22.04.2009 Tina Seyffert

Konjunkturpaket: Strohfeuer des Aktionismus oder Segen?

Wie wir im ersten Teil der Serie gesehen haben, scheint es an Chancen nicht zu fehlen. Doch kommt von den Investitionen der Bundesregierung wirklich etwas bei den Architekten an? DETAIL.de hat verschiedene Büros zum Stand der Dinge befragt. Die Ansichten sind zunächst durchaus verschiedenen: Es kommt ganz darauf an, in welchem Bereich das Büro tätig ist und wie gut der Architekt über die Investitionen bescheid weiß.
Fest steht: Mit dem Konjunkturpaket tun sich im Architekturbüro einige Möglichkeiten auf. Setzt man auf bestimmte Schwerpunkte, wie Schulbau und Nachhaltigkeit, kann man profitieren. Denn Vereinfachungen im Vergaberecht und ein Förderprogramm zur energetischen Sanierung machen die Realisierung von Projekten schneller möglich als gedacht. Es wird in Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Hochschulen investiert. Auch Steuerentlastungen, Sonderabschreibungen und Investitionen in die Infrastruktur klingen vielversprechend. Mancherorts konzentrieren sich die kommunalen Investitionen auf engstem Raum, so zum Beispiel in der HafenCity Hamburg.
DETAIL.de hat sich umgehört und Stimmen zum Stand der Dinge eingefangen. Kommt bei den Architekten wirklich etwas an? Und wenn ja, in welcher Form und was gibt es zu tun, wenn das Geld nicht ankommt?
Büro raum+ aus München: Schlau machen für den Bauherrn

Thomas Reinhold von der Planungsgemeinschaft raum+ informiert sich gerade zum Thema. Interessant ist, dass er sich für sein Planungsbüro gar keine spürbaren Auswirkungen ausmalt, sondern viel eher seine Bauherren über mögliche Fördergelder informieren möchte.
Das Planungsbüro raum+ ist im Bereich Sanierungen und Einfamilienhäuser tätig und erweitert derzeit einen Geschäftsbau. Thomas Reinhold erklärt: „Das Konjunkturpaket wirkt sich momentan nicht wirklich auf unsere Aufträge aus. Wir werden aber schon gefragt, welche Maßnahmen des Konjunkturpaketes beim jeweiligen Projekt greifen.“ Und um seinen Auftraggebern kompetente Auskünfte über die Fördermöglichkeiten zu geben, trägt er nun sämtliche Informationen zusammen. So könne sich das Konjunkturpaket ja vielleicht doch noch, wenn auch indirekt auswirken, meint er.
Albert Speer & Partner aus Frankfurt: "Wir spüren noch nichts!"

Thomas Reinhold (Foto: raum)

Ganz ähnlich formulierte es Gerhard Brand, Geschäftsführer bei Albert Speer & Partner in Frankfurt. Das Büro realisiert derzeit 50 Prozent der Projekte im außereuropäischen Ausland. Die Auswirkungen sind ganz unterschiedlich, aber nicht negativ.
„Wir spüren überhaupt noch nichts. Das chinesische Büro läuft wider Erwarten hervorragend. Die anderen Projekte, die wir von hier aus bearbeiten, aber auch im Ausland realisiert werden, sind Spezialprojekte, die von der Konjunktur nicht betroffen sind.“ Er sieht in den Investitionen der Bundesregierung Schubladeninvestitionen, die zunächst in die Verkehrswege, Straßen und Schienen fließen und den Architekten nicht tangieren. Erst die Sanierungsprojekte, die schon lange darauf warten realisiert zu werden und quasi schon in der „Schublade“ liegen, können hier etwas bringen. Es seien zwar viele Projekte, die jetzt angeschoben werden, „aber es sind relativ kleine Projekte in Bezug auf das Investitionsvolumen: Sanierungsbauten, Modernisierungen und Erweiterungsbauten.“ Prinzipiell realisiert Albert Speer & Partner Großprojekte mit langer Vorlaufzeit und wird wahrscheinlich erst später vom Konjunkturpaket profitieren.
Gerhard Brand sieht das Konjunkturpaket nicht nur durch die Unternehmerbrille und deshalb insgesamt mit gemischten Gefühlen: „Es ist ein Strohfeuer. Die Leute, die es sich vielleicht eigentlich nicht leisten können verschulden sich jetzt. Das Geld hätte man eher nachhaltig investieren müssen, zum Beispiel in den Umweltschutz. Oder auch in die Bildung, in dieser Diskussion wäre es vielleicht wichtig neue Schultypen zu entwickeln, anstatt alte zu sanieren. Klar ist: Wir brauchen diesen Aktionismus jetzt zwar – das ist keine Frage – aber die Verschuldung müssen wir, oder eher noch unsere Kinder später ausbaden.“
herbertarchitekten aus Fulda: Zusätzliche Aufträge im Bereich Schulbau

Gerhard Brand (Foto: ASP)

Ganz anderer Meinung ist Timo Schütrumpf von herbertarchitekten aus dem Landkreis Fulda. Bei dem kleinen Büro kommt das Konjunkturpaket so gut an, dass sogar eine neue Stelle geschaffen wurde. Das Büro, das schon vor der staatlichen Finanzspritze einige Projekte im Bereich Schulen und Hallen realisierte, trifft jetzt genau den Zahn der Zeit. So stehen aktuell zusätzlich zu den normalen Aufträgen zwei Sporthallensanierungen, eine Schulerweiterung und ein Rathausumbau an, die zum Großteil aus Mitteln des Konjunkturpakets finanziert werden. Timo Schütrumpf sieht eher Probleme bei den Kapazitäten: „Da im Rahmen des Konjunkturprogramms noch in diesem Jahr mit den Baumaßnahmen begonnen werden muss, sehen wir Engpässe, die dem Landkreis zu Verfügung gestellten Mittel von über 100 Millionen Euro mit der hiesigen Wirtschaft auch verbauen zu können.“
J. Mayer H. aus Berlin: Krise nicht spürbar

Timo Schütrumpf (Foto: herbertarchitekten)

Jürgen Mayer H. sieht die Lage entspannt, denn sein Büro ist breit aufgestellt. Aufträge gibt es mehr denn je. Von einer Krise ist bei ihm nichts zu spüren, vom Konjunkturpaket jedoch auch nicht. „Wir sind sehr vielseitig und nicht spezialisiert auf einen Bereich. Wir haben öffentliche Auftraggeber, aber auch Projektentwickler mit Bürobauten und Industriebauten sowie private Bauherrn.“ Inwiefern die Realisierung dieser Projekte durch die Investitionen der Bundesregierung angeschoben wurde, ist unklar. „Der Mehrwert, den sich Bauherren von unseren Projekten versprechen“ vermutet Jürgen Mayer H., jedoch, „scheint so attraktiv zu sein, dass wir für die unterschiedlichsten Aufgaben angesprochen werden.“ Einen direkten Bezug vom Konjunkturpaket der geförderten Maßnahmen zu seinem Architekturbüro sieht er nicht, eher vermutet er, dass die dadurch verbreitete positive Stimmung in zweiter oder dritter Instanz vielleicht beim Büro J. Mayer H. ankommt.
Fazit
Unmittelbar zu spüren scheint der Aufschwung durch das Konjunkturpaket in erster Linie in kleineren Büros, die Projekte mit Investitionsvolumen um etwa einer Million realisieren. Auch vom Bau der öffentlichen Hand und deren Investition in Schulen, Kindergärten, Sporthallen, oder Verwaltungsbauten können kleine und mittlere Büros profitieren. Wer Großprojekte realisiert, spürt zunächst von den Konjunkturmilliarden nichts, vorausgesetzt er ist breit aufgestellt und bedient auch den internationalen Markt.

Jürgen Mayer H. (Foto: Oliver Helbig)

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