In situ Fassaden-Photovoltaik-Forschung

An der Fassade des ZSW werden CIGS-Dünnschichtphotovoltaik getestet. Der modulare Fassadenaufbau erlaubt den flexiblen Austausch der Elemente (Foto: Henning Larsen, Fotograf: Jens Willebrand)

Bislang befinden sich rund drei Viertel aller Photovoltaikanlagen auf Dächern, ein weiteres Viertel auf Freiflächen. Der Anteil der gebäudeintegrierten Anlagen (Building-Integrated Photovoltaics, BIPV) bewegt sich laut den Wissenschaftlern des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) im Promillebereich. Dabei sehen sie hier enorme Vorteile: Neben der elektrischen Energiegewinnung bietet die BIPV mit vergleichbarer Qualität auch alle Funktionen einer klassischen Fassade wie Schutz vor Wind und Wetter, Abschattung und Tageslichtnutzung, Schallschutz und Wärmedämmung. Innovative Dünnschichtmodule auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) bieten weiterhin die gleichen ästhetischen Gestaltungsmöglichkeiten wie Glasfassaden, da ihre Zellstruktur anders als bei der Silizium-Photovoltaik kaum sichtbar ist, wodurch homogene Glasflächen in dezenten Farben ermöglicht werden. Ein Forschungsprojekt unter der Leitung des ZSW soll nun für Fortschritte der gebäudeintegrierten Photovoltaik sorgen. Zusammen mit Partnern aus Forschung und Industrie wollen die Wissenschaftler die für die Gebäudeintegration besonders geeignete CIGS-Dünnschichtphotovoltaik für Fassadenanwendungen optimieren. ZSW setzt eigene Forschung an der Fassade um
Was bietet sich dabei für ein Solar-Forschungsinstitut mehr an, als die Forschungstätigkeiten zur Entwicklung gebäudeintegrierter Dünnschichtphotovoltaik direkt vor Ort an der Fassade des eigenen Unternehmenssitzes durchzuführen? Das dachten sich auch die Bauherrn des ZSW in Stuttgart und entwickelten gemeinsam mit Henning Larsen Architects ein Gebäude, dass sowohl den funktionellen und gestalterischen Anforderungen als auch den Herausforderungen durch die speziellen Forschungsaufgaben an der Fassade entsprach. Das ZSW gehört zu den führenden Instituten für angewandte Forschung auf den Gebieten Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie Energiesystemanalyse. Am neuen Institutsgebäude in Stuttgart wird nun direkt vor Ort Feldforschung betrieben, die Fassade wird dabei zum Versuchslabor für gebäudeintegrierten Solarmodule. Innovative Forschungsarchitektur
Bei dem Neubau handelt es sich um eine maßgeschneiderte Forschungseinrichtung. Weniger als 25% des Gebäudes sind Büros und Verwaltungsflächen, der überwiegende Bestandteil sind Nutzungen der Forschung wie Werkhallen, Labore, Technik und Werkstätten. Henning Larsen haben in enger Kooperation mit dem ZSW das Institutsgebäude so geplant, dass die Hälfte des Wärmeenergiebedarfs durch eigene Energiequellen gedeckt werden kann. Erneuerbare Energien finden in der Strom-, Wärme- und Kälteversorgung Verwendung. Ein Teil der Fassade wurde mit CIGS-Dünnschicht-Photovoltaikmodulen versehen, die vom ZSW mit dem Industriepartner NICE Solar Energy (ehemals Manz CIGS Technology) entwickelt wurden. Jeder einzelne Baukörper des additiven Gesamtkomplexes definiert sich über ein innenliegendes Atrium, um das sich die Funktionsbereiche anordnen. Dieser Innenhof versorgt die Funktionsbereiche mit Tageslicht und ermöglicht variierende Sichtbeziehungen zwischen den einzelnen Fachbereichen. Öffentliche, kommunikative Funktionen, wie Teeküchen, Ausstellungsbereiche, Besprechungsräume und –zonen orientieren sich an diesen Innenhöfen, um die soziale Interaktion und Kommunikation innerhalb und zwischen den Abteilungen zu fördern. Das Farbkonzept des Innenraums wartet mit einem kontrastierenden Thema zur Außenerscheinung des Gebäudes auf. Die Fassade folgt aufgrund der Integration der schwarzen Photovoltaikmodule einem schwarz-in-schwarz Farbschema. Dies wird im Innenraum durch ein weiß-in-weiß Farbschema kontrastiert. Modulare und flexible Fassadenstruktur
Die modulare Konstruktion der Fassade erlaubt es, einzelne Photovoltaikmodule auszutauschen, um beispielsweise weitere eigene Entwicklungen des ZSW zu testen. Auch ein Tausch der opaken Fassadenelemente mit entsprechenden PV-Elementen, unter Verwendung der gleichen Unterkonstruktion, ist möglich. Die typische Farbe der PV-Module ist schwarz, um dadurch einen maximalen Stromgewinn zu erzielen. Henning Larsen stellten in ihren Fassadenkonzept sicher, dass sich die Photovoltaikmodule mit ihrer schwarzen Fassade harmonisch in das architektonische Gesamtkonzept einfügen. Die Fassade besteht in den unteren Ebenen aus großformatigen, schwarz durchgefärbten Sichtbeton-Fertigteilen mit Einzelfenstern. In den oberen Ebenen kommt eine schwarz eloxierte Aluminiumfassade zum Einsatz, in die teilweise die Photovoltaik-Dünnschichtelemente integriert wurden. »Die Fassade eines Gebäudes ist das Gesicht zur Stadt; hier beim ZSW wird die Außenwirkung verstärkt, indem sich die Forschungsarbeit des Bauherrn in der prägnanten Fassade widerspiegelt und so Landmark und Benchmark zugleich ist«, führt Werner Frosch, Partner bei Henning Larsen, aus. Der gebäudeintegrierten Photovoltaik zum Durchbruch verhelfen
Die gebäudeintegrierte Photovoltaik könnte vor allem bei größeren Gebäuden künftig einen Aufschwung erleben: Ab 2020 müssen alle neuen Nichtwohngebäude in der EU als Niedrigstenergiegebäude gebaut werden. Deutschland strebt zudem bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudesektor an. Ohne einen deutlichen Anteil von Solarenergie auch in der Fassade sind diese Ziele nur schwer zu erreichen, erläutern die Wissenschaftler am ZSW. Architekten und Gebäudeplaner werden daher die Technologie verstärkt einsetzen, prognostizieren Fachleute und Wissenschaftler. Die deutschen Hersteller von Dünnschichtmodulen und Produktionsanlagen sehen darin eine Chance, einen Massenmarkt zu erschließen. »Im Forschungsprojekt betrachten wir das gesamte System einer Dünnschichtphotovoltaik-Fassade«, erklärt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. »Wir optimieren das Moduldesign hinsichtlich Energieertrag, Schattentoleranz, Montagefreundlichkeit und Flexibilität der Modulgröße und passen es an die übrigen Systemkomponenten an.« An den elektronischen Komponenten untersuchen die Forscher die Aspekte Sicherheit, Funktionalität und Zuverlässigkeit. Außerdem prüfen sie das energiewirtschaftliche Potenzial von CIGS-Fassaden im Hinblick darauf, wie der elektrische und thermische Energiebedarf auf Gebäudeebene gedeckt werden kann. Das ZSW übernimmt die Auslegungsrechnungen, Labor- und Felduntersuchungen sowie die Erhebung von Betriebsdaten. Im Rahmen von Felduntersuchungen an der CIGS-Fassade am neuen Institutsgebäude in Stuttgart führen die Forscher eine vergleichende Bewertung der verschiedenen Systemvarianten hinsichtlich Funktion und Ertrag durch. Mehrwert von Solarfassaden
Noch sind die Kosten der integrierten Photovoltaik zwar höher als die der Aufdachmodule, Solarfassaden mit einer Amortisationszeit von zehn Jahren sind jedoch möglich. Zusätzlich kann durch die Fassadenintegration eine höhere Wertigkeit des Stroms erzielt werden, da dessen Spitzenwert nicht zwangsläufig mittags, sondern je nach Orientierung in den Morgen- und Abendstunden liegen. Fassadenanlagen nutzen zudem die tief stehende Sonne im Winter aufgrund ihrer vertikalen Ausrichtung gut. Die Wissenschaftler am ZSW sehen gute Chance für die bislang nur verhalten genutzte Technologie und gehen mit ihrem eigenen Institutsgebäude als Vorbild voran.
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