10.01.2010 Jakob Schoof

Die Entzweiten Nationen oder: Klimaschutz, quo vadis?

Nach dem Klimagipfel der Vereinten Nationen in Kopenhagen machte sich zunächst Ratlosigkeit breit bei allen Beteiligten. Lässt man den Zweckoptimismus einiger Politiker einmal außer Betracht, wird rasch klar: Ein weltweites, bindendes Abkommen zur CO2-Reduzierung wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Umso wichtiger ist daher eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, welche Ziele der Klimaschutz künftig verfolgen soll.

Foto: Greenpeace/flickr

Der Kopenhagener Klimagipfel ist gescheitert. Gleichzeitig setzt sich bei vielen Beteiligten die Einsicht durch, dass der gesamte, mühsame Verhandlungsprozess, auf dem er basierte, wenig zielführend ist. Es scheint kaum noch möglich, in der gegenwärtigen, zerfahrenen Verhandlungssituation zu jener bindenden und ambitionierten Vereinbarung zu gelangen, in die so viele Appelle und Sonntagsreden vor dem Gipfel ihre Hoffnungen setzten. Die Regierungen der USA und der größten Schwellenländer – allen voran China – sind nicht willens, bindende Zusagen für langfristige CO2-Emissionen zu machen. Dies entspricht dem generellen Widerwillen der Politik, sich überhaupt noch auf langfristige Planungen und Ziele festzulegen. In einer Zeit, in der eine Bedrohung – sei sie nun real wie die Finanzkrise oder nur als solche wahrgenommen wie die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins – der anderen auf dem Fuße folgt, verlegen sich die Regierenden allein noch aufs Reagieren. Sie versagen sich jede Unterschrift unter ein Abkommen, das ihre kurzfristigen Reaktionsspielräume beschneiden könnte.

Die Wenigsten glauben wie Bundeskanzlerin Angela Merkel noch daran, dem UN-Klimaprozess durch einfaches Weiterverhandeln doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Der Klima-Nationalismus und das Pochen auf nationale Souveränität haben in Kopenhagen über die Einsicht gesiegt, dass das Problem am besten gemeinsam anzugehen ist. Und, seien wir ehrlich: Gehörte die EU nicht zu den Vorreitern in Sachen Emissions-Reduktion, hätte auch sie sich wie China und die USA wohl gegen jegliche ambitionierte Vereinbarung gesperrt.

Auch in der Gesellschaft machen sich bereits erste Anzeichen der Klimamüdigkeit breit; „Klimaskeptiker“ gewinnen Oberwasser in den Diskussionsforen und die Zweifel wachsen, ob die Anstrengung zur CO2-Reduktion auf EU-Ebene überhaupt etwas bringen – außer ökonomischen Nachteilen. Sicher werden aus der deutschen Industrie demnächst die Stimmen noch lauter werden, die eine Abkehr vom bisherigen Klimakurs der Regierung fordern.

Dabei wurde, daran sei nochmals erinnert, in Kopenhagen keine einzige wissenschaftliche Erkenntnis über den Klimawandel widerlegt und keine der bisherigen Bemühungen hierzulande ad absurdum geführt. Die bereits begonnene Umstellung auf erneuerbare Energieversorgung kostet zwar zunächst Geld, steigert jedoch langfristig die Versorgungssicherheit – und trägt weiterhin zum Klimaschutz bei. Nicht nur hierzulande. Denn wo die Fähigkeit der Weltpolitik zur Selbstbeschränkung versagt, wo Appelle an Verhaltensveränderungen Einzelner nur marginale Erfolge zeitigen, kommt Technologie und deren Transfer von den Industrie- in die Schwellen- und Entwicklungsländer eine besonders wichtige Rolle zu. Nicht umsonst wurde in Kopenhagen so intensiv wie bisher bei keinem Klimagipfel um die Finanzen gestritten. Der Strukturwandel, den die Loslösung unserer Wirtschaftsweise von fossilen Energien mit sich bringt, kostet Geld und erfordert Know-How. Es wäre daher völlig verfehlt, nun über ein Ende der Energie-Einspeisevergütung nachzudenken oder Pläne für Elektroautos zurück in die Schublade zu verbannen. Die Weichen, die die Politik bis jetzt schon gestellt hat, führen irreversibel in Richtung höherer Energieeffizienz und erneuerbarer Energien.

Notwendig wird künftig allerdings auch ein Umdenken in der Klimadiskussion: Statt „globalen Klimakitsch“ mit Eisbären auf schmelzenden Eisschollen zu verbreiten (ein Begriff, den Hans Joachim Schellnhuber, Leiter des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, mit Bezug auf die Diskussionen in Kopenhagen prägte), muss nun eine wirkliche gesellschaftliche Diskussion beginnen. Die wirklich wichtigen Fragen müssen auf den Tisch wie: Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen, um unsere Emissionen zu verringern? Was muss geschehen, um wohlmeinenden, aber bislang nicht ausreichenden Maßnahmen zu mehr Wirkungsmacht zu verhelfen? Wie viel leisten Anreize, und welche Grenzen müssen gesetzt werden? Wie stark soll unsere Wirtschaft künftig noch wachsen, und wie viel „Entkoppelung“ von Wachstum und CO2-Ausstoß ist möglich? Und, natürlich: Wer zahlt das alles, und welche lieb gewonnenen Wahlgeschenke müssen womöglich entfallen, weil der Klimaschutz künftig höhere Priorität besitzt? Es hat einen Hauch von absurdem Theater, wenn die Kanzlerin nach Kopenhagen reist und ihre Regierung fast zeitgleich bei skeptischen Ministerpräsidenten um Zustimmung für ein milliardenschweres „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ buhlt.

Auch die Klima-Aktivisten sollten sich künftig die Frage stellen, ob ihre Appelle an die Regierungen der Welt überhaupt noch fruchten und sie sich nicht lieber die „Bremser“ im Zug Richtung Klimaschutz selbst vorknöpfen sollten. Dies sind nämlich nur selten die Politiker selbst, sondern wohl organisierte, gut vernetzte Lobbygruppen, die gern im Verborgenen agieren. An Klimakompromissen wird von vielen Seiten „gesägt“: von Minenbetreibern, Mineralölfirmen und manchem großen Energieversorger – letztlich von all jenen Interessensgruppen, die eine möglichst großes Interesse an der Beibehaltung des fossil-energetischen Status quo haben. Auch darin könnte sich Zivilcourage künftig messen, den Einfluss der Lobbyisten aufzudecken und ihre Botschaften zu entlarven. Allerdings sollte sich dabei jeder bewusst sein: Der Zeigefinger, mit dem man auf andere zeigt, kann sehr leicht wieder auf einen selbst zurückweisen. Denn der Gedanke, dass es Klimaschutz ohne jede Änderung des eigenen Lebensstils geben könne, sollte spätestens seit Kopenhagen ins Reich der historischen Irrlehren verwiesen werden.
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