13.12.2009 Frank Peter Jäger

Grenzenlos shoppen im "Superknochen"

Selige Adventszeit! Die letzten Wochen des Jahres sind nicht nur die Zeit von Besinnlichkeit und Kerzenschein, Lebkuchen und Tannengrün, es ist auch die Zeit, in der die drei großen ‚K' den Takt unseres Leben beherrschen wie zu keiner Zeit sonst: Kaufen, Kaufen, Kaufen!
Während man also an einem Adventssamstag manche Stunde im stickigen Warmluft-Schwall von Einkaufszentren zu bringt, bleibt es nicht aus, dass in Augenblicken der Muße, etwa am Ende einer langen Kassenschlange, die Gedanken abschweifen zur Merkwürdigkeit der Center-Namen. Deutschlands Malls heißen „Arkaden“ und „Kolonnaden“ oder „City-Galerie“. Welche Arkaden bitte?
Wer einmal durch Bologna spaziert ist (wo man besser Schuhe kaufen kann als in jedem deutschen Einkaufszentrum), weiß den Charme arkadengesäumter Straßen zu schätzen. Doch von Arkaden ist in Deutschlands Konsumtempeln weit und breit nichts zu sehen. Das dort alles überdacht ist, macht noch lange keine Arkade.
Ebenso gerne leiht man sich den Namen einer benachbarten Sehenswürdigkeit (Karlsruhe: „Ettlinger Tor“, Dresden: „Altmarkt-Galerie“ usw.), wohl in der Hoffnung, dass ein wenig vom Glanz historischer Orte auf den Konsumtempel abstrahle. Denn ihm selbst fehlt ein echter Bezug zum Ort – schon deshalb, weil eine klassische Mall der umgebenden Stadt gleich vier Rückseiten zuwendet und sich ihr hermetisch verschließen. Anstelle lokalpatriotischen Namedroppings wären also ehrliche, wirklich treffende Namen gefragt.
In Berlin-Steglitz geht man mit gutem Beispiel voran: Das weit und breit erfolgreichste Einkaufszentrum heißt schlicht Das Schloss – obwohl es weder über eine falsche Schlossfassade verfügt, noch gab es an dieser Stelle je ein solches. Aber Das Schloß – am U-Bhf. Schloßstraße – das liegt nahe, kann sich jeder merken, und ist keine Spur gespreizt.
Sprachlich bieten sich der Phantasie unendliche Möglichkeiten, Kaufen inspiriert! Wie wäre es etwa mit: Tausend Wünsche, Schnäppchenhimmel Sindelfingen, Konsum 3000 oder Superknochen Bielefeld – als Referenz an den „Knochen“-Grundriss – Prinzip jeder erfolgreichen Mall.
Discounter und Ein-Euro-Ketten sind in Sachen Namen ungleich forscher als die Centerbetreiber mit ihrer behäbigen Pseudo-Weltläufigkeit. Die sprachliche Vermittlung des Attributes „billig“ durch Marken wie „Preis-Teufel“, „Penny“, „Niedrigpreisland“, „McGeiz“ „Havaria“ ist kaum zu toppen – Marken mit einer gesunden Corporate Mission.
Jedoch steht zu befürchten, dass die Initiatoren von Einkaufszentren weiterhin bevorzugt im Architekturvokabular wildern werden, das mit ihren Renditemaschinen so viel zu tun hat wie die bemannte Raumfahrt. Die Eröffnung der Goldenen Giebel des Architrav-Centers oder der Portikus-Passagen sind sicher nur eine Frage der Zeit.

Quelle: iStockphoto

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