19.05.2015 Jakob Schoof

Frankfurt, Lyon, Dalian: Dreimal Coop Himmelb(l)au im DAM

»Architektur muss brennen« - das war einmal. Heute realisiert das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au  auf ganz pragmatische Weise Großprojekte rund um den Globus. Drei davon dokumentiert das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt derzeit in einer angenehm konzentrierten Ausstellung. Dauer: bis 23. August 2015
Ort: Deutsches Architekturmuseum DAM, Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt am Main

Riesentier aus Stahl und Glas: Das Technikmuseum Musée des Confluences in Lyon. Foto: Sergio Pirrone

Rund acht Jahre lang bewegte sich ein Architekturbüro im Durchschnitt am Zenit seiner Schaffenskraft, sagte Wolf D. Prix vor einigen Jahren einmal in einem Interview. Sein eigenes Büro Coop Himmelb(l)au hält sich inzwischen schon einige Jahre länger in der europäischen Spitze. Das gilt zumindest, wenn man die Genese jener drei Bauten zum Maßstab nimmt, die derzeit im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt gezeigt werden. Bereits 2001 gewann das Wiener Büro den Wettbewerb um das »Musée des Confluences« in Lyon, das nun Ende 2014 endlich eingeweiht wurde. 2003 folgte dann der Gewinn des wohl größten und prestigeträchtigsten offenen Wettbewerbs des vergangenen Jahrzehnts für die Zentrale der EZB in Frankfurt. Von geradezu chinesischer Effizienz waren demgegenüber Planung und Bau des Kongresszentrums in Dalian geprägt: Hier vergingen gerade einmal vier Jahre zwischen Auftragserteilung 2008 und Fertigstellung 2012.

Musée des Confluences. Foto: Sergio Pirrone

Höhenflüge der Fantasie, gebaut aus Stahl, Glas und Silikon
Zusammengenommen ergeben diese drei Bauten das Herzstück der aktuellen Ausstellung im DAM. Dazu gesellen sich als Ein- und Ausführung Text- und Bildwände, die die Arbeitsweise des Büros verdeutlichen und per Zeitstrahl einen Überblick über die bisher geplanten und realisierten »B(l)auwerke« aus dem Hause Coop Himmelb(l)au geben. Im Gedächtnis haften bleiben hier vor allem die Textfragmente, denn Wolf D. Prix hat es neben dem Bauen stets auch verstanden, das aktuelle Baugeschehen zu kommentieren, zu polemisieren und die eigenen Entwürfe theoretisch zu grundieren. Hier ein paar Beispiele: »Hätte Dädalus statt Wachs Silikon verwendet, würde Ikarus noch heute fliegen.« Oder das folgende »Mission Statement« aus der Gründerphase des Büros kurz nach 1968: »Coop Himmelblau ist keine Farbe, sondern die Idee, Archtektur mit Phantasie leicht und veränderbar wie Wolken zu machen.« Unvergessen bleibt natürlich auch das Manifest »Architektur muss brennen« von 1980. Darin heißt es zum Beispiel: »Wir haben es satt, Palladio und andere historische Masken zu sehen. Weil wir in der Architektur nicht alles das ausschließen wollen, was unruhig macht.«

Umstrittener Neubau: Verwaltungszentrale der EZB in Frankfurt. Foto: Paul Raftery

Wenn heute rund um die Bauten von Coop Himmelb(l)au noch etwas brennt, dann am ehesten die Autos, die junge Krawallmacher anlässlich der EZB-Eröffnung im Frühjahr 2015 entzündet haben. Das war Anfang der 1970er-Jahre anders, als sich die jungen Wiener noch ebenso sehr als Happening-Künstler wie als Architekten verstanden. Bei der Inszenierung »Hard Space« zum Beispiel brachten sie 1970 noch 180 Sprengsätze im Rhythmus ihres eigenen Herzschlags zur Detonation, die Prix, Swiczinsky & Co. auf einem Feld in Schwechat bei Wien ausgelegt hatten.

Präsentationsmodell des Kongresszentrums in Dalian, China. Foto: Jakob Schoof

Architektur als Prozess und Objekt
Im Fokus der Frankfurter Ausstellung stehen aber eindeutig die drei Großbauten des längst arrivierten Büros Coop Himmelb(l)au. Immerhin gelang es den Kuratoren, die Arbeitsweise des Büros auch hier transparent zu machen: Unzählige Arbeitsmodelle aus Styrodur, Skizzen sowie kurze Erläuterungstexte verdeutlichen die – oft wechselhafte – Entstehungsgeschichte der Entwürfe, große Präsentationsmodelle, wandfüllende Fotografien sowie Ringbücher voller Entwurfspläne in DIN A3 das jeweilige Endergebnis. Gerade bei der EZB-Zentrale ist es interessant, den Werdegang des Projekts noch einmal Revue passieren zu lassen. Der viel kritisierte Keil, den die Architekten als Eingangsbauwerk und Pressezentrum des Neubaus quer durch die Frankfurter Großmarkthalle trieben, existierte im Wettbewerbsentwurf zum Beispiel noch gar nicht. Er kam erst später hinzu, als  größere Teile des Raumprogramms in den Altbau wanderten, um das Bauvolumen insgesamt zu reduzieren. Weggefallen sind hingegen die »vertikalen Gärten«, die Coop Himmelb(l)au ursprünglich nach dem Vorbild der Frankfurter Commerzbank in dem gebäudehohen Atrium des Turms anlegen lassen wollten.

Anhand von mehr als 100 Arbeitsmodellen macht das DAM den Entwurfsprozess der drei Großprojekte von Coop Himmelb(l)au nachvollziehbar. Foto: Uwe Dettmar

Neben Coop Himmelb(l)au taucht vor allem ein Büro in der Ausstellung immer wieder mit Texten, Skizzen und Plänen auf. Es sind die Frankfurter Tragwerksplaner Bollinger + Grohmann, mit denen die Architekten seit Jahren zusammenarbeiten und deren Handschrift auch die Neubauten in Frankfurt und Lyon prägt. Zwar wirft die Ausstellung damit noch keinen wirklich interdisziplinären Blick auf die präsentierten Bauten. Doch mit der Konzentration auf nur drei Gebäude, die dafür um so ausführlicher dokumentiert wurden, ist dem DAM genau jene Mischung aus Fachinformation und Architekturspektakel geglückt, die das Zeug hat, einen breiten Rezipientenkreis ins Museum zu locken.
https://detail-cdn.s3.eu-central-1.amazonaws.com/media/catalog/product/d/a/dam-coophimmelblau-teaser.jpg?width=437&height=582&store=de_de&image-type=image
Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse ein, um einen Link zum Zurücksetzen Ihres Passworts zu erhalten.
Pflichtfelder
oder
Copyright © 2024 DETAIL. Alle Rechte vorbehalten.