07.10.2013 Peter Popp

Geflochtener Kokon: Experimenteller Pavillon der AA School of Architecture

Der von der Londoner Architekturschule AA angebotene Studiengang »Design & Make« bietet Studenten alljährlich die Möglichkeit auf einem hauseigenen Waldareal frei zu experimentieren. In diesem Jahr entstand unter anderem ein über dem Boden schwebendes Flechtwerk aus dünn gefrästen Zedernholzstreifen. Horizontal schlängelt sich das kokonartige Gebilde durch die Bäume und lädt die Besucher zu einer Reise in den Mikrokosmos Wald ein. Design: Hugo Garcia-Urrutia (Mexiko), Abdullah Omar Asghar Khan (Pakistan), Karjvit Rirermvanich (Thailand), im Rahmen des Studiengangs »Design & Make« 2013,
Architectural Association (AA) School of Architecture, London
Programme Director:
Martin Self
Studio Master:
Piers Taylor
Standort:
Hooke Park, GB-Beaminster, Dorset DT8 3PH

Foto: Hugo Garcia-Urrutia

Seit 2002 befindet sich der in der Grafschaft Dorset gelegene Hooke Park im Besitz der renommierten Londoner Architekturschule AA. Regelmäßig beziehen Studenten hier über einen längeren Zeitraum Quartier, besuchen Workshops, vertiefen ihr praktisches Wissen über ländliche Bauweisen, konstruktive Grundlagen und nachhaltige Technologien im Umgang mit dem Baustoff Holz. Vor allem finden sie hier jedoch auch den Freiraum sich selbst auszuprobieren, Ressourcen, die das Ökosystem Wald bietet, verantwortungsbewusst einzusetzen und daraus sichtbare bauliche Ergebnisse zu formen. Zeichenstift oder Computerprogramme spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist der Lerneffekt im Maßstab 1:1 am Objekt selbst. Der Name des Studiengangs »Design & Make« ist also durchaus Programm.

Fotos: Hugo Garcia-Urrutia

Für den Waldpavillon wurden Materialien ausgewählt, die möglichst aus dem Hooke Park selbst stammen sollten. Der ergonomisch gestaltete Unterschlupf besteht im Wesentlichen aus vier Sperrholzplatten und dem Holz eines Riesen-Lebensbaumes (Western Red Cedar, im Holzhandel umgangssprachlich oft als Zeder bezeichnet). Wichtiges Charkteristikum und wesentlicher Vorteil des grünen und unbehandelten Holzes ist seine hohe Flexibilität, die durch das Fräsen in möglichst dünne Streifen erzielt wurde. Dadurch konnte das Holz für die äußere und innere Hülle kräftig “in Form” gebogen werden.

Die Idee zum Projekt “The Cocoon” entstand auf einem Spaziergang über das 140 Hektar große Waldareal. Den involvierten Studenten ging es darum, die Beziehungen zwischen natürlichem Licht, Material und Ort zu erkunden. Der dabei entstandene Kokon symbolisiert eine "Reise durch den Wald", der den Besucher dazu animieren möchte, den Mikrokosmos Wald aus einer gänzlich anderen Perspektive wahrzunehmen.

Fotos: Hugo Garcia-Urrutia

Die Mühen haben sich gelohnt. Der canyonartig geformte Innenraum des Waldpavillons "The Cocoon" schafft eine bergende Atmosphäre, die dem Besucher eine tiefgehende Naturerfahrung in Aussicht stellt. Zumindest für einen begrenzten Zeitraum verschwimmen visuelle Eindrücke, der Geruch von unbehandeltem Holz und die Geräusche des umgebenden Flora und Fauna zur Illusion eines nahezu idealen Ortes.  Peter Popp

Foto: Hugo Garcia-Urrutia

Foto: Karjvit Rirermvanich

Fotos: Karjvit Rirermvanich

Auch die Logistik für den Transport und die finale Installation selbst wurden sorgfältig geplant. Da es wegen des feuchten Geländes nicht möglich war, den Kokon mit dem Teleskoplader bis zum ausgewählten Ort zu transportieren, mussten 20 Freiwillige das Objekt auf den letzten 100 Metern tragen.

Fotos: Hugo Garcia-Urrutia

Foto: Karjvit Rirermvanich

Foto: Hugo Garcia-Urrutia

Fotos: Karjvit Rirermvanich

"The Cocoon" schlängelt sich durch drei ausgewählte Baumstämme und nutzt diese als vertikale Lastabtragung. Der Entwurf wurde exakt auf den ausgewählten Standort zugeschnitten. Die entstandene Form ist somit absolut einzigartig.

Schnitt

Grundriss
Grafik: Garcia-Urrutia, Asghar Khan, Rirermvanich, im Rahmen des Studiengangs »Design & Make« 2013, Architectural Association (AA) School of Architecture

In der Werkstatt wurde die konstruktive Idee im kleineren Maßstab ausprobiert und einem ersten Belastungstest unterzogen.

Mock-Up
Fotos: Karjvit Rirermvanich

Erster Belastungstest

Die Form des Kokons bildete sich heraus in einer Art "bandaging process", bei der die tragende Grundstruktur beidseitig umhüllt wurde mit dünn gefrästen Zedernholzstreifen. Innere und äußere Bekleidung verlaufen dabei jeweils kreuzweise und in entgegengesetzte Richtungen. Dies sorgt für die nötige Aussteifung. Der Vorgang wurde solange wiederholt, bis das Gebilde stabil genug war, um eine tragfähige Aufhängung in den Bäumen sicherzustellen. Die Ausrichtung der Holzstreifen folgt dabei dem Prinzip der Variation. Das durch die verbleibenden Lücken einfallende natürliche Licht bewirkt eine einzigartige räumliche Verwandlung des dabei  entstehenden Innenraums.

Die außen und innen lückenhafte Beplankung mit Zedernholzstreifen schafft eine einzigartige Lichtstimmung im Innenraum. Foto: Hugo Garcia-Urrutia

Bereits frühzeitig fiel die Entscheidung, den gesamten Kokon vorzufertigen, um mögliche Risiken zu minimieren (Feuchtigkeit, Stromversorgung, Arbeit in großer Höhe). Eine der größten Herausforderungen bestand darin sicherzustellen, dass die vorfabrizierte freie Form mit den drei ausgewählten Bäumen kompatibel sein würde. Deshalb wurde das Areal sorgfältig kartografiert, von den Bäumen und dem Gelände wurde ein Modell erstellt.

Die Beplankung wurde unter Berücksichtigung der Kräfteverläufe und der zu erwartenden Beanspruchung einzelner Bereiche vorgenommen. Oberstes Ziel war es, den Charakter der selbsttragenden, schalenartigen Konstruktion zu festigen. So wurden die oberen, weniger beanspruchten Bereiche sparsamer beplankt, um mehr Licht in den Inneraum zu holen. Die Aufenthaltsbereiche und der Boden wurden mit zusätzlichen Holzstreifen verstärkt, um erhöhte Belastungen zu kompensieren.

Foto: Hugo Garcia-Urrutia

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