03.07.2012 Jakob Schoof

Imagewandel einer »Wohnburg«

Sanierung oder Abriss? Im Falle der Wolfsburger Hochhaussiedlung »Burg« waren dies nicht zwei konkurrierende Konzepte, sondern Bausteine ein und derselben Lösung. Das von KSP Jürgen Engel Architekten geplante Sanierungsvorhaben geht nun in die zweite Phase. Architekt: KSP Jürgen Engel Architekten GmbH
Ort: 38444 Wolfsburg-Detmerode Zu gleichförmig, zu viel Leerstand und  zu große Wohnungen mit zu kleinen Räumen – die Wolfsburger Hochhaussiedlung »Burg« hatte noch 2008 mit den typischen Plagen vieler Großsiedlungen der 60er-Jahre zu kämpfen. Heute definiert sich die Zielrichtung der Wohnungsgesellschaft Neuland als Eigentümerin durch ganz andere Vokabeln: Individuell, energieeffizient und barrierearm soll die umgestaltete »Neue Burg« sein; ferner liegt sie stadtnah und im Grünen. Einen Etappensieg gab es bereits zu feiern: Die Sanierung erhielt mehrere Auszeichnungen, zuletzt den Architekturpreis des Bundes Deutscher Architekten (BDA) Niedersachsen 2012.

Wolfsburg-Detmerode gilt als Musterstadtteil für Stadtplanung der Wirtschaftswunderzeit. Unter dem Schlagwort »Urbanität durch Dichte« entstand hier Ende der 60er-Jahre eine Hochhaussiedlung mit 534 Wohnungen. Sie liegt zwar nur wenige Minuten von der Innenstadt entfernt, aber am Waldrand. Dennoch nahm die Leerstandsquote über die Jahre stetig zu – auf zuletzt 25 Prozent. Fazit der damaligen Neuland-Geschäftsführerin Kerstin Mallwitz: »Die Wohnungen sind zu groß und die weitgehend standardisierten Grundrisse nicht mehr zeitgemäß.«

In dieser Lage entschied sich Neuland 2008 für eine komplette Verwandlung. Der erste Bauabschnitt lief von 2008 bis Mitte 2011. Sieben der 24 bis zu zehnstöckigen Gebäude wurden auf vier Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss rückgebaut und komplett modernisiert. Die Anzahl der Wohnungen sank hierdurch auf rund 400.
Anzahl der Wohnungen als Stellgröße für Wohnqualität
Nach erfolgreichem Abschluss der ersten Umbauphase überprüfte Neuland 2011 die bereits vier Jahre alten Baupläne von KSP Engel Architekten, um auch weiterhin die nachhaltige und zukunftsfähige Umsetzung des Konzeptes zu gewährleisten. Die zentrale Frage lautete: Erfüllt der geplante Umbau noch künftige Anforderungen des Marktes?

Anhand der Ergebnisse entschied sich die Eigentümerin für eine noch konsequentere Strategie im zweiten Bauabschnitt. »Die Überprüfung zeigte uns, dass die wichtigste Stellgröße die Anzahl der Wohnungen ist, um Leerstand zu vermeiden und den Wert des neu gestalteten Quartiers hoch zu halten«, erläutert Manfred Lork, heute Geschäftsführer der Neuland Wohnungsgesellschaft. Deshalb werden nun über die ursprüngliche Planung hinaus sieben Komplexe – insgesamt 257 Wohneinheiten – bis Ende 2012 vollständig abgerissen. Die zehn weiteren Gebäude bleiben in ihrem Volumen erhalten. Sie werden in bewohntem Zustand saniert und modernisiert. Voraussichtlich 2013 wird die »Neue Burg« fertig gestellt sein.

Energieeffizienz und individuelle Fassaden
Für die bereits fertig gestellten Gebäude wurde Neuland 2011 das Gütesiegel der Deutschen Energie-Agentur (dena) verliehen. Die nun viergeschossigen Bauten erfüllen den KfW-Effizienzhaus 100-Standard, die Penthäuser im Staffelgeschoss entsprechen dem Standard des KfW-Effizienzhauses 85. Solarthermie-Kollektoren decken rund 40 Prozent des Warmwasserbedarfs; eine Fassadendämmung mit 16 cm EPS und neue Fenster (Uw-Wert: 1,3 W/m²K; in den Penthäusern 1,1 W/m²K) sorgen für einen niedrigen Energiebedarf.

Optisch belebt werden die nunmehr verkleinerten  Baukörper durch Materialwechsel an den Fassaden: Zum einen sind die Gebäude mit Mehrschichtverbundplatten in Holzoptik verkleidet, zum anderen tragen sie eine Putzfassade.LED-Leuchten im Außengelände und an den Treppen bieten im Dunkeln gute Sicht. Die verbliebenen Gebäude der zweiten Bauphase erhalten nunmehr eine Kombination aus Alucobond-Vorhangfassaden und Wärmedämmverbundsystem. Neue Kunststofffenster, Dacherneuerung, Kellerdeckendämmung, neu gestaltete Eingänge, Instandsetzung der Treppenhäuser sowie Sanierung der Wasser- und Elektroinstallationen komplettieren die Sanierung.

Neue Wohnungsgrundrisse, kommunikative Außenanlagen
Um dem Wunsch nach individuellem Wohnraum nachzukommen, wurden im ersten Bauabschnitt die Grundrisse der Wohnungen neu zugeschnitten. Es entstanden Ein- bis Vierzimmerwohnungen und im Dachgeschoss Penthäuser mit privaten Dachterrassen. In einzelnen Wohnungen erfüllen bodengleiche Duschräume, breite Türen sowie Balkone oder Terrassen mit stufenlosem Zugang die Vorgaben für barrierearmen Wohnraum.

Preiswürdig: »Generationenwohnen« und »Demenz-WG«
Das niedersächsische Sozialministerium verlieh für die umfassend modernisierte Wohnanlage das Niedersächsische Qualitätssiegel für sicheres Wohnen. Gewürdigt wurde zum einen das Wohnprojekt »WOHNsinn«, in dem sich generationenübergreifende Wohngruppen zusammenfinden. Für die Demenz-Wohngemeinschaft »Neues Land« erhielt die »Neue Burg« außerdem den Preis der Initiative »Deutschland – Land des Langen Lebens« in der Kategorie »Vernetztes Leben«. Sie bietet auf 400 Quadratmetern bis zu zehn Senioren ein gemeinsames Zuhause mit persönlichem Wohnbereich und ambulanter Betreuung.

Projektdaten

Objekt: Wohnanlage »Neue Burg« in Wolfsburg-Detmerode
Bauherr: NEULAND Wohnungsgesellschaft mbH
Architekt: KSP Jürgen Engel Architekten GmbH
Bauzeit: 5 Jahre (2008 – 2013)

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