30.07.2009

.... first we take Manhattan, then we take Berlin....


Neue Sammlung Pinakothek der Moderne

New York - Berlin. Photographien. Gerrit Engel
29.07.2009 - 01.11.2009 | München

Berlin - von den politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts geprägt wie keine zweite Metropole - und Manhattan, New York, der Inbegriff von Stadt, Metropolis der Moderne. In den Aufnahmen von Gerrit Engel werden diese beiden, zu Klischees gewordenen Städte wieder völlig fremd und neu gesehen. Er fokussiert ihre Bauten wie ein Forscher exotische Individuen. Fasziniert, jedoch gleichsam aus wissenschaftlicher Distanz. Mit "botanisiertrommelhafter Sachlichkeit" (G. Matzig), aber nicht ohne Zuneigung.
Gerrit Engels Architekturfotografien sind Portraitstudien von Häusern mit ihrem jeweils eigenen Gesicht, die sich zum Portrait der gesamten Stadt zusammenfügen - Stadtgeschichte anhand von Ablichtungen ihrer markanten, mehr oder weniger schönen, großen oder kleinen, spektakulären oder auch nur pittoresken Gebäude. So entstand die tatsächlich erste Typologie der Architektur Manhattans und - 20 Jahre nach dem Mauerfall - Berlins.
Gerrit Engel, 1965 in Essen geboren, in München und New York ausgebildeter Architekt und Fotograf, lebt heute in Berlin. 1997 erschien sein viel beachtetes Debüt mit der Fotoserie der Buffalo Grain Elevators - gleichsam auf den Spuren von Walter Gropius und Le Corbusier. 1999 folgte die Serie über Marzahn, Berlin; eine Auswahl daraus zeigte Die Neue Sammlung im Jahr 2000 in Nürnberg zur Eröffnung des Neuen Museum für Kunst und Design.
Zehn Jahre danach stellt Die Neue Sammlung nun die jüngsten Arbeiten des Fotografen in der Pinakothek der Moderne vor: seine Manhattan- und Berlin-Serien, für deren Publikationen Gerrit Engel die Gebäude nach ihrer Entstehungszeit chronologisch ordnete, ein Novum in Architekturbildbänden.
Für die Ausstellung der Neuen Sammlung traf Gerrit Engel eine Auswahl aus beiden Serien und verließ die chronologische Ordnung zugunsten einer, innere architekturgeschichtliche und stilistische Verwandtschaften aufdeckenden Installation. Was beide Serien über die magische Anziehungskraft ihrer Sujets hinaus eint, ist das ganz charakteristische, milchig-sanfte Hellgrauweiß des Himmels, vor dem alle Details und Farbnuancen umso klarer erscheinen - vermeintliche Nebensächlichkeiten wie Baumkronen, Briefkästen, Plakatständer, Autos oder zufällige Passanten ebenso wie vor allem die Bauten selbst mit ihren Physiognomien.
Pressetext
Deutsche Architekten wie Walter Gropius und Mies van der Rohe bauten mit dem PanAm- Hochhaus und dem Seagram Building Wahrzeichen von New York. Amerikaner im Gegenzug die Kongresshalle »Schwangere Auster« und John Hejduk und Peter Eisenmann Wohnungsbauten für die Internationale Bauausstellung in den 80er Jahren.
Auch die Zeit und die Zeitlosigkeit von Architektur wird thematisiert: Manhatten zeigt Gerrit Engel vor 9/11 noch mit den Twintowers des World Trade Centers, Berlin nach dem Fall der Mauer.
Doch wie sind die Werkgruppen Berlin und New York zueinander in Beziehung gesetzt?

Die eigentliche Leistung der Ausstellung liegt nicht nur in der hervorragenden Qualität der Bilder selbst, sondern in deren Zusammenspiel. Die Ausstellungsgestaltung scheint räumlich klar und einfach, die daraus resultierenden Wechselwirkungen zwischen den Bildern sind jedoch verblüffend komplex. In die Mitte des quadratischen Ausstellungssaals sind auf kreuzförmigem Grundriss vier raumhohe Wände eingestellt, die den Raum in vier Quadranten teilen. Je zwei dieser Quadranten zeigen Berlin bzw. New York.

Foto: Frank Kaltenbach

Vor den grauen Wänden in Raummitte sind jeweils zwei bis drei große Formate rahmenlos nebeneinander gehängt, während an den weiß belassenen Außenwänden die selben Motive – nur kleiner und hinter Glas gerahmt – in anderer Zusammenstellung zu matrixartigen Feldern arrangiert sind.

Foto: Frank Kaltenbach

Foto: Fank Kaltenbach

Die interessantesten Querbezüge ergeben sich jedoch, wenn der Besucher im Vordergrund zum Beispiel den » Bierpinsel« ein Berliner Wahrzeichen aus den 70er Jahren betrachtet und die Wolkenkratzer der amerikanischen Metropole den Hintergrund bilden. Dann wird das konkrete Bild zum abstrakten Typus für das Thema Ikonografie in der Architektur.

Foto: Frank Kaltenbach

Durch den wechselnden Betrachtungsabstand gibt es nicht nur auf den sehr detaillgetreuen Fotografien immer wieder neues zu entdecken. Die kreisende Bewegung von Quadrant zu Quadrant – von Berlin nach New York nach Berlin – verwandelt die Fotografien zu Ausschnitten aus einem Film, zum Gang durch eine imaginäre Stadt, die sich der Besucher je nachdem welchen Weg er einschlägt, selbst bauen kann.

Foto: Gerrit Engel

Foto: Frank Kaltenbach

Publikationen zu den Zyklen Berlin und New York von Gerrit Engel sind bei Schirmer/Mosel erschienen. Jedoch als von einander unabhängige Bücher.
Was das Medium Buch nicht leisten kann, ist die simultane Wahrnehmung mehrerer großformatiger Bilder.
In der Ausstellung kann man sie studieren Seite an Seite: Die Meisterwerke von Rem Koolhaas, David Chipperfield, Jean Nouvel. Wenn ein Bunker neben einer Kirche, wenn das gläserne Forschungszentrum in Adlershof von Sauerbruch Hutton an einer Wand hängt mit dem gestreiften Wissenschaftszentrum von Jim Stirling und der Neuen Wache von Karlfriedrich Schinkel, wird das Bild auch ohne jeden Text zum Lehrstück für Architektur.
Wer sich für das Phänomen Raum, Zeit und Architekturfotografie interessiert sollte sich die Ausstellung von Gerrit Engel in der Neuen Sammlung nicht entgehen lassen.

www.die-neue-sammlung.de

Foto: Frank Kaltenbach

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