26.09.2013 gfx3@detail.de

Der Konferenzstuhl »Graph« – auf den Spuren eines neuen Klassikers?

Der Konferenzstuhl »Graph«, den das Stuttgarter Designduo für Wilkhahn entworfen hat, wird mit Designpreisen überschüttet, gerade ist der dazu passende Tisch in Serie gegangen. DETAIL-Redakteurin Hildegard Wänger sprach Anfang August 2013 mit Markus Jehs und Jürgen Laub über die Königsklasse des Produktdesigns – und darüber, woran sie gemerkt haben, dass ihnen ein großer Wurf gelungen ist.

Alle Fotos: Jehs+Laub, D–Stuttgart

DETAIL: Was war der Ansatz, die Entwurfsidee für den neuen Konferenzstuhl? Markus Jehs: Wir haben uns gesagt, dass man eigentlich in einem Konferenzstuhl so entspannt sitzen möchte wie in einem Lounge Chair – allerdings an einem Tisch. Ein Widerspruch an sich, der uns gereizt hat. Die zweite Herausforderung war, dass wir uns als zentrales Element eine Sitzschale vorgestellt haben. Darin fühlt man sich zwar wunderbar geborgen, gleichzeitig aber auch etwas beengt, da sie nicht genügend Platz bietet, damit beispielsweise ein Herrensakko links und rechts ausfallen kann. Deshalb haben wir die Schale in zwei Richtungen durchgeschnitten und die Armteile durch offene Aluminiumteile ersetzt. Und plötzlich war das ein ganz spannendes Bild. Der Rücken hängt komplett an den Armlehnen, die zum zentralen Element werden. Mit diesen Armlehnen haben wir uns besonders viel Mühe gegeben – nicht nur optisch, sondern auch damit, dass sie sich gut anfühlen. Oft fangen Menschen, die sich in den Stuhl setzen, an, den Stuhl zu streicheln. DETAIL: Was unterscheidet den Graph von anderen Konferenzstühlen? Jürgen Laub: Der Graph hat eine tolle Anmutung, eine unglaubliche Präsenz. Selbst, wenn er einfach nur in einem Konferenzraum steht, sieht es so aus, als würden Menschen darin sitzen. Er hat eine eigene Persönlichkeit. Man fühlt sich gut, wenn man darin sitzt – das verbindet ihn mit vielen anderen Klassikern. Ebenso die Wertigkeit und der intelligente Aufbau – es wird schwer sein, ihn zu verbessern oder zu verändern – alles ist schlüssig. Das ist der Grund, warum die wahren Klassiker auch noch nach 50 Jahren funktionieren. DETAIL: Worin Ihre persönlichen Stärken als Designer? Markus Jehs: Wir sind unterschiedlich, ergänzen uns aber auch sehr gut. Oder ersetzen uns auch, falls einer ausfällt oder nicht da ist. Unsere Arbeit ist ein Dialog mit Diskurs, manchmal auch mit Streit, aber am Ende immer mit einer übereinstimmenden Meinung. Uns geht es nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern um die Sache, um das Ergebnis. DETAIL: Muss gutes Design teuer sein? Oder: Woran erkennt man gutes Design? Markus Jehs: Gutes Design muss nicht teuer sein, es braucht aber eine zentrale Idee. Diese Idee muss der Endnutzer erkennen können. Wirklich entscheidend aber ist, wie gut man als Designer darin ist, eine Idee in eine physische Form umzusetzen. Dazu gehört auch die Selbsterklärbarkeit eines Produkts, das heißt, dass man mit wenigen Worten seine Form und Funktion erklären kann. DETAIL: Herr Jehs, Herr Laub, wir bedanken uns für das interessante Gespräch. www.jehs-laub.com www.wilkhahn.de

DETAIL: Wie kam die Zusammenarbeit mit Wilkhahn zustande? Jürgen Laub: Wilkhahn gehört zu den Firmen, für die wir immer schon mal gerne gearbeitet hätten. Als dann Norbert Ruf, der Design-Scout von Wilkhahn, auf uns zukam, um uns zu fragen, ob wir grundsätzlich an einer Zusammenarbeit interessiert wären, war das natürlich für uns ein Glücksfall. Erst später ging es dann um die Frage, was wir gerne machen würden. DETAIL: Und das war dann ein Konferenz-Stuhl? Markus Jehs: Ja, das Thema liegt uns sehr am Herzen – hier sahen wir einen echten Bedarf. Wir haben beispielsweise für Renz sehr schöne Konferenztische entworfen, und immer stellte sich die Frage nach den passenden Stühlen. Die – unserer Meinung nach letzten guten – Konferenzstühle wurden vor 50 Jahren z.B. von Charles Eames entworfen. Das Design ist perfekt, aber die Funktion und die Technik sind eben 50 Jahre alt. Das Gegenstück dazu sind die technisch völlig überladenen Büro-Drehstühle, die mehr einer Sitzmaschine denn einem Sitzmöbel gleichen – wir sprechen dabei immer von „Kakerlakendesign“. DETAIL: Wie lange dauerte der Prozess von der ersten Idee bis zum fertigen Entwurf? Markus Jehs: Die Idee war sehr schnell da, doch bis der erste Prototyp auf der Orgatec stand, sind eineinhalb Jahre vergangen. Und nochmals zwei Jahre bis zur Serienproduktion. Jürgen Laub: Das faszinierende aber dabei war, dass wir absolut keine Abstriche an unserer ersten Entwurfsidee machen mussten. Als der Stuhl fertig war, haben wir gesagt: Das ist genau der Stuhl, den wir am Rechner entworfen haben. DETAIL: Woran merkt man, dass man vielleicht einen „neuen Klassiker“ entworfen hat? Markus Jehs: Stühle zu entwerfen, ist für Designer die Königsdisziplin. Es gibt zahlreiche Ikonen, bei denen einfach alles stimmt, die nicht verbessert werden können. Als wir den Graph entworfen haben, haben wir tatsächlich gedacht: Ja, das könnte ein Stuhl sein, der dem Alu Chair das Wasser reichen kann. Jürgen Laub: Aber wir sitzen nicht hier und sagen uns: „Heute entwerfen wir mal einen Klassiker“. Und der Graph ist auch kein Klassiker – ob er mal einer wird, kann man erst in ein paar Jahren sagen. Unser Ansatz, unser Antrieb ist auch ein ganz anderer. Wir wollen ein richtig gutes Produkt machen. Deshalb brauchen wir als Auftraggeber auch Firmen, die den gleichen Anspruch haben und sich die entsprechende Entwicklung auch leisten können. Das wiederum bedeutet für uns eine schöpferische Freiheit, die durch nichts behindert wird. Wilkhahn ist in dieser Hinsicht ein idealer Partner, bei dem auch hart an der Sache gearbeitet wird. Wilkhahn geht es nicht darum, einem Trend zu folgen, einer von vielen zu sein oder irgendein modisches Produkt auf den Markt zu bringen. Alle zusammen arbeiten daran, DEN Konferenzstuhl zu entwickeln.

Foto: Maks Richter, D–Stuttgart

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