10.11.2014 Jakob Schoof

Der Charme des Alten: Ausstellung „Matière Grise“ in Paris

Nichts scheint derzeit aktueller als das Bauen mit Altmaterialien. Die Ausstellung „Matière Grise“ im Pariser Pavillon de l’Arsenal zeigt noch bis zum 4. Januar 2015 rund 75 Gebäude, bei denen die Wiederverwendung von Baustoffen eine Hauptrolle spielt. Termin: bis 4. Januar 2015
Ort: Pavillon de l’Arsenal, 21 Boulevard Morland, 75004 Paris

Elding Oscarson: Bürointerieur in Stockholm, 2009, Foto: Åke Eson Lindman

Ressourcenschonung, eine unverwechselbare Ästhetik oder einfach die wirtschaftlichen Vorteile des „Do-it-yourself“: Es gibt viele Gründe, mit wiederverwendeten Materialien zu arbeiten. Die Bauten, die Nicola Delon und Julien Choppin vom Architekturbüro Encore Heureux in der Ausstellung „Matière Grise“ zusammengetragen haben, könnten unterschiedlicher kaum sein: von der temporären Unterkunft für Migranten bis zum Bürointerieur und vom Strandcafé bis zum neuen EU-Ratsgebäude in Brüssel, das nach Plänen von Philippe Samyn errichtet wird und im kommenden Jahr fertig gestellt werden soll.
Rund 3000 alte Holzfensterrahmen ließ Samyn von einem Händler für gebrauchte Baumaterialien in allen Ländern der EU einsammeln, aufbereiten und an die Baustelle liefern. Sie bilden nun ein bewegtes Patchwork rund um die 50x50 Meter große Glashalle, die künftig das eigentliche Machtzentrum Europas birgt: die Konferenzräume und den Bankettsaal des EU-Ministerrats. Letztere sind in einem zwölfgeschossigen Einbau in der Mitte der Halle untergebracht, dessen Form entfernt an eine gigantische Glasvase erinnert.

Philippe Samyn & Partners: Sitz des EU-Rats in Brüssel, 2015 (Detail der Glasfassade). Foto: Philippe Samyn & Partners architects & engineers

Die Inspiration für den Wettbewerbsentwurf, berichtet Samyn, sei eine Begegnung ganz in der Nähe seines Wohnhauses gewesen, wo ein Anwohner im Rahmen einer energetischen Sanierung die wunderschönen alten Holzfenster seines Hauses entsorgte. Von ähnlichen Schlüsselerlebnissen erzählen auch die beiden Kuratoren der Ausstellung: „Einer unserer ersten größeren Aufträge war 2008 eine Ausstellungsgestaltung für das 60-jährige Jubliäum der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF“, so Julien Choppin und Nicola Delon.  „Die Ausstellung war auf fünf Eisenwaggons verteilt und tourte gerade einmal 28 Tage lang durch Frankreich. Nach Ablauf dieser Zeit wurde fast der komplette Innenausbau auf den Müll entsorgt.“

Andramatin Architects: Strandklub “Potato Head” Seminyak/Bali, 2010. Foto: Iwan Baan

Mecanoo Architecten: Meeresmuseum in Oudeschild/Texel, 2011. Foto: Christian Richters

„Matière Grise“ ist ein eindrucksvolles Plädoyer für die gestalterischen, ökologischen und sozialen Potenziale der Wiederverwertung im Bauwesen. Dabei geht es nicht nur um Ressourceneinsparung, sondern auch um eine neue Wertschätzung manueller Arbeit: Viele der Projekte in der Ausstellung basieren auf freiwillig geleisteter Arbeit oder wurden gezielt initiiert, um Arbeitsplätze in sozial schwachen Gemeinschaften zu schaffen. Denn noch immer stehen dem Bauen mit gebrauchten Materialien vor allem ökonomische Hindernisse entgegen: Die Ressource „Abfall“ mag zwar kostengünstig zu haben sein, doch ihre Wiederverwendung ist arbeitsintensiv und damit tendenziell teuer.

BLAF Architecten: Haus dnA, Asse, 2013. Foto: Stijn Bollaert

Mehr über die ökologischen und ökonomischen, aber auch die historischen Hintergründe des Materialrecyclings lässt sich in dem exzellent gestalteten (aber leider bisher nur auf Französisch erhältlichen), rund 360 Seiten starken Ausstellungskatalog nachlesen, der zum Preis von 36 Euro beim Pavillon de l’Arsenal zu bestellen ist. Ausstellungskatalog
Julien Choppin & Nicola Delon: Matière Grise
ISBN 978-2-35487-026-3
Preis: 36,00 Euro
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