01.11.2015 Paul Wolff

DETAIL Fassadenreihe zu Gast in Köln

Sonnenhof Jena/ J. MAYER H. Architects; Foto: David Franck

„Heiter bis Wolkig“, so der Titel des ersten Vortrags von Hans Schneider, gab zunächst Einblick in die künstlerische Ideenwelt und Inspiration von J. Mayer H. Architekten durch eine stetig wachsende Sammlung von grafischen Datensicherungsmustern. Anhand von vier Projekten erläuterte er die Übersetzung in die Architektur und die Weiterentwicklung des Gestaltungsansatzes des Büros. Beim jüngst fertiggestellten Projekt „Sonnenhof“ in Jena konnte das Thema der Ausstellung „RAPPORT – Experimentelle Raumstrukturen“ in der Berlinischen Galerie konsequent auf die Architektur übertragen werden: die Fassade der Baukörper geht nahtlos in den Stadtraum über und führt damit zu einer Auflösung der Raumgrenzen von Wand und Boden. Im Unterschied zur Ausstellung erhält der öffentliche Raum zwischen den Baukörpern dadurch einen ambivalenten Charakter, der zwischen Innen- und Außenraum changiert. Das Leitmotiv „Zeigen und Verbergen“, mit dem die Fassadenkonzeption je nach Maßstab und Aufgabe unterschiedlich weiterentwickelt wurde, zeigte dagegen, wie sich die Fassade von der Umgebung bewusst spielerisch absetzen lässt. Zum Beispiel als Screen aus vertikalen Elementen beim Wohnhaus in der Berliner Johannisstraße, der je nach Position des Betrachters unterschiedliche Grade von Intimität ermöglicht; oder als gewellte Hülle bei einem Wohnhochhaus mit Ärztezentrum in Düsseldorf, mit der die Ausblicke auf die Rheinauen moduliert werden; und zuletzt als gebaute Topographie bei einem Entwurf für eine private Villa bei Moskau.
Die Aktualität des Werkstoffs Putz und die Vielfalt der Verarbeitungsmöglichkeiten demonstrierte Martin Sassning, Leiter technisches Marketing der quick-mix Gruppe, anhand zahlreicher Beispiele. Dass der flächige Einsatz nicht nur auf Glattputz in schmucklosem Weiß wie bei der Firmenzentrale von wmf beschränkt ist, zeigte Christoph Mäcklers Projekt „Wohnen am Dom“ in Frankfurt am Main mit makellos über Eck gezogenem roten Kammputz. Das Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten des Traditionswerkstoffs belegten letztlich auch zwei Beispiele von J. Mayer H. Architekten und Meili Peter Architekten: Beim „Sonnenhof“ in Jena, wo glatte, schräge Putzflächen die skulpturale Kraft des Baukörperensembles akzentuieren, und bei dem Wohn- und Geschäftshaus in der Münchner Leopoldstraße, wo durch die Kombination verschiedener Putzstrukturen die Gliederung eines ganzen Bauensembles gelingt.
Eine ganz andere Dimension eröffnete Lucio Blandini, Leiter Fassadenplanung Werner Sobek Dubai, in seinem Vortrag „Innovative Gebäudehüllen im 21. Jahrhundert: transparent, komplex, nachhaltig“, der die technologischen Entwicklungen im konstruktiven Glasbau eindrücklich nachvollziehbar machte. Der Quantensprung bei der Gestaltung von komplexen Geometrien durch parametrische Planungsinstrumente wird bereits am „Casa Natale Enzo Ferrari“ von Future Systems in Modena deutlich. Noch einen Schritt weiter geht der derzeit in Planung befindliche „2020 Tower“ von UN Studio in Dubai: hier sind Gebäudehülle und Baukörper nicht mehr voneinander zu trennen und bilden eine technologisch und konstruktiv integrierte, hochperformante Einheit.

JOH3 - Residential building Johannisstraße 3, Berlin/ J. MAYER H. Architects; Foto: Patricia Parinejad

Sonnenhof Jena/ J. MAYER H. Architects; Foto: David Franck

Wohn- und Geschäftshaus Chausseestraße, Berlin; Foto: quick-mix Gruppe

Neuapostolische Kirche, Michelfeld; Foto: quick-mix Gruppe

Wohn- und Geschäftshaus Chausseestraße, Berlin; Foto: quick-mix Gruppe

Neuapostolische Kirche, Michelfeld; Foto: quick-mix Gruppe

Jan Mehnert, bei Transsolar für dynamisch thermische Gebäudesimulation und Verifizierung durch Monitoring zuständig, eröffnete seinen Vortrag mit einem Einblick in ein aktuelles Forschungsprojekt der TU Berlin zum Thema Bauen mit Infraleichtbeton (ILC). Neben den guten energetischen Eigenschaften der monolithischen Bauweise mit integrierter aktiver Dämmung eröffnen sich mit ILC neue gestalterische Möglichkeiten hinsichtlich Modellierung, Strukturgebung und Oberflächenbehandlung von Sichtbeton. Das Prinzip der aktiven Dämmung erläuterte er am Beispiel der Design School Zollverein Essen, wo durch Nutzung des 29 Grad warmen Grubenwassers ein einschaliger Wandaufbau von nur 30 cm Dicke in Sichtbeton realisiert werden konnte. Dass energetische und komforttechnische Performance keineswegs der High-Tech-Materialien bedarf, zeigte Jan Mehnert anhand der NASMA Schule für syrische Flüchtlinge im Bekaa Valley im Libanon. Mit lokal verfügbaren Materialien wurde dort ein einfaches Schulgebäude errichtet, das durch den Einsatz von Erdkanälen und Solarkaminen die ganzjährige Nutzung bei angenehmem Raumklima ermöglicht.
Einen faszinierenden Einblick in die experimentelle Materialforschung der Lehr- und Forschungsplattform BAU KUNST ERFINDEN bot Thorsten Klooster mit seinem Vortrag „Sensitive Fassaden“. Mit BlingCrete – lichtreflektierendem Beton –, TouchCrete – berührungssensitivem Beton – und DysCrete – farbstoffsensitiviertem energieerzeugendem Beton – stellte er drei Beispiele für die Weiterentwicklung und Funktionalisierung der Oberfläche vor. Sie lassen das große kreative Gestaltungspotenzial  des Baustoffs erahnen. Besonders anschaulich wurden die Anwendungsmöglichkeiten etwa für die Lichtsteuerung mit TouchCrete in der Videosimulation, bei  der die ganze Wand zu einem Sensor-Actor System wird und die Lichtpaneele der Rasterdecke mit de von Touchpads vertrauten Gesten touch, swipe, pinch und zoom gesteuert werden.

Zum Abschluss stellte Andreas Müsseler mit seinem Vortrag „Steinerne Stadtergänzungen“ drei Fassadenkonzeptionen von Meili Peter Architekten vor: zwei Eingangsbauten zum Münchner Hofstattareal – die Werkstein-Fassade des Stadthauses Sendlinger Straße, die Keramik Fassade am Färbergraben – sowie die Putzfassade des Wohn- und Geschäftshauses Leopold- Ecke Hohenzollernstraße in München Schwabing. So traditionell diese Projekte in der Konzeption diese Projekte auch erscheinen mochten, so hochwertig und in einem positiven Sinne bodenständig ist diese Architektur, mit der das ganze Spektrum der architektonischen Aufgabe, vom Städtebau über die räumliche Organisation bis hin zur Fassade, bewältigt wird.
Die Bandbreite der Themen und gezeigten Beispiele hat einmal mehr deutlich gemacht: Die Weiterentwicklung von Planungsmethoden, technologischen Fertigungsweisen und Materialeigenschaften beschert dem Architekten heute eine nie dagewesene Palette von Ausdrucksmöglichkeiten.

Hofstatt Büro- und Geschäftshaus Färbergraben/ Meili, Peter Architekten München

Hofstatt Büro- und Geschäftshaus Färbergraben/ Meili, Peter Architekten München

Wohn- und Geschäftshaus Leopold-/Hohenzollernstraße/ Meili, Peter Architekten München

Wohn- und Geschäftshaus Leopold-/Hohenzollernstraße/ Meili, Peter Architekten München

Wohn- und Geschäftshaus Leopold-/Hohenzollernstraße/ Meili, Peter Architekten München

Hofstatt, Sendlinger Straße/ Meili, Peter Architekten München; Foto: Michael Heinrich

Conductive Concrete, magnetically patterned touch sensitive element/ Heike Klussmann, Thorsten Klooster; BAU KUNST ERFINDEN

Bling Crete, case study/ Heike Klussmann, Thorsten Klooster; BAU KUNST ERFINDEN

Japan Post Tower/ JAHN, Chicago; Tragwerksplanung: Werner Sobek; Foto: Tadashi Yoshihara, Tokyo

Enzo Ferrari Museum/ Future Systems, London; Tragwerksplanung: Werner Sobek; Foto: studio 129, Modena

Mansueto Library/ JAHN, Chicago; Tragwerksplanung: Werner Sobek; Foto: JAHN, Chicago

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