05.07.2012 Linder@detail.de

Der Solarkompromiss steht

In der vergangenen Woche haben Bundesrat und Bundestag die Neuordnung der Einspeisevergütung für Solarstrom beschlossen. Die wichtigsten Neuerungen und Reaktionen auf den Kompromiss lesen Sie hier. Befand sich Deutschland noch im Fußballfieber? Sind die Gemüter durch die Euro-Diskussion schon überstrapaziert? Oder brachte der Kompromiss am Ende nur, was ohnehin alle erwartet hatten? Jedenfalls hielt sich das Echo der Medien und Solarhersteller auf den Kompromiss zur Solarförderung Ende Juni sehr im Rahmen. Als im März die Pläne der Bundesregierung öffentlich wurden, die Fördergelder drastisch zu kürzen, waren die Mitarbeiter deutscher Photovoltaikhersteller noch in Berlin auf die Straße gegangen. Am 27. Juni einigte sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nun auf einen Gesetzesentwurf, dessen wesentliche Eckpfeiler gegenüber März unverändert geblieben sind. Demnach soll die Einspeisevergütung pro Kilowattstunde rückwirkend zum 1. April drastisch – je nach Anlagengröße um bis zu 30% - gekürzt werden. Künftig wird sie nicht mehr halbjährlich, sondern monatlich um einen vordefinierten Prozentsatz von 1% fallen. Wieder eingeführt wird lediglich eine Förderklasse für Dachanlagen mittlerer Größe (10 bis 40 kWp). Außerdem hat Deutschland nun erstmals einen Punkt definiert, an dem die Förderung neuer Anlagen ganz auslaufen soll. Dieser ist bei einer gesamt installierten Leistung von 52 GWp verankert. BREAK

Grafik: Bundesverband Solarwirtschaft

Die Regelungen im Einzelnen:

1. Inkrafttreten: Das Gesetz tritt rückwirkend zum 1.4.2012 in Kraft.

2. Neugestaltung der Vergütungsklassen und Größenbegrenzung: Für Dachan-lagen gibt es vier Vergütungsklassen: Anlagen bis 10 kW installierter Leistung, bis 40 kW, bis 1000 kW und über 1000 kW. Freiflächenanlagen erhalten eine einheitliche Vergütung. Anlagen größer als 10 MW erhalten keine Vergütung mehr.

3. Einmalabsenkung: Die für Juli 2012 erwartete Absenkung der Einspeisevergütung um 15% wird vorgezogen und um eine Sonderdegression ergänzt. Ab 1.4.2012 gelten folgende Vergütungssätze: a) Dachanlagen:
bis 10 kW    19,5 ct/kWh
bis 40 kW    18,5 ct/kWh
bis 1000 kW    16,5 ct/kWh

b) Freiflächenanlagen
bis 10 MW    13,5 ct/kWh

Um eine missbräuchliche Aufsplittung in mehrere 10-MW-Anlagen zu verweiden, werden Anlagen als eine Anlage gewertet, wenn sie innerhalb von 24 Monaten im Umkreis von 2 km im Gebiet der derselben Gemeinde in Betrieb gehen.

4. Verstetigung der Degression: Die Vergütungssätze werden ab 1. Mai 2012 monatlich um 1% gegenüber dem Vormonat abgesenkt. Dies entspricht einer jährlichen Absenkung von ca. 11,4% (Basisdegression), wenn der Zubaukorridor eingehalten wird.

5. Zubaukorridor und Gesamtausbauziel: Im EEG wird ein Gesamtausbauziel für die geförderte Photovoltaik in Deutschland in Höhe von 52 GW verankert. Der jährliche Ausbaukorridor von 2.500 – 3.500 MW bleibt ohne Absenkung bis zur Erreichung dieses Ziels erhalten.
Ist das Gesamtausbauziel erreicht, erhalten neue Anlagen keine Vergütung mehr. Der Einspeisevorrang bleibt aber für zusätzliche Anlagen auch danach gesichert. Die Bundesregierung will rechtzeitig vor Erreichung des Ziels einen Vorschlag für eine Neugestaltung vorlegen.

6. Marktintegrationsmodell und Eigenverbrauchsbonus: Bei Anlagen zwischen 10 kW und 1.000 kW wird pro Jahr nur noch 90% der gesamten erzeugten Strommenge vergütet. Bei kleinen Anlagen bis 10 kW und bei Freiflächenanlagen und sonstigen Anlagen bis 10 MW erfolgt die Vergütung zu 100% der erzeugten Strommenge. Die Regelung gilt für alle Anlagen, die ab dem 1. April 2012 in Betrieb genommen werden, sie wird aber erst ab dem 1. Januar 2014 angewendet. Die unvergütete Strommenge kann selbst verbraucht, direkt vermarktet oder dem Netzbetreiber zum Verkauf an der Börse angedient werden. Der bisher gezahlte Eigenverbrauchsbonus für selbst verbrauchten Photovoltaikstrom entfällt.

7. Anlagen auf neuen Nicht-Wohngebäuden im Außenbereich: Solaranlagen im Außenbereich erhalten nur dann noch die Dachflächenvergütung, wenn die Anlage auf Wohn- oder Stallgebäuden oder im Zusammenhang mit einem neuen landwirtschaftlichen Gehöft errichtet wird. Solaranlagen auf bereits errichteten Gebäuden erhalten weiterhin die Dachanlagenvergütung.

Mit dieser Regelung soll vor allem die Errichtung von dachähnlichen Aufbauten auf Freiflächen unterbunden werden, die einzig dem Zweck dienen, für eine Photovoltaikanlage die (höhere) Vergütung für Dachflächen-Anlagen zu erhalten. BREAK

Foto: Bundesverband Solarwirtschaft

Reaktionen:

Bundesumweltminister Peter Altmaier begrüßte am Abend die Einigung: "Das war ein guter Tag für die Energiewende in Deutschland. Uns kommt es darauf an, dass die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig werden. Ich bin optimistisch, dass Solarstrom schon in einigen Jahren ganz ohne Förderung die Marktreife erlangt."

Zufrieden zeigte sich auch der Hersteller Solarworld: "Die Entscheidung, insbesondere kleine und mittlere Anlagen stärker zu fördern, ist richtig", so Konzernchef Frank Asbeck. "Die Festlegung des Ausbauzieles von 52.000 Megawatt im Gesetz schafft Sicherheit." Nach Erreichen dieses Zieles, so Asbeck, werde Solarstrom in Deutschland so billig zu erzeugen sein, dass er auch ohne Subventionen auskomme.

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) bezeichnete den Kompromiss als "verlässliche Perspektive für die Förderung der Photovoltaik in Deutschland". Bundesgeschäftsführer Leif Miller zufolge werde die Einigung "deutliche Kostenentlastungen für die Energiewende bringen, ohne den weiteren Ausbau der Solarenergie abzuwürgen". Allerdings bleibe die Bundesregierung die Antwort schuldig, wie die Photovoltaik ins Energiesystem eingebunden werden solle, wenn nach 2020 deutlich über zehn Prozent des Stroms in Deutschland aus der Sonne stammten.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) kritisierte vor allem den nun beschlossenen, einmaligen Einschnitt von teilweise rund 30% als zu hoch. Er befürchtet, dass die Kostenentwicklung der Photovoltaik damit auf Dauer nicht Schritt halten kann.?Zudem kritisierte der BSW-Solar, dass die Bundesregierung weiterhin an ihrem Vorhaben festhält, den jährlichen Ausbau der Photovoltaik in Deutschland gegenüber den Vorjahren zu halbieren und die Förderung auf eine Spitzenleistung von insgesamt 52 Gigawatt zu begrenzen (bislang sind rund 27 GWp installiert).

Kritik kam auch vom Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena), Stephan Kohler, der den Kompromiss als „nicht optimal“ bezeichnete. Die Deckelung der Gesamtleistung auf 52 Gigawatt werde es zu einer weiteren Erhitzung des Solarmarktes in den nächsten Jahren führen. Dadurch, so Kohler, würden vor allem ausländische Hersteller billiger Module profitieren. "Mit dem Kompromiss zur Solarförderung haben Bund und Länder keine effiziente Lösung gefunden. Statt auf einen kostenbewussten und energiewirtschaftlich sinnvollen Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen, kommt es jetzt zum Ansturm auf die Fördergelder und einem unkontrollierten Ausbau der Photovoltaik." Sinnvoll wäre es stattdessen, so Kohler, den Ausbau auf jährlich 2.000 Megawatt zu beschränken. "Das Geld, das jetzt in die Subventionierung der Photovoltaik fließt, wäre besser dort eingesetzt, wo es am wirtschaftlichsten ist: in der Gebäudesanierung."

Foto: Bundesverband Solarwirtschaft

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