02.04.2014 Jakob Schoof

Energieeffizienz und generationengerecht: Hans-Sauer-Preis 2014 vergeben

Der von der gleichnamigen Stiftung vergebene Hans-Sauer-Preis zeichnet in diesem Jahr Bauten aus, die in puncto Energieeffizienz ebenso Höchstleistungen erbringen wie bei der sozialen Nachhaltigkeit. Die drei Preisträger stehen in Augsburg, Wien und Kriens bei Luzern. Hans Sauer (1923-1996) war Elektroingenieur, Erfinder und Unternehmer mit einem Faible für Kybernetik und Bionik. Ein ähnlich vielseitiges Profil hat auch der nach ihm benannte Preis, der seit 2006 von der gleichnamigen Stiftung vergeben wird: Bislang wurden damit herausragende Forschungsarbeiten zum Thema Patentierung ebenso ausgezeichnet wie Innovationen in der Umwelttechnik und technische Hilfsmittel für ein selbstbestimmtes Leben im Alter.

Zur vierten Ausgabe des mit 15.000 Euro dotierten Preises hat sich die Stiftung nun einem besonders zukunftsträchtigen Thema gewidmet: der Architektur – und hier insbesondere Gebäuden, die Energieeffizienz und Barrierearmut beispielhaft miteinander verbinden. Schließlich werden in Deutschland, wie der Berliner Architekt und Jurymitglied des Preises, Eckhard Feddersen, bei der Preisverleihung vorrechnete, schon bald rund 1,5 Millionen altersgerechte Wohnungen fehlen.

Wer heutzutage also wirklich generationengerecht bauen und sanieren wird, muss zweierlei berücksichtigen: Energieeffizienz und ökologische Nachhaltigkeit auf der einen Seite und soziale Nachhaltigkeit auf der anderen. Den drei Preisträgern 2014 – ein Neubau und zwei sehr unterschiedliche Sanierungen – gelingt dieser Brückenschlag auf beispielhafte Weise. Sie mussten sich wie alle eingereichten Projekte (zugelassen waren ausschließlich Wohnungsbauten im städtischen Umfeld) an einem ungewöhnlich detaillierten Kriterienkatalog messen, der von der Standortqualität und Wirtschaftlichkeit über die Barrierefreiheit bis zur Ressourcenschonung reichte.

Zehn Projekte hatte die achtköpfige, vorwiegend aus Architekten und Stadtplanern bestehende Jury für die Endausscheidung nominiert. Mitte März fand schließlich die Preisverleihung statt. Dabei wurden zwei Hauptpreise in den Kategorien „Neubau“ und „Bestand“ sowie ein Sonderpreis für „Soziale Innovation“ vergeben.
Preisträger Kategorie Neubau: Mehrfamilienhaus Kirchrainweg 4a, Kriens (CH)
Architekten: aardeplan ag

Foto: Aura Fotoagentur, Luzern

Auf dem Areal einer ehemaligen Werkzeugfabrik im Ortszentrum von Kriens bei Luzern haben die Architekten aardeplan einen Wohn- und Bürobau realisiert, der viele Qualitäten in sich vereint: Er erreicht den Schweizer Plusenergiestandard Minergie-A-ECO, entspricht den Anforderungen der Schweizer 2000-Watt-Gesellschaft und besitzt ein hohes Maß an Nutzungsflexibilität. Das Prädikat „-ECO“ besagt außerdem, dass für die „Graue Energie“ im Gebäude enge Grenzwerte galten und das Gebäude ferner in puncto Schadstoffbelastung, Schallschutz und Tageslicht Anforderungen erreichen musste, die über das gesetzliche Maß hinausgehen.

In dem fünfgeschossigen Gebäude sind insgesamt fünf Wohn- und zwei Büroeinheiten untergebracht, wobei Letztere sich in einem halb im Erdboden eingegrabenen „Loftgeschoss“ befinden. Jede Wohnung verfügt über eine Art Schaltraum, der entweder der Wohnung zugeschlagen oder separat vermietet werden kann. Als wichtigste Baumaterialien dienten Recyclingbeton und einheimisches Weißtannenholz. Mit einem Heizwärmebedarf von 14,4 kWh/m²a liegt das Mehrfamilienhaus im Bereich eines Passivhauses. Die Elektrizität für die Luft/Wasser-Wärmepumpe sowie die Hilfsenergie liefern Photovoltaikmodule, die nahezu auf dem gesamten flach geneigten Dach (inklusive der Nordseite) angebracht sind. So wird das Gebäude gemäß der Berechnungsmethodik des Minergie-A-Standards zum Plusenergiehaus.

Foto: Aura Fotoagentur, Luzern

Preisträger Kategorie Bestand: Modernisierung Grüntenstraße 30-36, Augsburg (D)
Architekten: lattkearchitekten

Foto: lattkearchitekten

Der Wohnblock aus den 60er-Jahren in der Augsburger Grüntenstraße war nicht nur energetisch in die Jahre gekommen, sondern auch erschließungstechnisch alles andere als zukunftstauglich: Aufzüge gab es zwar, doch deren Ausstiege lagen jeweils auf „halber Treppe“ – ein barrierefreier Zugang zu den Wohnungen war somit Fehlanzeige.

Bei der Sanierung ließen lattkearchitekten daher nicht nur die Fassade dämmen und die Heizung erneuern, sondern auch gleich die Bäder auf Vordermann bringen und die Aufzüge austauschen. Dabei wurde auch die Erschließungssituation insofern „begradigt“, als nun alle Bewohner ohne Niveauversprünge in ihre Wohnungen gelangen können. Die Wohnungsgrößen und –grundrisse blieben indessen unverändert.

Da die Sanierung im bewohnten Zustand stattfand, war Tempo gefragt. Die Architekten griffen daher auf das (vom Architekten Frank Lattke am Fachgebiet Holzbau der TU Münche mit entwickelte) Holztafelsystem „TES Energy Facade“ zurück. Die vorgefertigten Holzelemente mit Verkleidung aus sägerauen, weiß gestrichenen Brettern hüllen das Bestandsgebäude nun komplett ein; wobei die bestehenden Balkone zu Wintergärten umfunktioniert wurden.  Das sanierte Gebäude erreicht einen Heizwärmebedarf von 32 kWh/m²a und damit fast den Grenzwert für Passivhaussanierungen (25 kWh/m²a).  

Foto: Eckhart Matthäus

Preisträger „Soziale Innovation“: VinziRast – mittendrin, Wien (A)
Architekten: gaupenraub x/-

Foto: Kurt Kuball

Foto: Sebastian Schubert

Studenten und Obdachlose sanieren gemeinsam ein seit Jahrzehnten leerstehendes Biedermeierhaus in Wien: Bei „VinziRast – mittendrin“ gerät die ökologische Nachhaltigkeit fast zur Nebensache, obwohl der Erhalt des Gebäudes und die erreichten Energiekennwerte (Heizwärmebedarf 32 kWh/m²a) aller Ehren wert sind. Das Ungewöhnliche an dem Projekt sind jedoch die Vorgeschichte und die heutige Nutzung: Angefangen hatte alles mit einer Protestaktion gegen den Mangel an Studentenwohnungen an der Wiener Uni. Es setzte sich fort in dem (vom Chef des österreichischen Bauunternehmens Strabag, Hans Peter Haselsteiner, finanzierten) Ankauf des leerstehenden Hauses, der Umbauplanung durch die Architekten gaupenraub +/- und schließlich der Sanierung selbst, die von den späteren Bewohnern weitgehend in Eigenarbeit durchgeführt wurde.

Dabei ging es nicht nur um Wohnraum: Im Erdgeschoss des Altbaus entstand auch eine Kneipe als Treffpunkt im Quartier und Zuverdienstmöglichkeit für die Bewohner. Gewohnt wird in „gemischten“ Dreier-WGs (Studenten und ehemals Obdachlose gemeinsam). Beim Umbau stand der weitgehende Erhalt der alten Bausubstanz im Vordergrund: Die ehemaligen Dachbalken fungieren nun als Bar-Tresen; die einstigen Dachziegel als Bodenbelag in den Werkstätten und das verglaste Tonnendach über der Terrasse im Hof stammt aus einem alten Industriegebäude. Ein besonderer Blickfang ist die Deckenverkleidung der Kneipe: Sie wurde von den Bewohnern in mühsamer Handarbeit aus dem Holz alter Obstkisten gezimmert.
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