12.06.2014 Jakob Schoof

Das Haus als Selbstversorger: Messe Intersolar in München

Auf dem Photovoltaikmarkt ist ein Paradigmenwechsel im Gange: weniger Stromeinspeisung ins Netz und dafür mehr Eigenverbrauch und Stromspeicherung. Die Messe Intersolar in München (4.-6. Juni 2014) vermittelte erste Einblicke in eine Zukunft, in der Häuser vermehrt zu „echten“ Selbstversorgern mit Strom werden könnten.

Solararchitektur für den zweiten Blick: Bei diesem sanierten Mehrfamilienhaus in Romanshorn (Architekten: Viridém AG, Zürich) ist fast die komplette Gebäudehülle mit Photovoltaik- und Solarthermiemodulen belegt. Foto: Jakob Schoof

Ein Eckpunkt der PV-Roadmap lautete, die Kapazität der jährlich neu installierten PV-Anlagen in Deutschland auf 3 Gigawatt (GW) zu begrenzen. Die Realität gestaltete sich in der Folge jedoch komplett anders: 2010 bis 2012 wurden pro Jahr jeweils rund 7,5 Gigawatt Anlagenkapazität in Deutschland neu installiert. Das war mit ein Grund dafür, dass die EEG-Umlage auf nunmehr gut 6 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) gestiegen ist.

Indirekt war der Höhenflug auch ein Grund für den folgenden Absturz: 2012 trat eine einschneidende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Kraft, die Vergütungssätze für Solarstrom wurden stark gekürzt. Gleichzeitig litten die deutschen Hersteller unter der Konkurrenz aus China, die den Weltmarkt mit (staatlich geförderten, wie wir heute wissen) Dumpingpreisen aufmischte.

Grafik: Bundesverband Solarwirtschaft

Aufbruch nach dem Absturz
Inzwischen scheint die Talsohle erreicht; in Deutschland werden sogar wieder neue Fertigungsanlagen für Photovoltaikmodule errichtet – wenn auch in deutlich bescheidenerem Maßstab als früher und um Größenordnungen kleiner als in den chinesischen Solarfabriken, die den Weltmarkt beherrschen.

Auch auf der Messe Intersolar Anfang Juni in München prägte eine Mischung aus Ernüchterung, Aufbruchsstimmung und Ärger über die Politik, die sich nach Meinung vieler in der Branche derzeit zur Totengräberin der deutschen Solarwirtschaft entwickelt, die Stimmung. 1150 Aussteller präsentierten diesmal ihre Produkte und Dienstleistungen in München. Zum Vergleich: Im Boomjahr 2010 waren es noch 1800. Und selbst die jetzige Zahl wurde nur durch eine Erweiterung des Themenspektrums erreicht. Erstmals stellten bei der Intersolar auch Hersteller von Wärmepumpen, Biomasse-Heizanlagen und anderen „alternativen“ Heiztechnologien aus. Sinnvoll ist diese Horizonterweiterung allemal – denn gerade für die Solarthermie gilt, dass sie bei der Wärmeversorgung von Gebäuden immer auf das Zusammenspiel mit anderen Technologien angewiesen ist.

Eigenverbrauch als Zukunftsmodell
Um den anderen großen Paradigmenwechsel zu verstehen, der in der Solarwirtschaft derzeit im Gange ist, muss man einige wirtschaftliche Eckdaten kennen: Die Gestehungskosten für Solarstrom aus gebäudeintegrierten PV-Anlagen liegen momentan bei rund 14 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). Im Rahmen des EEG werden für diesen Strom aber nur noch 9-10 ct/kWh Einspeisevergütung gezahlt. Mit anderen Worten: Die reine Netzeinspeisung von PV-Strom ist für Kleinanlagenbesitzer zum Minusgeschäft geworden. Äußerst sinnvoll ist jedoch der Eigenverbrauch des Stroms vom eigenen Dach, denn der Preis für Haushaltsstrom vom Energieversorger beträgt fast das Doppelte der Gestehungskosten.

Der Eigenverbrauch (sei es im eigenen Haushalt oder in Mehrfamilienhäusern, indem der  Vermieter den Strom vom eigenen Dach direkt an die Wohnungsmieter verkauft) wäre überdies aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Jede Kilowattstunde, die nicht ins Netz eingespeist, sondern am Ort ihrer Erzeugung verbraucht wird, entlastet die Stromnetze und verringert die Notwendigkeit weiterer Netzausbauten.

Um so unverständlicher finden viele aus  der Solarwirtschaft die Pläne des Wirtschafts- und Energieministeriums, den Eigenverbrauch von Solarstrom künftig mit 50% der EEG-Umlage (also derzeit etwa 3 ct/kWh) zu belasten. Energieminister Gabriel begründet diese „Strafsteuer“mit der Tatsache, dass auch die Selbstverbraucher bei einer längeren „Sonnenflaute“ Strom aus dem Netz beziehen müssten – und dessen Erhalt und Ausbau nun einmal finanziert werden muss.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, kontert mit dem Argument, dass die Zusatzabgabe nur eine minimale Entlastung der Verbraucher bei den Strompreisen bewirken, aber den nun eingetretenen Wandel zu mehr Eigenverbrauch (und Netzentlastung) torpedieren würde. 

Grafiken: BundesverbandSolarwirtschaft

Damit aber würde der Solarwirtschaft womöglich der letzte Strohhalm gekappt, an dem sie noch hängt. Denn die Absatzzahlen sehen düster aus: Von 7,5 Gigawatt im Jahr 2012 sank die neu installierte PV-Leistung in Deutschland 2013 auf 3,3 Gigawatt. Im laufenden Jahr könnte sie sich nochmals halbieren. Spätestens dann wäre das Ziel der Bundesregierung gefährdet, die jedes Jahr einen Anlagenzubau von 2,5 bis 3,5 GW anstrebt.

Ein Grund für den Rückgang liegt darin, dass die Anlagenpreise längst nicht mehr so stark sinken wie vor zwei, drei Jahren noch. Die Marktbereinigung der letzten Jahre hat eben auch zu einem Abbau von Überkapazitäten bei den Herstellern und damit zu einer Stabilisierung der Modulpreise geführt.

Der große „Strompreistreiber“ ist die Photovoltaik dennoch nicht mehr: 2013 trug sie gerade einmal noch 0,07 ct/kWh zur Strompreissteigerung in Deutschland bei – eine Winzigkeit im Vergleich zu den 6,3 ct/kWh, die deutsche Haushalte im Moment insgesamt an EEG-Umlage zahlen.

Batteriespeicher im Aufwind
Vor allem Batteriespeicher gelten momentan als vielversprechende Möglichkeit, den (noch) lukrativen Eigenverbrauch zu steigern. Bei einer PV-Anlage ohne Batterie lassen sich normalerweise rund 30% des Stroms im Haus selbst verbrauchen, mit einer vernünftig bemessenen Batterie (ca. 1 kWh Speicherkapazität je kWp Anlagenleistung) sind es doppelt so viel. Seit 2013 fördert die KfW die Installation von Hausbatterien in mit 25 Millionen Euro jährlich dotierten Förderprogramm. Noch läuft die Nachfrage nach dem Programm eher schleppend: Maximal wären mit dem KfW-Programm 8000 bis 10.000 Batterien pro Jahr finanzierbar; tatsächlich gefördert wurden im ersten Jahr nur 4000 Stück.

Installation eines Batteriespeichers für ein Mehrfamilienhaus. Foto: Bundesverband Solarwirtschaft

Das dürfte sich jedoch bald ändern, wenn die Expertenprognosen eintreffen. Der BSW-Solar sagt für das laufende Jahr eine Verdopplung der Absatzzahlen voraus. Das Forschungs- und Beratungsunternehmen EuPD Research sagt für 2020 sogar ein Marktvolumen von 100.000 Hausbatterien pro Jahr in Deutschland voraus.

Ein Grund für die Zuversicht ist die derzeitige Preisentwicklung im Markt, wo zwei Batterietypen miteinander konkurrieren: die bewährten Blei-Akkus und die neueren Lithium-Ionen-Akkus, die auch aus der Fahrzeugtechnik bekannt sind. Letztere gelten als langlebiger, schneller be- und entladbar und haben eine höhere Energiespeicherdichte. Und ihr Preis fällt – zuletzt um 15% pro Jahr auf etwa 2200 Euro pro Kilowattstunde bei einer 5 kWh-Hausbatterie. Bleiakkus sind derzeit noch rund 25% billiger, doch bei ihnen erwarten Experten kaum noch Kostenentwicklungen nach unten.

Nach Ansicht von Jörg Mayer, dem Geschäftsführer des BSW-Solar, dient das KfW-Programm denn auch nur als Anschubfinanzierung für den Markt. Langfristig sollen sich die Hausbatterien auch ohne Förderung rechnen – zumal wenn die Strompreise weiter steigen. Für 2016 rechnet EuPD Research damit, dass die sogenannte „Grid Parity“ erreicht ist. Dann wäre der Strom aus einer vernünftig bemessenen PV-Anlage plus Hausbatterie günstiger als jener aus dem Netz, und das Förderprogramm könnte entfallen. Selbst die Nachrüstung von Batterien in bestehende Anlagen wird dann zunehmend lukrativ: Auf sie dürften laut EuPD Research 2020 bereits rund zwei Drittel des Marktvolumens entfallen.

Neue Gestaltungsoptionen
Selbst auf die Gestaltung der Anlagen – und damit auf die Architektur der Gebäude – wirkt sich der Trend zu mehr Eigenverbrauch aus. Galt früher die Regel, dass Solaranlagen möglichst nach Süden ausgerichtet und um 30° geneigt werden sollten, um den optimalen Ertrag zu bringen, könnte die Zukunft eher den Anlagen auf West/Ost-Dachflächen sowie sehr flach geneigten Modulen auf Flachdächern gehören. Denn diese haben den Vorteil, dass sie den ganzen Tag über einen gleichmäßigeren Stromertrag bringen und somit zeitlich besser mit dem Strombedarf im Haus korrespondieren.

Flachdachanlagen könnten damit immer häufiger (von der Straße) komplett „unsichtbar“ werden. Bei den Modulen für die sichtbare Gebäudeintegration ist hingegen nur noch wenig wirklich Neues zu entdecken. Dachintegrierte Anlagen, bei denen die Module die Dachhaut ersetzen, gehören mittlerweile ebenso zum Standardprogramm vieler Hersteller wie sogenannte „All-Black“-Module, bei denen nicht nur die Solarzellen, sondern auch deren Zwischenräume sowie der Eindeckrahmen einheitlich schwarz sind.

Strom und Solarwärme vom Ziegeldach: Hybridmodule „MS5 2Power“ von Nelskamp. Foto: Dachziegelwärme Nelskamo

Der Vorarlberger Modulhersteller DOMA Solar ist einer der Anbieter, die ihre Produkte künftig mit dem farbigen Solarglas Kromatix anbieten. Foto: DOMA Solartechnik

Die größten neuen Gestaltungsoptionen verspricht derzeit eine Neuentwicklung aus der Schweiz: Der Glashersteller Swissinso vertreibt unter dem Produktnamen Kromatix eine neue Palette farbiger Gläser, die sich als Frontabdeckung für Photovoltaik- und Solarthermiemodule gleichermaßen eignen. Mehrere Solarhersteller aus dem deutschsprachigen Raum bieten mittlerweile Module mit Kromatix-Gläsern in Blau, Grün, Grau und Orange an. Das Spezialglas, dessen Farbwirkung auf einer Mischung aus Beschichtung und Oberflächenbehandlung des Glases beruht, senkt den Modulertrag nur minimal – je nach Farbe um maximal 6 Prozent. Dennoch dürfte die Technologie derzeit auf hochpreisige Nischenanwendungen beschränkt bleiben, denn der Mehrpreis für die Farbverglasung liegt je nach Modulhersteller im hohen zweistelligen Euro-Bereich je Quadratmeter.
Wenn es die Ikarussage nicht bereits gäbe, so müsste man sie neu schreiben, so perfekt passt sie auf das Schicksal der deutschen Solarwirtschaft in den letzten Jahren. Die griechische Legende berichtet bekanntlich von einem Jüngling, der sich mit selbst gebauten Flügeln gen Himmel erhebt, dabei buchstäblich zu viel Sonne abbekommt und jäh ins Meer stürzt.

Der Ikarusflug der Photovoltaik in Deutschland begann im Jahr 2010. Schon damals waren erste Stimmen laut geworden, die vor stark steigenden Stromkosten durch die Einspeisevergütung für Solarstrom in Deutschland warnten. Daraufhin gab der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) bei den Beratungsunternehmen Roland Berger und Prognos die Studie „PV-Roadmap“ in Auftrag. Darin machten die  Autoren unter anderem Vorschläge, wie der befürchtete Anstieg der EEG-Umlage einzudämmen sei.

Auch der Papst nutzt Solarstrom: 2008 wurde im Kirchenstaat die erste Photovoltaikanlage – mit Modulen des deutschen Herstellers SolarWorld - installiert. Seither sind die Absatzzahlen aber auch in Italien stark zurückgegangen. Foto: Bundesverband Solarwirtschaft

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