26.06.2006

Estrich auf Trennlage mit Kantenschäden

Örtliche Situation - Aufbau Für eine Industriehalle wurde vom Architekten ein Hartstoffestrich auf Trennlage ausgeschrieben. Bild 2 zeigt an einem durch Trennschnitte hergestellten Aufschluss den Aufbau von unten nach oben wie folgt 1. PE-Folie, einlagig überlappt; ausgelegt auf der Bodenplatte aus? Stahlbeton B25, 2. Zementestrich ZE 30 nach DIN 18 560 in Solldicke d = 5 cm mit einlagiger mittiger Bewehrung aus geschweißten Betonstahlmatten, 3. sowie die in diesen "frisch in frisch" eingearbeitete Hartstoff-Verschleißschicht von 1 cm Solldicke, die maschinell zugerieben und geglättet wurde.

Längs der Bodenkanälen wurden die aus Bild 2 ersichtlichen Randprofile einnivelliert und durch Mörtelkeile und Stahlpratzen fixiert.

Technische Beurteilung
Mangelursache/technische Anforderungen

Der Estrich zeigt an entnommenen Proben und an Aufschlüssen ein gut verdichtetes, gleichmäßiges Gefüge; die Hartstoffschicht liegt durchgängig in ungestörtem Verbund mit der Unterschicht. Die Estrich-Oberfläche ist in Gefüge, Struktur und Färbung gleichmäßig und ohne merklichen Abrieb. Auch die Ebenflächigkeit ist außerhalb der Randbereiche nicht zu beanstanden.

Randverformungen
Längs der Bodenkanäle und an freien Ecken hat sich der Estrich aufgewölbt. Mit der Meßlatte wird das Maß der Aufwölbung zu überwiegend 3 bis 6 mm, gelegentlich bis zu 10 mm, ermittelt. Dass es sich hierbei um Verformungen handelt, die erst nach der Herstellung aufgetreten sind, zeigt der Spalt zwischen Estrich und Mörtelkeil in Bild 2.

Aufschüsseln des Estrichs
Das nachträgliche Aufwölben der kanten- und eckennahen Bereiche dünner, nicht im Verbund liegender Zementestriche ist als "Aufschüsselung" bekannt. Es ist die unmittelbare Folge des ungleichmäßigen Trocknungsschwindens der Estrichplatte: der obere Randbereich trocknet schneller als die tieferliegenden Schichten aus und verkürzt sich entsprechend stärker. Es entstehen sog. Wölbspannungen, die den Rand der Platte nach oben verformen. Auch nach dem vollständigen Austrocknen bleibt wegen der teilweise plastischen Verformungseigenschaften des Betons immer eine nennenswerte Aufwölbung bzw. Aufschüsselung zurück.
Das Trocknungsschwinden des Betons bzw. des Estrichmörtels als werkstofftypische Eigenschaft und in der Folge das Aufschüsseln der Randbereiche ohne Verbund liegender Estrichplatten ist dem Grunde nach beim Ausführenden nicht rügfähig; der "Estrich auf Trennlage" war ausdrücklich ausgeschrieben. Soll ein Aufschüsseln verhindert werden, muß der Estrich im Verbund mit dem Untergrund eingebaut werden; bei intaktem Verbund kann ein Aufschüsseln nicht stattfinden.
Die aufgeschüsselten Randbereiche werden beim Überfahren auf Biegung beansprucht; bei dünnen Estrichplatten reicht die Aufschüsselung erfahrungsgemäß etwa 40 bis 80 cm in die Platte hinein. Dort tritt die höchste Biegebeanspruchung aus der Nutzung auf. Jedoch werden hier keine Rissbildungen festgestellt: die Biegebeanspruchung der Platte aus Einzellasten (Räder der Stapler) liegt offensichtlich noch unter der Biegezugfestigkeit des Estrichs.

Rechtliche Beurteilung
Aufteilung zwischen Planer und Unternehmer

Die Kosten für die beschriebene Beseitigung der Mängel teilen sich zwischen dem Planer und dem Estrichleger auf. Beide haben vertragswidrig die Mängel verursacht. Die Einstandspflicht bemisst sich nach §§ 278, 254 BGB dahin, dass den Unternehmer 75 % und den Planer 25% treffen. Im Umfang dieser 25% kann der auf Nachbesserung in Anspruch genommene Estrichleger vom Auftraggeber die Gestellung einer Sicherheit vor Ausführung der Nachbesserung verlangen. Dass die Leistung praktisch auf eine Neuherstellung hinausläuft, schließt diese Art der Mängelbeseitigung nicht aus. Denn ist anders als durch eine Neuherstellung der Mangel auf Dauer nicht zu beseitigen, hat der Auftraggeber auch nach der Abnahme einen solchen Anspruch auf Neuherstellung.

Verantwortung
Planungs- und Ausschreibungsfehler
Gebot zur risikofreien Planung

Die Verantwortung trifft den ausschreibenden Architekten und den Estrichleger.
Nach der technischen Beurteilung war die Ausschreibung eines Estrichs auf Trennlage mit einem erheblichen Risiko behaftet. Denn wenn auch nach dem vollständigen Austrocknen wegen der teilweise plastischen Verformungseigenschaften des Betons immer eine Aufwölbung oder Aufschüsselung zurückbleibt, dann kam angesichts der Nutzung der Halle mit Gabelstaplern wegen der Abbruchgefahren, die sich im Fall auch realisiert haben, allein ein Estrich im Verbund in Betracht. Der Architekt ist gehalten', seiner Planung nur solche Konstruktionen zugrunde zu legen, von denen er völlig sicher ist, dass sie den an sie zu stellenden Anforderungen genügen (BGH BauR 1981, 479; BauR 1976, 66, 67). Angesichts der Aufschüsselungsgefahr entlang der Bodenkanäle, bei denen dann ein Abbruch im Zuge des Überfahrens mit Gabelstaplern mehr oder minder vorauszusehen war, war die Planung risikobehaftet und damit fehlerhaft.
Hierauf geht das Mangelbild am Bauwerk zurück.

Vertragswidrigkeiten des Estrichlegers
Den Estrichleger trifft an diesem Mangelbild die Verantwortung aus zwei Gründen. Einmal liegt ein Ausführungsfehler vor, zum anderen ein Verstoß gegen die ihn treffenden Prüfungs- und Mitteilungspflichten.
Der Ausführungsfehler
Die Technische Beurteilung sieht in der Ausführung des Estrichs mit einer dreiecksförmig auf null auslaufenden Kante einen Fehler. Der Estrich auf Trennlage soll nach DIN 18 560 Teil 4 Abschnitt 5.2 mit einer Mindestdicke von wenigstens 3,5 cm ausgeführt werden. Dies wäre auch durchgängig im Bereich der Randprofile möglich gewesen. Denn deren Befestigung über den Mörtelkeil (vgl. Bild 2) ist nicht zwingend geboten. Die Ausschreibung hat insoweit dem Estrichleger freie Hand gelassen. Technisch wäre die Befestigung auch mit eingedübelten Stahllaschen am tragenden Untergrund möglich gewesen. Damit hätte der Estrich in einheitlicher Dicke über die gesamte Betondecke verlegt werden können.

Foto: Lumon

Foto: Lumon

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