04.11.2014 Jakob Schoof

Die Quadratur des Kreises: weiße Photovoltaikmodule entwickelt

Beim diesjährigen „Energy Forum“ in Brixen haben Schweizer Forscher erstmals weiße Solarmodule mit einem Wirkungsgrad über 10% präsentiert. Bislang galt dies als praktisch unmöglich, da weiße Oberflächen einen Großteil des sichtbaren Lichts reflektieren.

Wurden erstmals beim Energy Forum in Brixen der Öffentlichkeit präsentiert: die weißen Photovoltaikmodule des Forschungszentrums CSEM. Foto: CSEM

Wer bis dato noch meinte, Photovoltaikfassaden und –dächer kämen per se im blau glitzernden oder mattschwarzen Gewand daher, wird umdenken müssen: Mit Hochdruck arbeiten derzeit vor allem Schweizer Forscher daran, Solarmodule in immer neuen Farben herzustellen. Trivial ist diese Aufgabe nicht: Je heller die Moduloberfläche, desto mehr sichtbares Licht reflektiert sie und desto geringer der Wirkungsgrad. Daraus resultiert letztlich auch das blau-schwarze Einerlei auf den meisten bisherigen Solardächern.

Nun jedoch ist es Jordi Escarre Palou und seinem Team vom schweizerischen Forschungszentrum CSEM in Neuchâtel (Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique) gelungen, weiße Solarmodule mit einem Wirkungsgrad von über 10% herzustellen. Laut Escarre Palou können in die Module prinzipiell alle gängigen Solarzellentypen eingebaut werden. "Den höchsten Wirkungsgrad erhalten wir bei einer Kombination von kristallinen Hochleistungs-Solarzellen mit einem nanotechnologisch bearbeiteten Film, der nur eine bestimmte Wellenlänge des Lichts filtert, dies zur Zelle hindurch lässt und das sichtbare Spektrum als diffuses Licht reflektiert", erklärte Palou beim diesjährigen Energy Forum Ende Oktober in Brixen. Das Resultat ist eine homogene weiße Oberfläche des Solarmoduls ohne sichtbare Zellstruktur, das Modul erscheint wie ein großes weißes Blatt Papier mit einer schützenden Glasoberfläche.

In Brixen standen die architektonischen Aspekte der Module im Vordergrund: Da weiße Module sich weniger aufheizen, ist das Problem der Hinterlüftung reduziert. In heißen und daher häufig von weißen Gebäuden dominierten Regionen lassen sich diese Module leichter in die Gebäudehülle integrieren. "Diese Technologie lässt sich auch in vielen anderen Farbtönen produzieren, z.B. Silber, Grau, aber auch in diversen Buntfarben", erklärte der Industrie-Designer Patrick Heinstein vom PV-Lab des Polytechnikums EPFL in Neuchâtel, der das CSEM Team bei der Entwicklung in Fragen zur Produktästhetik beraten hat.

Jordi Escarre Palou und Patrick Heinstein. Foto: CSEM

Nur die Infrarotstrahlung wird genutzt
Das Geheimnis der Module liegt in ihrem dreischichtigen Aufbau: Um einen Modulwirkungsgrad von über 10 % zu erreichen, verwendeten die Schweizer Forscher für ihrem Prototypen hocheffiziente HIT-Solarzellen, die normalerweise Wirkungsgrade von fast 20 % erreichen. Darüber wird die bereits genannte, nanotechnisch bearbeitete Folie angebracht, die lediglich den Infrarotanteil der Strahlung durchlässt und das sichtbare Spektrum reflektiert. Eine zweite, diesmal lichtstreuende Folie auf dem Deckglas des Moduls sorgt dafür, dass das Modul gleichmäßig weiß (und nicht spiegelnd wie ein Badezimmerspiegel) erscheint. Die Solarzellen nutzen in diesem Fall also nur die Infrarotanteile des Lichts; ihr Wirkungsgrad sinkt damit (bezogen auf das gesamte Lichtspektrum) auf knapp über 11 %. Laut Jordi Escarre Palou ließen sich auf Basis der weißen Module auch zahlreiche andere Modulfarben realisieren, wenn weitere Farbfolien auf die Moduloberfläche laminiert werden. Der Wirkungsgrad sinkt dadurch kaum noch, da die meisten am Markt verfügbaren Kunststofffolien hoch durchlässig für Infrarotstrahlung sind.
Ideenschmiede EPFL
Die weißen Module sind lediglich das jüngste Erzeugnis Schweizer Provenienz im Bereich der farbigen Photovoltaik. Besonders die Ecole Polytechnique Fédérale (EPFL) in Lausanne ist in diesem Bereich führend. Im vergangenen Jahr präsentierte der Schweizer Hersteller Acomet Solar beim Energy Forum Solarmodule mit farbigen Deckgläsern, die an der EPFL entwickelt und durch den Schweizer Glashersteller SwissInso patentiert wurden. Das opake, gehärtete und – zwecks eines höheren Modulertrags – antireflexbeschichtete „Kromatix“-Glas verdeckt das „Innenleben“ der Module fast komplett, resultiert laut Acomet Solar jedoch nur in minimalen Energieeinbußen von 2 bis 8?% je nach Farbton.

Farbige Photovoltaikmodule (Typ ColorPower) der Firma Acomet Solar am eigenen Firmensitz in Collombey/Schweiz. Die Kromatix-Solargläser sind in Blau, Grün, Grau und Orange erhältlich.

Noch wesentlich älter ist eine dritte Technik der Farbgebung bei Solarzellen, deren Wiege ebenfalls an der EPFL steht: die Grätzel-Zelle. Benannt ist sie nach ihrem Erfinder Michael Grätzel, der die Zellen 1992 patentieren ließ. Da bei ihnen nicht das Deckglas, sondern die Zelle selbst farbig ist, spricht man auch von Farbstoff-Solarzellen. Ihre Funktionsweise ähnelt eher der Photosynthese in Pflanzen als jener herkömmlicher Silizium-Solarzellen. Die Grätzel-Zellen sind transluzent und prinzipiell kostengünstig herzustellen. Bislang standen ihrer Verwendung in der Architektur jedoch der geringe Wirkungsgrad und ihre geringe Haltbarkeit entgegen. Zumindest letzteres Problem scheint nun jedoch gelöst: Am neuen Kongresszentrum der EPFL in Lausanne, dem Swisstech Convention Center, installierten die Architekten Richter & Dahl Rocha erstmals eine, gemeinsam mit den Künstlern Daniel Schlaepfer und Catherine Bolle gestaltete, 300 Quadratmeter große Glasfassade mit 1400 integrierten Grätzel-Solarmodulen in fünf Farben.

Swisstech Convention Center, Lausanne (Richter & Dahl Rocha): Gesamtansicht und Innenansicht der Solarfassade. Fotos: Fernando Guerra

Bisher kein Produkt für den Massenmarkt
Bliebe noch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Den prognostizierten Ertrag der Anlage gibt die EPFL mit 2000 Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr an. Da wirft so manche Photovoltaikanlage auf einem Einfamilienhausdach mehr ab. Mit der Grätzel-Fassade lässt sich also vor allem auf gestalterischer Ebene Staat machen – die Farbstoff-Solarzellen bewirken im Gegenlicht ein faszinierendes Farbenspiel und verringern außerdem den Wärmeeintrag in die dahinter liegende Halle. Wer mit seiner Solaranlage ernsthaft Strom erzeugen will, ist freilich mit den beiden zuvor genannten Technologien besser bedient. Bei ihnen ist es eher der erhöhte Preis, der einer raschen Verbreitung am Markt entgegen steht. Für PV-Module mit Kromatix-Deckglas muss man mit einem Aufpreis von rund 80 Euro je Quadratmeter rechnen. Und die weißen Module „made by CSEM“ sind momentan noch überhaupt nicht am Markt erhältlich. Ihre Einführung ist für 2015 geplant.
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