Konfliktlösung mit Bürgern durch Virtual Reality

Bürgerbeteiligung in der Bauplanung: Nutzerzentriertes Planen mit virtuellen Gebäudemodellen (Foto: Fraunhofer IAO, Bernd Müller)

Die meisten Konflikte mit Bürgern bei Bauvorhaben im öffentlichen Raum entstehen aufgrund von mangelnder Information und Kommunikation. Nicht das Projekt an sich ist vielfach der Streitpunkt, sondern vielmehr spielen Ängste der betroffenen Anwohner oder Nutzer eine Rolle bei der Ablehnung einer Neuplanung. Laut den Wissenschaftlern liegt der Grund für diese mangelnde Akzeptanz unter anderem auch daran, dass bei den meisten Bauvorhaben zunächst nur für Experten lesbare Planunterlagen angefertigt werden, die zwar für die kommunalen Genehmigungsverfahren sowie die formal vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung ausreichen, für Laien jedoch nur schwer lesbar sind. Bilder können hingegen von den meisten Menschen schneller und leichter aufgenommen werden. Sie helfen, Zusammenhänge zu begreifen, sich damit auseinanderzusetzen und schlussendlich dienen sie nicht unerheblich der Meinungsbildung. Während ein Bild mit mittlerer Komplexität nach wenigen Sekunden Betrachtung langfristig vom menschlichen Gehirn gespeichert werden kann, bleiben in der gleichen Zeit nur wenige Worte haften. Damit werden Visualisierungen zu idealen Kommunikationsträgern für Bauvorhaben, was bereits die 2014 in Kraft getretene VDI-Richtlinie 7001 anerkennt. Genauere Untersuchungsergebnisse zu dem Thema inklusive eines Leitfadens liefert das von 2015 bis 2017 laufende Forschungsprojekt VisB+. In Kooperation von Fraunhofer IAO und der Universität Hohenheim untersuchten die Forscher nicht nur, wie sich mittels Visualisierungen die Kommunikation verbessern lässt, sondern auch welche Vor- und Nachteile Visualisierungsmedien vom einfachen Architekturmodell über Renderings und Animationsfilme bis hin zu Echtzeitsimulationen wie Virtual oder Augmented Reality bei der Bürgerbeteiligung haben. Um diese Potenziale des Visualisierungseinsatzes auszuloten, verwendete das Forscherteam drei Methoden. In einem ersten Ansatz wurde die nationale und internationale Forschungsliteratur ausgewertet, während der zweite Ansatz Expertengespräche mit Planern sowie Vertretern der Bauverwaltung und der Zivilgesellschaft vorsah. Als drittes folgte eine eigene empirische Erhebung mit 100 Bürgern sowie 30 Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Bildungsgrade und Altersklassen, in der ihr Umgang mit den unterschiedlichen Visualisierungstechniken in medienpsychologischen Experimenten und simulierten Bürgerwerkstätten am Beispiel des realen Planungsvorhabens Haus der Musik in Innsbruck beobachtet wurde. Das Fazit der Studie ist wenig überraschend: Verständliche und detailgetreue Visualisierungen spielen eine fundamentale Rolle bei der Bürgerbeteiligung und ihrer Meinungsbildung. Ein wichtiges Merkmal der Visualisierungen ist jedoch die Plausibilität des Dargestellten. So wurden beispielweise dramatische Belichtungssituationen negativer bewertet als realistische Wiedergaben. Die Visualisierungsform machte bei der Bewertung des Bauvorhabens hinsichtlich seiner räumlichen und funktionalen Qualität keinen allzu großen Unterschied. Lediglich Renderings werden hinsichtlich Realismus, Glaubwürdigkeit und Verständlichkeit schlechter bewertet und führen somit zu einer stärkeren Meinungspolarisierung. Rein von der Nutzung zogen die Probanden jedoch im direkten Vergleich Echtzeitsimulationen gegenüber anderen Visualisierungen vor: Das freie Navigieren mit der Wahl des eigenen Blickwinkels machte die Erkundung zum besonders realistischen Ergebnis. Auch in den Workshops entwickelten sich Diskussionen unterstützt mit Echtzeitmedien effizienter und strukturierter. Das Alter der Probanden ist dabei wenig entscheidend: Jugendliche lassen sich analog zur Welt der Computerspiele schnell von einer Virtual Reality begeistern, gleichzeitig ist die Akzeptanz neuartiger Visualisierungen auch bei älteren Teilnehmern der Studie hoch. Ebenso effektiv wie Bebilderungen zeigten sich das auch Veranstaltungsformate. Interaktiv ausgerichtete Veranstaltungen sorgten unabhängig vom Visualisierungsmedium für mehr Motivation und Beteiligung bei den Probanden. Der studienbegleitende Leitfaden »Bauprojekte visualisieren« fasst die Ergebnisse als Praxishilfe zusammen. Er liefert nicht nur die Antwort, weshalb Projekte visualisiert werden sollten, sondern auch die 10 besten Tipps für den Einsatz von Visualisierungsmedien inklusive des Vergleichs von Vor- und Nachteilen, Eignung, Zeit- und Kostenaufwand. Sowohl auf Hoch- als auch Tiefbauten anwendbar, richtet sich die Publikation in erster Linie an Planer und Steuerer, ausführende Unternehmen wie auch Behörden, Verbände und Bürgerinitiativen – denn neben überzeugenden Bildern ist eine breite und partizipativ angelegte Kommunikation das beste Mittel zum erfolgreichen Bauen.
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