06.12.2009 Sabine Drey

Herz aus Glas

Zum Thema: Bauen mit Glas

Architekten: Maedebach, Redeleit & Partner Architekten, Berlin/Dresden

Werner Huthmacher, Berlin

Die Situation
Der Komplex der Mensa und des Rektorats der TU-Dresden bildet eine heterogene Struktur, die im Lauf von 80 Jahren entstanden ist. Das Konglomerat sollte nicht nur saniert, sondern auch strukturell optimiert werden, da die gewachsene Struktur zum Teil nicht mehr wirtschaftlich erschien. So standen die Architekten vor der schwierigen Aufgabe, Bauteile in verschiedenen Stilrichtungen und Erhaltungszuständen miteinander zu verbinden. Funktionale Überlegungen spielten dabei die größte Rolle, da die Mensa mit vier Speisesälen und zwei Ausgaben nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprach. Die Ansprüche an kundenfreundlichen Service und ein vielfältiges Angebot an Gerichten sind in den letzen Jahren gestiegen. Neben Pasta, Pizza und Salattheke gibt es nun auch Wok- und Grillstationen, wo Köche die Speisen frisch vor den Augen der Kunden zubereiten. Alle Angebote konzentrieren sich auf eine zentrale Ausgabe, an welcher die Studenten ihr Menü aus allen Komponenten selbst zusammen stellen können, sodass ein Szenarium entsteht, das einem Marktplatz gleicht. Der Innenhof, der bereits vor dem Umbau im Sommer regen Anklang fand, bot die geeigneten Voraussetzung für die neue Mensa. Die Architekten sehen die Mensa als neues Herzstück, das alle Bauabschnitte miteinander verbindet und eine neue Mitte bildet. Um jedoch den Innenhof als solchen erfahrbar werden zu lassen, lag es nahe das Dach so weit wie möglich zu entmaterialisieren.

Das Dach
Die Essensausgabe mit allen haustechnischen Anlagen in das gläserne Dach zu integrieren, stellte hierbei das größte Problem dar. Als Lösung bot sich eine ringförmige Anordnung der gläsernen Konstruktion um einen zentralen Kern mit konventionellem Flachdach an, wo die notwendige Technik untergebracht werden konnte. Eine neutrale, ungerichtete Dachstruktur erlaubt relativ einfache Anschlüsse an den heterogenen Bestand und die einheitliche Scheibengröße hält die Kosten niedrig. Dank einer Neigung von 6° und der glatten Oberfläche kann das Wasser auf dem Dach gut ablaufen und sorgt für einen gewissen Selbstreinigungseffekt. Die gewählten quadratischen Isolierglasscheiben von 1,45 Metern Seitenlänge lagern vierseitig linear auf der stützenfreien Unterkonstruktion. Damit die Scheiben bei Windsog nicht abheben, sind sie oben zweiseitig linear in Fallrichtung mit Pressleisten gesichert.

Das Tragwerk
Um das Glasdach so transparent wie möglich zu gestalten, sollte die Tragstruktur ebenfalls aus Glas bestehen. Die gläsernen Schwerter bilden einen Rost aus Neben- und Hauptträgern. Die durchlaufenden Hauptträger spannen vom Bestand zur massiven Mitte und je zwei davon bilden zusammen mit den drei biegesteif angeschlossenen Nebenträgern eine »stabile Leiter«, die nicht kippen kann. Zwischen den drei biegesteifen Elementen sind weitere gelenkige Träger angebracht, deren Fugen Temperaturdehnungen und Montagetoleranzen aufnehmen. Die Träger sind bei einer maximalen Spannweite von 5,8 Metern aus geometrischen und wirtschaftlichen Gründen einheitlich 35 Zentimeter hoch. Von den vier 12 mm starken ESG-H Scheiben der Schwerter tragen nur die beiden inneren Schichten, die äußeren schützen die Tragstruktur von mechanischer Beschädigung. Die schubfeste Verbindung ist einfach zu montieren und erzeugt optisch eine gleichmäßige Struktur. Um das zu erreichen, entwickelten die Architekten zusammen mit den Fachplanern einen filigranen Knoten aus minimiert dimensionierten, geschraubten Stahlprofilen.

Werner Huthmacher, Berlin

Lageplan

Schnitt aa

Schnitt bb

Der Einzelfall
Für die Konstruktion des gläsernen Dachtragwerks musste eine
Zustimmung im Einzelfall
eingeholt werden.
Hierfür wurden drei Leitern aus je zwei Längsschwertern und drei
Querstreben in Originalgröße gebaut und den Belastungsversuchen
unterzogen. Zunächst wurde die Bemessungslast schrittweise auf das
dreifache Maß erhöht und danach alle drei Leitern einer 12-stündigen
Dauerbelastung mit doppelter Last ausgesetzt. Die Träger bogen sich
dabei 2,4 Zentimeter stark durch, ohne zu zerbrechen.
Beim Resttragfähigkeitsversuch musste die tragenden mittleren
Scheiben auch ohne die äußeren Schutzscheiben die Lasten aufnehmen.
Nachdem die Konstruktion die Genehmigung erhalten hatte, verlief die
Konstruktion reibungslos und rasch. Die optimierte Realisierungsphase
kompensierte den hohen Planungsaufwand, sodass ein überraschend
niedriger Nettopreis
von 980€ pro Quadratmeter das Tragwerk insgesamt
erschwinglich macht.

Horizontalschnitte

Vertikalschnitt

Bauherr:
Freistaat Sachsen, Dresden
Tragwerksplanung:
Leonhardt, Andrä und Partner, Dresden
Bauphysik:
Müller BBM, Langebrück
Ausführung Glasdach:
Hunsrücker Glasveredelung Wagener, Kirchberg

zu Maedebach, Redeleit & Partner
https://detail-cdn.s3.eu-central-1.amazonaws.com/media/catalog/product/2/4/24842_227_200_102.jpg?width=437&height=582&store=de_de&image-type=image
Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse ein, um einen Link zum Zurücksetzen Ihres Passworts zu erhalten.
Pflichtfelder
oder
Copyright © 2024 DETAIL. Alle Rechte vorbehalten.