06.03.2012

Das 300-Dollar-Haus

Was mancher in Europa für eine einzige Hotelnacht ausgibt, soll in den Entwicklungs- und Schwellenländern der Welt demnächst für ein komplettes Eigenheim ausreichen: Ein US-amerikanischer Wirtschaftsprofessor arbeitet gemeinsam mit Architekten und Gesundheitsexperten derzeit an einem Haus für 300 Dollar. Der erste Prototyp soll in Haiti errichtet werden.

Bauen für das Existenzminimum – zur Zeiten der klassischen Moderne war dies einmal die Domäne deutscher Architekten. Inzwischen hat sich die Welt 80 Jahre weitergedreht, die Wohnflächen und Automobile in Deutschland sind immer größer geworden, und die Pionierleistungen in Sachen kostengünstige Grundversorgung finden anderswo statt. Zum Beispiel in Indien, wo 2008 der Tata Nano vorgestellt wurde, das erste Auto seit Menschengedenken, das (netto) für weniger als umgerechnet 1500 Euro zu haben ist.

In eine ähnliche Kategorie fallen Bestrebungen des indischstämmigen Ökonomieprofessors Vijay Govindarajan, der heute am Dartmouth College in den USA lehrt. Gemeinsam mit einem Team aus Studenten und Dozenten der dortigen Tuck Business School möchte er eine Behausung für nur 300 Dollar entwickeln, die den Armen in den Entwicklungs- und Schwellenländern der Welt ein menschenwürdiges Überleben sichern soll.

Govindarajan stellt sich das Haus als Einzimmer-Struktur vor, mit herunterziehbaren Raumteilern für ein Mindestmaß an Privatsphäre. Das Mobiliar bestünde aus Hängematten und Klappstühlen. Auf dem Dach wäre ein kostengünstiges Solarpanel angebracht. Solarbatterien sorgten für Licht und Strom für das Handy und den Computer. Außerdem wäre im Haus ein günstiger Wasserfilter eingebaut.

„Über 70 Millionen Menschen - was der Größe des Vereinigten Königreichs entspricht – leben auf der Straße mit nichts als dem Himmel als Dach über ihrem Kopf,“ erklärt Govindarajan. „Ist das gerecht? Sogar Insekten und Spinnen haben Behausungen. Eine Unterkunft zu haben ist ein Menschenrecht. Jede Nation, die keine Unterkunft garantieren kann und sich nicht um ihre Bevölkerung kümmern kann, ist eine gescheiterte Nation. So muss es aber nicht sein. Unternehmen, Regierungen und nichtstaatliche Organisationen müssen zusammenarbeiten um dieses schwerwiegende Problem zu lösen.“

Den Ärmsten der Welt zu einem würdigeren Leben zu verhelfen ist das erklärte Ziel: „Das Haus wird Fremde zu Nachbarn und Slums zu Nachbarschaften werden lassen. Trotz des niedrigen Preises werden diese Häuser über fließendes Wasser und Elektrizität verfügen. Die neu entwickelten Häuser werden eine Community entstehen lassen, die Zugang zu Computer und Internet sowie zu Telefonen hat und über Wasserfilter, Solarenergie und saubere Öfen verfügt. Hierdurch werden die Ärmsten der Welt dazu befähigt, die enormen Einschränkungen der Slums zu überwinden. Die Häuser werden zu einem gesünderen und sichereren Leben beitragen und auch den Zugang zu Bildung erleichtern.“

Govindarajan schränkt jedoch auch ein: „An Orten, an denen bisher keine entsprechende Infrastruktur existiert, macht es auch keinen Sinn, das Haus zu bauen. Hier werden wir nur aktiv werden, wenn gleichzeitig andere Organisationen für eine entsprechende Strom- und Wasserversorgung sorgen.“ Dennoch, so Govindarajan, gebe es genug Orte auf der Welt, wo zwar grundlegende Infrastrukturen vorhanden seien, die Menschen jedoch ihr Dasein in unwürdigen Behausungen fristen müssten.

Erste Entwürfe für das 300-Dollar-Haus existieren bereits. Sie stammen aus einem Internet-basierten Entwurfswettbewerb, den Govindarajan ausgelobt und an dem sich 300 Entwurfsteams beteiligt hatten. Die drei Sieger wurden Ende Januar zu einem Workshop ans Dartmouth College eingeladen, um ihre Entwürfe weiter auszuarbeiten. Nach Abschluss der Planungsphase soll ein Entwurf endgültig ausgewählt und als Prototyp zunächst in Haiti errichtet werden. Dort ist im nächsten Schritt auch der Bau einer Mustersiedlung geplant. Eine lokale Nichtregierungsorganisation stünde bereits bereit, um die Umsetzung zu unterstützen, so Govindarajan.

Die Siegerentwürfe:
1. PStouter: Totally Tubular – Earthbag Innovation

2. iLines: Bag House Community

3. Rogerio_AA: The SuperAdobe Project

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