25.06.2012 Jakob Schoof

Consense 2012: Der Blick geht nach vorn

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) feiert in diesem Jahr ihr 5-jähriges Bestehen. Doch statt Blumensträußen gab es auf ihrem Jahreskongress »Consense« einen bunten Strauß an Vorträgen und Workshops sowie Einblicke in die »große Politik« des nachhaltigen Bauens.
Weder ein Festakt noch sonstiges Brimborium begleiteten das diesjährige Jubiläum der DGNB bei der Consense (19./20.Juni 2012) in Stuttgart. Das läge nicht daran, dass es nichts zu feiern gäbe: In fünf Jahren von 16 auf über 1100 Mitglieder; 500 ehrenamtliche Mitarbeiter; über 600 ausgebildete Auditoren, Consultants und Registered Professionals und rund 750 zertifizierte oder zur Zertifizierung angemeldete Gebäude – die Zahlen sprechen für sich und sicher auch dafür, dass viele im nachhaltigen Bauen noch immer eine lukrative Verdienstquelle sehen.

Die Gebäudezertifizierung ist in Deutschland zu einem ernstzunehmenden Marktfaktor geworden, und die DGNB hat ihren Teil daran: Jüngsten Zahlen zufolge besaßen 2011 rund 29 % aller Immobilientransaktionen im Bürobereich Gebäude mit einem Nachhaltigkeitszertifikat. Der Löwenanteil davon trägt das Siegel der DGNB. Ende 2011 gab es in Deutschland über 270 nach DGNB zertifizierte Gebäude; die Zahl der LEED- und BREEAM-Zertifizierungen lag jeweils bei weniger als einem Zehntel dieser Menge. Rein rechnerisch kann die DGNB in Deutschland also auf einen Marktanteil von über 80 % aller Zertifizierungen verweisen.

Foto: Messe Stuttgart GmbH

Harmonie trotz Wettbewerb
Das »wahnsinnige Tempo« der Anfangsjahre (DGNB-Gründungspräsident Alexander Rudolphi) ist inzwischen etwas abgeklungen. Die DGNB hat sich trotz ihres im internationalen Vergleich späten Starts am Markt etabliert. Die jüngsten Aktivitäten zielen zunehmend auf internationale Vernetzung und Harmonisierung. Zwar werden ganz sicher auch weiterhin zahlreiche unterschiedliche Zertifizierungssysteme international miteinander wetteifern, doch die Berechnungsmethoden, mit denen sie ihre Kennzahlen erheben, gleichen sich ganz allmählich aneinander an Derzeit läuft in Europa unter anderem das Forschungsprojekt »EEBGuide« unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, das einheitliche Rechenregeln für Ökobilanzen entwickeln soll. Diese sollen dann zumindest innerhalb der europäischen Bauindustrie Gültigkeit besitzen. Auch die Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs), die Informationen über Umweltwirkungen von Bauprodukten bereithalten, sollen in nicht zu ferner Zukunft europaweit harmonisiert werden – womit die Notwendigkeit für die Hersteller entfiele, für unterschiedliche europäische Märkte jeweils eigene EPDs ausstellen zu lassen.

Foto: Messe Stuttgart GmbH

Auch organisatorisch übte die DGNB bei der Consense den Schulterschluss mit dem Welt-Dachverband »World Green Building Council«. Er vereint inzwischen 91 nationale Vereinigungen für nachhaltiges Bauen unter seinem Dach – auch dies ein Zeichen dafür, dass »grünes« Denken im Bauwesen mittlerweile in fast alle Teile der Welt vorgedrungen ist – und findet auch bei internationalen politischen Organisationen, etwa dem UN-Umweltprogramm UNEP, Gehör.

Foto: Messe Stuttgart GmbH

Blicke über den Tellerrand
Mit 2400 Besuchern aus 50 Ländern verzeichnete die Consense auch 2012 wieder einen Teilnehmerrekord. Für eine Baumesse wäre dies eher mickrig, doch die Consense ist eben in allererster Linie ein Kongress. Die Begleitmesse ist eher Beiwerk und Plattform zur Vernetzung, als dass sie wirklich die Massen erreicht. Beim Kongress jedoch gelingt es den Veranstaltern jedes Jahr aufs Neue, ein breites Angebot aus hochspezialisierten Workshops einerseits (etwa zur Lebenszyklusanalyse oder zur Zertifizierung als Wirtschaftsfaktor) und Veranstaltungen für einen breiteren Zuhörerkreis (z. B. zur Gebäudesanierung oder der Stadt der Zukunft) miteinander zu verknüpfen.

Hinzu kommen Plenarvorträge, die den Blick öffnen für Zukunftstrends und Entwicklungen  jenseits des Bauens. Bei der diesjährigen Veranstaltung sprachen unter anderem der Amsterdamer Architekt Thomas Rau (www.rau.nl) über seine Vision von Gebäuden als Rohstoffspeicher, bei denen der Bauherr die Baumaterialien vom Hersteller nur noch least (statt sie abzukaufen), sowie der Erfinder des »Smart«, Johann Tomforde, über Mobilitäts- und Parkraumkonzepte der Zukunft.
Etwas kurz kamen im Consense-Programm Themen der sozialen Nachhaltigkeit – soweit man unter diesem Begriff Auswirkungen subsumiert, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Auch das DGNB-System bewertet in seiner Kategorie »Soziokulturelle und funktionale Qualität« ja vorwiegend Kriterien, die den Nutzern des Gebäudes selbst und weniger den Nachbarn und der Stadt als Ganzes zugute kommen. Immerhin: Auch in der DGNB gibt es derzeit Aktivitäten, die auch über den Zertifizierungsbereich hinaus einem breiteren Kreis von Akteuren im Baubereich zugute kommen sollen.  Für Anfang 2013 ist zum Beispiel die Einführung eines Nutzungsprofils für kleine Wohngebäude geplant. Zeitgleich hierzu will die DGNB einen Leitfaden für jedermann herausgeben, der Handwerker und Bauherren in kompakter Form über Maßnahmen unterrichten wird, mit denen sich Wohngebäude nachhaltiger gestalten lassen.

Foto: Messe Stuttgart GmbH

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