05.10.2009

Kolumne: Meisterhäuser - a Bauhaus for my dog

Die Jubiläumsausstellung zum 90. Geburtstag des Bauhauses im Berliner Martin Gropius-Bau war trotz ihrer fast einschüchternden Materialfülle ein echter Besuchermagnet. Am 4. Oktober, dem letzten Ausstellungstag, war der Andrang so groß, dass zeitweilig niemand mehr ins Gebäude gelassen wurde. Kein Zweifel, das Bauhaus lebt! Um die Popularität der Bauhaus-Idee im breiten Publikum unter Beweis zu stellen, hat das ebenfalls in Berlin beheimatete Bauhaus-Archiv seine Besucher ermuntert, ihre ganz persönliche Vision vom Bauhaus auf einer Postkarte zu skizzieren.

Quelle: Frank Peter Jäger

Ein Meister mit dem Pseudonym Felix entwickelt als Referenz an Ludwig Mies van der Rohe einen Hundebungalow: „A bauhaus form my dog“. Der offenbar als Typenbau konzipierte Halbgeschosser ist ein der weißen Moderne verpflichteter, minimalistischer Kubus. Form und Funktion erleben eine schlüssige Synthese, nicht zuletzt in der hervortretenden Attikapartie, die Hasso zugleich als regensicherer Ablageplatz für den Knochen dient. Das runde Seitenfenster ist dagegen wohl eher dem formalen Repertoire Hans Scharouns entlehnt.
Doch nicht nur das Rundfenster macht das Hasso house ungewöhnlich innerhalb der Mies'schen Traditionslinie. Denn Mies, der schon früh für ein großbürgerliches Publikum arbeitete, neigte dazu, seine Auftraggeber durch die Verwendung hochwertigen Materialien mit dem Purismus des Neuen Bauens zu versöhnen. Hier dagegen werden die Grundsätze des Funktionalismus ähnlich konsequent umgesetzt wie bei Ernst Mays Frankfurter Siedlungen. An sie erinnert die konsequent abstrahierte Form, aber auch manches Detail, wie der aus weiß durchgefärbtem Beton geformte Fressnapf. Er verdankt sich der intelligenten Weiterverwendung der beim Ausfräsen des Rundfensters angefallenen Betonscheibe. Materialvergeudung kann sich in der Krise – der damaligen wie der aktuellen – niemand leisten.
Während heute das liegenden Fenstern, Flachdach, weiß gekalkten Wänden zum Allgemeingut gehören, lässt man Hasso, der die Errungenschaften der Moderne bei Wind und Wetter, Schnee und Regen zuverlässig beschützt, immer noch in einer düsteren und unpraktischen Satteldach-Hütte aus lieblos zusammengezimmerten Brettern hausen. Das Extra-Fenster fehlt ebenso wie die großzügige Sonnenterasse, auf der Hasso sich an warmen Tagen in der Sonne räkeln kann. Mit seinem emanzipatorischen Ansatz steht Felix also ganz in der Tradition der Bauhaus-Lehrer.
Natürlich kann man auch fragen: Ist das Bauhaus auf den Hund gekommen? Wenn dem so ist, dann darf man das sicher nicht Hasso oder gar Felix anlasten.
Aber vielleicht dem IKEA-Management? Schließlich scheint der Einrichtungskonzern die alte Idee vom preiswerten, guten Design fürs breite Publikum eingelöst zu haben. Wer sonst, wenn nicht Ingmar Kamprad, wäre Gropius' legitimer Erbe?
Und doch machen uns die millionenfach unters Volk gebrachte, allzu rationell produzierten, immer nur fast vollkommenen Design-Produkte nicht glücklich. Vom nassforschen Dauer-Dutzen der Kunden in der IKEA-Werbung mal ganz abgesehen. Hier zeigen sich die Fallstricke von Visionen. Manchmal ist es besser, sie werden nie Wirklichkeit, sondern enden als die Zukunft von vorgestern wohl arrangiert in der Museumsvitrinen.
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