entwicklung der Flussinsel Boverie zur Museumsinsel. All diese Planungen beziehen sich auf den Bahnhof als Ausgangspunkt und Maßstab.

Foto: Clemens Russ

Zweifellos wertet das neue Prestigeobjekt das gesamte Viertel auf - man hofft auf einen Bilbao-Effekt. Da der umgebende Bestand allerdings stark heruntergekommen ist, wird anschließend das gesamte Quartier abgerissen und umstrukturiert. Den Zorn der enteigneten Anwohner kann man sich vorstellen.

Foto: Clemens Russ

Der Bahnhof selbst besticht vor allem durch sein gewaltiges und gleichzeitig filigranes Dach aus Stahl und Glas, das sich über die Bahnsteige legt und fließend in die geschwungene Überdachung der Haupthalle übergeht. Diese erhebt sich wie eine Welle bis zu 50 Meter über das Terrain, bevor sie sich wieder zum anderen Ende der Gleise des Durchgangsbahnhofes senkt. Getragen wird dieses Dach von 39 weißen Stahlbögen mit einer Spannweite von jeweils 157 Metern. Deren dichte Stellung und hohe Anzahl erlauben es, die Dachkonstruktion wie eine Schale zu berechnen und ermöglichen die hohe Schlankheit der Träger.

Foto: Clemens Russ

Insgesamt wurden 11.000 Tonnen Stahl verbaut, dennoch ist der Bahnhof so transparent, dass er tagsüber keiner zusätzlichen Beleuchtung bedarf. Auf eine Fassade im klassischen Sinn wird generell verzichtet. Zu allen Seiten hin geöffnet, verkörpert der Bahnhof die Prinzipien von Kommunikation und Transparenz, die laut Calatrava jeden Bahnhof ausmachen sollten.

Foto: Clemens Russ

Trotz aller städtebaulichen und politischen Diskussion gilt es, den Mut einer kleinen Stadt wie Lüttich Wert zu schätzen, sich für eine Architektur dieses Formats zu entschließen, die zweifellos immer neben Beachtung auch Probleme mit sich bringt. Calatrava initiiert mit seinem jüngsten Bahnhofsprojekt jedenfalls eindeutig die Aufwertung einer Stadt.

Foto: Clemens Russ

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