15.07.2009

Kolumne: Stehauf-Architekten sind sexy

Eigentlich beschäftigt uns diese Frage natürlich ständig, aber nun drängt sie sich, ermuntert von Kommentaren aus berufenem Munde einmal mehr in den Mittelpunkt: Sind Architekten sexy? Und Architektinnen erst recht?
So einfach ist diese Frage nicht zu beantworten, wenn man hier tagtäglich mittenmang ist und vor lauter Baukatalogen den eigenen Bauchnabel nicht mehr sieht. Andere haben da einen freieren Blick, zum Beispiel Arndt Roller, Chef der Online-Partnervermittlungsagentur Parship. „Frauen stehen auf Architekten“ erklärt er kürzlich in der FAZ am Sonntag und beglückwünscht den Berufsstand gleich auch noch ausdrücklich. So leicht lassen wir uns natürlich nicht aus dem Häuschen locken, zumal der angebliche Spitzenplatz in den Flirtcharts fast im gleichen Atemzug mit den Chancen von Milchbäuerinnen auf Einsiedlerhöfen genannt wurde. Es komme nicht auf Geld und Erfolg an, sondern auf Charisma und den Willen zum Erfolg – wenn man Rollers Statement so versteht, haben Architekten wirklich super Chancen.

Gitti und Jungarchitekt Chris aus dem Film Alle Anderen (Foto: PROKINO Filmverleih GmbH / Gerald von Foris)

So wie in Maren Ades Film „Alle anderen“. Männlicher Hauptdarsteller ist der Jung-Architekt Chris. Der aufgestaute Schaffensdrang drängt ihm aus jedem Knopfloch, alleine der berufliche Durchbruch steht noch aus. Die zarten Bande zu seiner neuen Freundin Gitti erlebt im Zweisamkeits-Laboratorium eines Sardinien-Urlaubs empfindliche Prüfungen; nicht zuletzt, weil Gitti ihren Freud, der gerade einen hoffnungsvollen Wettbewerb in den Sand gesetzt hat, energisch gegen die gönnerhafte Großmäuligkeit eines Architekten-Kollegen verteidigt – gegen die er sich nicht wehren kann und will. In Szenen wie diesen verwandelt sich der Film in eine amüsante Spiegelung der Architekturszene – und ihrer emotionale Achterbahn zwischen Hybris und Selbstzweifeln, gerne garniert mit einer gute Portion Zerknirschtheit und Kollegen-Häme – für Ambitionierte wie Chris scheint diese Mischung das Öl fürs Ego.
Vielleicht gibt der Film damit auch eine Antwort auf die Bauchnabel-Frage: Anziehend sind schon immer die, die sich mit Haut und Haaren einer Sache hingeben, die Wagemut mit Lässigkeit verbinden, einen langen Atem haben – und eine herbe Niederlage einstecken können, als wär sie bloß ein kleiner Bauchklatscher.
Der Mut, sich jeden Tag aufs Neue in den Windmühlenkampf zwischen gepflegtem Prekariat, beratungsresistenten Bauherren, nervenzerrenden Baubesprechungen und Bauamtspersonal im Kernzeitkoma auszusetzen? ist absolut sexy. „Ich liebe meinen Beruf“ tragen am Ende eines solchen Tages die Damen und Herren Architekten tapfer in Ihr frisch eingerichtetes Parship-Profil ein.

Foto: PROKINO Filmverleih GmbH

Autor:
Frank Peter Jäger
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