28.10.2009

Der Energiegewinner: "Kraftwerk B" in Bennau

In Bennau (Kanton Schwyz) steht eines der ersten Plusenergiehäuser der Schweiz. Im Jahresdurchschnitt erzeugt das Mehrfamilienhaus mit dem programmatischen Namen „Kraftwerk B“ mehr Energie, als es für Heizung, Warmwasser und Haushaltstrom benötigt. Auch gestalterisch kannten die Entwurfsverfasser, Grab Architekten aus Altendorf, keine Berührungsängste mit moderner Technik: Mehr als 370 Quadratmeter Photovoltaikzellen und Solarkollektoren sind in die Gebäudehülle integriert und wurden so zum entwurfsbestimmenden Element.
Die Voraussetzung, in der Ortsmitte von Bennau ein Plus-Energiehaus zu realisieren, waren ideal: Mit 1200 kWh pro Quadratmeter und Jahr erhält der Ort ungewöhnlich viel Sonneneinstrahlung; ferner erlaubte das Grundstück die Realisierung eines Neubaus mit großer, unverschatteter Südfassade. Um die thermische Speicherwirkung zu maximieren, entschieden sich Grab Architekten für eine Stahlbetonkonstruktion mit vorgehängter Holzelement-Fassade. Das Gebäudevolumen ist kompakt, Fassade und Dach sind mit einer 50 Zentimeter dicken Wärmedämmung versehen. Für ein angenehmes, gesundes Innenraumklima sorgen eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung und schadstofffreie Materialien in den Innenräumen.

150 m2 Sonnenkollektoren in der Südwestfassade liefern jährlich 30 000 kWh Wärmeenergie, die 220 m2 umfassende, dachintegrierte Photovoltaik-Anlage produziert pro Jahr 28 000 kWh Strom. Beide sind in die Gebäudehülle integriert, nicht nachträglich darauf appliziert. Besonders deutlich wird dies an der Südwestfassade, die durch eine geschossweise leicht versetzte Abfolge von Sonnenkollektoren und gebäudehohen Passivhausfenstern mit überdämmten Rahmen (U-Wert 0,5 W/m²K) gegliedert wird. Nach Berechnungen der Architekten amortisiert sich die Energie, die zum Herstellen der Solartechnik aufgewendet wurde, binnen eineinhalb Jahren.

Ein effizientes Haustechnik-Konzept mit zentralem Speicher und Holzöfen in den Wohnungen tragen das ihre dazu bei, dass mehr Energie zur Verfügung steht, als in den sechs 5 ½-Zimmer-Wohnungen sowie der Loftwohnung im Attikageschoss verbraucht wird. So verzichteten die Architekten auf einen großen Saisonalspeicher: Statt dessen wird die überschüssige Wärme in den Sommermonaten in das Heizsystem des benachbarten 15-Familienhauses eingespeist, der elektrische Strom fließt ins Netz.

Die Planung all dieser Maßnahmen bedingte eine Projektierungsphase mit intensiver Abstimmung sämtlicher beteiligten Fachleute. Hierzu arbeiteten Grab Architekten mit dem Planungsbüro Intep-Integrale Planung zusammen, das die materialökologische und bauphysikalische Beratung übernahm und den Antrag für die Zertifizierung nach MINERGIE-P-ECO bearbeitete.
Der Sprung zum Plus-Energie-Haus glückte schließlich jedoch nur, weil auch die Mieter miteinbezogen sind. In der pauschalen Monatsmiete von 2600 Schweizer Franken sind die Energiekosten mit eingerechnet – allerdings nur, wenn man sich auf einen vernünftigen Verbrauch beschränkt. Sobald man das Energiebudget überschreitet, wird es teuer. Damit die Mieter den Stand ganz einfach überprüfen können, wurde eigens für das Haus ein Display entwickelt, das in jeder Wohnung den jeweiligen Verbrauch an Strom, Wasser und Heizenergie anzeigt.
Gespräch mit Josef Grab

Mit dem Kraftwerk B in Bennau haben Sie als Architekt und Bauherr das erste Plus-Energie-Mehrfamilienhaus der Schweiz realisiert. Welche Rolle spielen dabei die Mieter?
Ein Plusenergiehaus setzt eine integrale Zusammenarbeit voraus, die nicht einfach beendet ist, wenn das Gebäude steht. Die Bewohner müssen mitziehen. Wir haben extra für das Kraftwerk B Displays entwickelt, die es den Mietern ermöglichen, ihren Energieverbrauch laufend zu überprüfen und auch zu steuern. Das lohnt sich deshalb, weil im pauschalen Mietpreis die Kosten für den Energieverbrauch enthalten, gleichzeitig aber limitiert sind. Allerdings funktioniert dieses System natürlich nur mit Bewohnern, die eine hohe Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit mitbringen. Es stimmt schon: Die Mieter dieses Hauses sind handverlesen.

Ist konsequente Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich, oder braucht es dafür nach wie vor viel Idealismus?
Wir haben mit 15% Mehrkosten abgeschlossen. Zu einem kleinen Teil sind sie auf die Mieten überwälzt, zu einem großen Teil tragen wir sie selbst, indem wir statt mit der üblichen Bruttorendite von 6% mit einer solchen von lediglich 4.5% rechnen. Der immense Projektierungsaufwand, den wir getrieben haben, ist da allerdings nicht mit eingerechnet. Wirtschaftlich ist deshalb so ein Unterfangen nur, wenn man es in einem größeren Rahmen sieht. Oder anders gesagt: Das Know-How, das wir uns mit dem Kraftwerk B erworben haben, muss uns etwas wert sein! Mit solchen Objekten kann man heute kein Geld verdienen, aber das wird sich ändern, sobald die Vernunft Fuß gefasst hat: In 10 Jahren ist das, was wir gemacht haben, Usus. Sonst atmen wir bald nicht mehr, und in 30 Jahren geht uns außerdem das Öl aus!
Wie wichtig sind die städtebauliche Einordnung und die Gestaltung? Verlieren sie an Bedeutung, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Das Kraftwerk B liegt ja an prominenter Stelle inmitten von Bennau, nämlich direkt neben der Kirche. Es war dementsprechend wichtig, die städtebauliche Situation in unsere gestalterischen Überlegungen mit einzubeziehen. Wir mussten den Entwurf auch der Denkmalpflege vorlegen.
Aber die Gestaltung muss in jedem Fall stimmen, und zwar bis ins Detail! Beim Kraftwerk B war mein Ziel die makellose Integration der Sonnenkollektoren, Photovoltaik-Anlagen und zugehörigen Rohre in die feingliedrigen Hüllen von Fassade und Dach – wie bei einem Auto, wo alles in die Karosserie integriert ist. Das war allerdings äußerst schwierig und bedingte einen gewaltigen Zusatzaufwand, weil es auf diesem Sektor nur eine begrenzte Anzahl Normprodukte gibt. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, dass die industrielle Fertigung im Bauwesen vorangetrieben wird.
Text: Cornelia Bauer/Jakob Schoof
Interview: Cornelia Bauer, Intep – Integrale Planung GmbH

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